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175 Jahre Handwerkskammer Der erste Präses war Sattlermeister

Es war das Streben nach Demokratie, das 1849 zur Gründung der Bremer Handwerkskammer führte. Der erste Präses war ein Sattlermeister - doch in Zukunft darf es ruhig eine Frau sein.
15.03.2024, 19:31 Uhr
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Der erste Präses war Sattlermeister
Von Florian Schwiegershausen

"Ich bevorzuge eigentlich Bewerber mit nicht so geraden Lebensläufen – bei den aalglatten werde ich skeptisch", sagt die Bremer Bäckereiunternehmerin Lene Knoll bei einer Diskussion in der Handwerkskammer über Frauen in Handwerksberufen. Braumeisterin Doreen Gaumann erzählt über ihre Auszeit, und Zimmerin Mara Günther spricht über den Stammtisch, bei dem sie sich mit anderen Frauen in Handwerksberufen austauscht.

Das ist gerade mal eine Woche her und zeigt, womit sich die Bremer Handwerkskammer im Jahr ihres 175-jährigen Bestehens beschäftigt und wie sie dazu gemeinsam mit dem Frauennetzwerk Belladonna etwas auf die Beine stellt. Es geht darum, Frauen zu zeigen, dass es für sie ebenso im Handwerk auch attraktive Berufe gibt. Denn die Gewerke leiden unter Nachwuchs- und Fachkräftemangel. Und so hat die Kammer ihre Funktion in den vergangenen Jahren neu definiert. Hauptgeschäftsführer Andreas Meyer sagte es bei dem Festakt in der Oberen Rathaushalle am Freitag so: "Wir haben uns für unsere Mitglieder zu einem Dienstleister gewandelt." Der amtierende Präses, Malermeister Thomas Kurzke, ergänzt: "Früher wurde die Kammer wohl eher als Aufsichtsbehörde wahrgenommen und hat sich wohl selbst so gesehen."

Unzufriedene Handwerker im Jahr 1849

Bei der Gründung Kammer 1849 war von Frauen keine Spur. Jedoch war ihre Entstehung Ausdruck des Strebens nach Demokratie. Denn die erste demokratische Verfassung Bremens sah neben der schon existierenden Handelskammer eine zweite Kammer für das Gewerbe vor. Es wuchs die Unzufriedenheit darüber, wie die Macht verteilt war. Zum einen wurde den Handwerkern der Zugang zu der Versammlung verwehrt, woraus später die Bremische Bürgerschaft entstand. Ein Handwerker als Senatsmitglied war damals auch so gut wie undenkbar. So gründeten Handwerksmeister, Gesellen, Volksschullehrer und Kleingewerbetreibende im Bremer Krameramtshaus am 7. März 1848 den Bremer Bürgerverein. Aus dem Gebäude wurde später das Gewerbehaus, aus dem Verein die Handwerkskammer, die schließlich in dem Gebäude am Ansgarikirchhof ihren Sitz erhielt. Anfangs vertrat sie auch noch die aufkommenden Industriebetriebe und sah ihre Aufgabe auch in der Fortbildung der Handwerker. Erster Präses der Handwerkskammer wurde im Jahre 1855 der Sattlermeister Hermann Beyer.

Diese ersten Schritte beschrieb am Freitagnachmittag beim Festakt im Rathaus neben Präses Thomas Kurzke auch Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD): "Damit hat Bremen die älteste Handwerkskammer Deutschlands. Womöglich ist sie sogar die älteste Handwerkskammer der Welt, wobei das 'womöglich' der bremischen Bescheidenheit geschuldet ist. Ein Hamburger würde sagen: ,Ganz bestimmt ist sie die älteste Handwerkskammer.'" Geschichtliche Unterstützung gab es dabei zur Überraschung des Publikums auch vom allerersten Präses Hermann Beyer. Der war Ehrengast und trat in Gehrock, mit Stock und Zylinder auf die Bühne der Rathaushalle – in Form eines Schauspielers. Beyer traf dabei auf seine Nachfolge im Jahr 2049, nämlich die weibliche Präses Heike Maria Schmidt (in Form einer Schauspielerin). Sie erschien aus der Zukunft, und für sie sei es völlig normal, dass zum 200. Geburtstag der Bremer Handwerkskammer eine Frau an der Spitze steht.

Handwerkskammer auf Tiktok

Mit dieser Idee wollte die Kammer auch einen etwas anderen Weg als den des üblichen Festakts mit Reden und Musik gehen. In den vergangenen Jahren hat sie sich bereits Gedanken gemacht, wie sie ihren Mitgliedern unter die Arme greifen kann. So gibt ein Digitallotse Tipps für die Präsenz der Betriebe im Internet und in den sozialen Medien. Denn dort können die Handwerksbetriebe Aufmerksamkeit bei jungen Leuten für das Thema Ausbildung wecken. Die Kammer selbst ist bereits auf der Internetplattform Tiktok präsent. Ebenso hat sie Ausbildungslotsen, die nicht nur schwächeren Schülern bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz hilft.

Hauptgeschäftsführer Meyer zeigte auf der Bühne am Beispiel mehrerer Handwerksbetriebe, wie die Kammer Firmen bei der Suche nach Förderprogrammen, bei der Unternehmensweitergabe oder beim Weg durch den Behördendschungel unterstützt. Die ausufernde Bürokratie, unter der auch das Handwerk leidet, wurde von Jörg Dittrich, Präsident vom Zentralverband des Deutschen Handwerks, in seiner Rede im Rathaus auf den Punkt gebracht: "Warum konnte Gott in sechs Tagen Himmel und Erde erschaffen? Damals gab es noch kein Vergabegesetz."

Wann auch immer die Kammer ihren ersten weiblichen Präses an der Spitze haben wird – für ihr Bild ist an der Treppe der Bremer Handwerkskammer bereits ein Platz reserviert. Denn dort hängen seit zwei Tagen Bilder der Ex-Präsiden. Am Freitagvormittag machten sich mehrere Betriebe während einer Ausbildungsbörse in der Kammer schon mal auf die Suche nach einer Präses für 2049.

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