Bremen plant einen Ort, an dem sich Start-ups aus der Nahrungsmittelbranche niederlassen sollen. So ist es Bremens Innovationsplan zu entnehmen. Nach den Sommerferien sollen die Planungen konkreter werden für einen solchen Food Hub. Im Wirtschaftsressort sieht man die Notwendigkeit auch wegen der Pandemie, unter der auch viele Start-ups aus der Branche sowie aus der Gastronomie, Hotellerie und der Event-Branche gelitten haben. Der Sprecher von Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke), Christoph Sonnenberg, sagte dem WESER-KURIER: „Mit dem Food Hub wollen wir genau hier ansetzen: Strukturen schaffen, die unterstützend und fördernd für die Branche sind.“
Dafür sind Räumlichkeiten geplant, in denen die Start-ups ihre Produkte in kleineren Chargen entwickeln können. Mit im Boot ist auch der Interessenverband der Nahrungs- und Genussmittelwirtschaft Bremens (Nageb). Der feiert in diesem Jahr sein zehnjähriges Jubiläum und will junge neu gegründete Firmen unterstützen, indem er Türöffner zu den etablierten Verbandsmitgliedern spielt. Dass die Senatorin die Nahrungsmittelbranche so im Fokus hat, begrüßt der Nageb-Vorsitzende Rainer Frerich-Sagurna: „Mit der neuen Regierung wurde Bremens Ernährungscluster verstärkt. Da gibt es viele kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich nachhaltig um das Thema Ernährungswirtschaft kümmern – und so eben auch um das geplante Gründerzentrum, das ein Food Hub beinhaltet.“ Wie der genau heißen soll, werde später noch entschieden.
Wirtschaftssenatorin Vogt hatte seit Beginn ihrer Regierungszeit deutlich gemacht, dass Bremen für sie eben nicht nur Luft- und Raumfahrt, Logistik sowie Automotive bedeute, sondern eben auch die Nahrungsmittelbranche. Sie erwirtschaftet in Bremen und Bremerhaven jedes Jahr einen Umsatz von mehr als 2,5 Milliarden Euro. Und in dieser Branche hat Frerich-Sagurna Erfahrung. Er war zuletzt der Bremer Kellogg’s-Chef und nebenbei seit Nageb-Gründung dort im Vorstand tätig. Nach der Kellogg's-Schließung machte er ehrenamtlich als Nageb-Vorstandsvorsitzender weiter. Das sind inzwischen vier Jahre. Er versucht, für die Branche etwas zu bewegen. Dabei tritt er entschieden dem Eindruck entgegen, dass es in Bremen hier abwärts gehe. Die Öffentlichkeit nehme die Schließungen von Kellogg’s, Könecke oder Coca-Cola wahr, jedoch nicht, was in Bremen Neues entstehe: „Wir stellen einen deutlichen Strukturwandel fest. Die Nahrungs- und Genussmittel-Branche erfindet sich traditionell ständig neu, und wir werden es in Zukunft auch mit kleineren Unternehmen zu tun haben mit zunächst weniger Mitarbeitern – neben Produzenten, bei denen gleich mehrere hundert Mitarbeiter angestellt sind.“ Das zeige sich bei einer Gesamtzahl von etwa 250 Unternehmen der Branche im Land Bremen und auch bei den 100 Mitgliedern im Verband: „Die Zahl der großen Betriebe sinkt, der Mittelstand wächst, die Zahl der kleinen Betriebe nimmt zu.“
Nageb-Finanzvorstand Henry Lamotte stellt dazu fest: „Das ist einerseits positiv, weil es zeigt, dass Bremen attraktiv ist für Unternehmensgründungen. Es ist aber auch bedenklich, weil wir für die großen Unternehmen anscheinend nicht mehr die Attraktivität haben.“ Es werde weiterhin große Hersteller geben, die für den Massenmarkt produzieren. Und manche kleinere Unternehmen haben ihre Nische entdeckt: In ihren Produkten sehen die Menschen einen solchen Mehrwert, dass sie bereit sind, dafür mehr Geld auszugeben. Gerade die Unternehmen mit einer Zahl zwischen 50 und 250 Beschäftigten wachsen. Dazu gehört auch das Bremer Traditionsunternehmen Henry Lamotte, das mit Lebensmitteln und Ölen für den Gewerbekundenbereich handelt. Der Nageb wolle aber nicht nur für Start-ups da sein, sondern für die gesamte Branche: „Wir glauben, dass man viel voneinander lernen kann. Das Netzwerk zählt.“
Nach Meinung von Frerich-Sagurna könnte Bremen ruhig mehr nach außen tragen, welchen Stellenwert die Branche hier im nationalen und internationalen Kontext hat. Um das deutlich zu machen, spricht der Vorsitzende von den zwei Lebensmittelhauptstädten Deutschlands: „Ich bin ja aus Westfalen zugereist und seit 1993 hier. Dieses Bremer Understatement ist schon sehr speziell. Ohne zu übertreiben, könnte Bremen hier viel mehr Positives außerhalb der Stadtgrenzen berichten.“ Henry Lamotte ergänzt: „Aus diesem Grund haben wir ja unter anderem vor zehn Jahren den Nageb gegründet, um Bremens Kompetenz auf diesem Feld nach innen und außen zu tragen.“
Laut Frerich-Sagurna darf es ruhig die Runde machen, dass Bremen für Start-ups eine gute Infrastruktur und ein gutes Ökosystem bietet und nicht so ein Haifischbecken sei wie Berlin, Hamburg oder Frankfurt: „Aus anderen Städten hört man, dass man sehr aufpassen muss, dass die eigene Erfindung, die man gemacht hat, auch die eigene Erfindung bleibt.“ Und bereits jetzt sei die Vielfalt so groß, dass alles da ist.
Bremen habe die Kompetenz bei der Infrastruktur und auch bei den Mitarbeitern, die man später einstellen möchte. Das gepaart mit der Bremer Starthaus-Initiative und der Bremer Aufbau-Bank bietet laut Nageb eine gute Atmosphäre für Neugründungen. Nicht zuletzt gibt Frerich-Sagurna wie auch andere ehemalige Führungskräfte gern eigene Erfahrung an junge Unternehmen weiter. Schon jetzt bringe er Betriebe zusammen: „Wenn ich von einem Unternehmen höre, dass es beispielsweise bestimmte Zutaten oder Dienstleistungen braucht oder wie jetzt in der Pandemie Engpässe hat, kann unser Netzwerk dazu beitragen, dass es in der Region fündig wird.“
Nun brauche es eben noch einen Ort, wo die Neugründer „Kochen, braten und kühlen“ können, wie es der Branchenexperte ausdrückt: „Sie können Rezepte ausprobieren, sie können Nullserien machen, und sie können dort Verkostungen machen.“ Ab September wird es spruchreif, wo dieser Ort sein wird.