Herr Spaeth, in Hamburg wurde am Donnerstag der letzte Airbus A380 an den Kunden Emirates übergeben. Eine Beisetzung in aller Stille, oder?
Andreas Spaeth: Es gab tatsächlich einen kleinen Streit zwischen Airbus und Emirates: Airbus wollte das am liebsten totschweigen, während Emirates die Übergabe der letzten Maschine gerne gefeiert hätte. Wegen der Corona-Bestimmungen findet da nun aber nichts statt.
Nur 251 Maschinen sind am Ende von der A380 verkauft worden. Muss man das Projekt damit als größten Flop der Luftfahrtgeschichte betrachten?
Wirtschaftlich gesehen ist die A380 ein Flop, und allein aufgrund der Größe des Flugzeugs kann man sicherlich auch vom größten Flop der zivilen Luftfahrtgeschichte sprechen. Aber: Airbus ist durch das Projekt zu einem besseren Unternehmen geworden. Die eng verzahnte Kooperation, die heute bei anderen Flugzeugen sehr erfolgreich praktiziert wird, ist eine positive Folge des gescheiterten Projekts A380. Es wurde eine Form der Zusammenarbeit innerhalb des Unternehmens ermöglicht, die es ohne die schmerzlichen Erfahrungen mit der A380 nicht geben würde.
Was ist schiefgelaufen? Woran ist die A380 gescheitert?
Wie immer bei solchen Projekten gibt es mehrere Faktoren – einige sind selbst verschuldet, andere waren einfach Pech. Eines der Hauptprobleme war, dass die A380 so, wie sie gebaut wurde, nie die optimale Version war. Die Tragflächen waren eigentlich für eine gestreckte, also noch längere Version ausgelegt. Dazu kommt: Vier Triebwerke sind unwirtschaftlich – alle modernen Flugzeuge fliegen heute auch auf Ultralangstrecken nur mit zwei Triebwerken.
Das heißt: Die A380 verbraucht schlicht zu viel Sprit?
Treibstoffverbrauch und Wartungskosten sind zu hoch, richtig. Die Triebwerke der A380 waren eigentlich von Anfang an veraltet. Airbus fühlte sich da von den Herstellern hintergangen, weil der "Dreamliner" von Boeing kurze Zeit später viel sparsamere Triebwerke erhielt. Dazu kam dann das schlechte Timing: Durch die massiven Probleme bei Airbus verzögerte sich das ganze Projekt immer wieder, sodass mittlerweile neuere, bessere Flugzeuge auf den Markt kamen. Und als das Flugzeug endlich marktreif war, brach 2008 die Finanzkrise aus.
Der denkbar schlechteste Zeitpunkt für den Verkauf eines neuen Großraumflugzeugs.
Exakt. Die Nachfrage brach massiv ein. Aber das Entscheidende ist: Durch die neuen Flugzeuge – Boeings "Dreamliner" und dann auch Airbus' eigene A350 – wurde die ganze Theorie, die hinter dem A380-Konzept gestanden hat, hinfällig. Man wollte damit möglichst viele Menschen auf einmal zwischen den großen Drehkreuzen hin und her fliegen – also zum Beispiel Frankfurt–Tokio – und die Leute vorher von Stuttgart, Düsseldorf, Hannover und Berlin nach Frankfurt bringen. Die neuen Maschinen ermöglichten dagegen wirtschaftlich erfolgreiche Non-stop-Verbindungen auch mit kleineren Flughäfen, zum Beispiel Düsseldorf–Tokio direkt statt über Frankfurt. Damit hatte die A380 ihren Marktanreiz von Anfang an verloren.
Airbus wollte aber unbedingt ein Gegenstück zu Boeings legendärem "Jumbo Jet". Hatte man sich damit den falschen Gegner ausgesucht?
Richtig, das war unbestritten ein Fehler. Boeing hatte sich mit der 747 zwar jahrzehntelang dumm und dämlich verdient. Aber Ende der 1990er-Jahre waren die Verkaufszahlen auf dem absteigenden Ast. Dieses Marktsegment war nicht mehr lukrativ. Boeing setzte auf Direktverbindungen, Airbus auf die Drehkreuze – und diesen Philosophiestreit hat Airbus eindeutig verloren.
Das Flugzeug ist also zu groß, 500 Sitzplätze lassen sich nicht auslasten?
Genau. Deshalb ist die gestreckte Version, für die das Flugzeug eigentlich ausgelegt war, nie gebaut worden. Jede A380 schleppt also bei jedem Flug eine zu große Struktur, zu große Tragflächen, mit sich herum.
Welche Rolle haben handwerkliche Fehler gespielt? Man liest zum Beispiel von Kabelsträngen, die zu kurz waren und nicht zusammenpassten.
Airbus hatte sich bei der Entwicklung der Maschine völlig übernommen. Was in den verschiedenen Ländern entwickelt und konstruiert wurde, mit unterschiedlichen Computersystemen, passte am Ende überhaupt nicht zusammen. So etwas hätte man natürlich vorher alles klären müssen, und das war auch für Airbus ein Schock. Das Projekt stand mehrfach vor dem Abbruch.
Wie viel Geld hat Airbus das Scheitern der A380 gekostet?
Man kann davon ausgehen, dass Airbus – natürlich auch mit staatlicher Förderung, also Steuergeldern – mindestens 30 Milliarden Euro in das Projekt gesteckt hat.
Und was bleibt abzüglich der Verkaufserlöse als rote Zahl übrig?
Das kann wahrscheinlich niemand so genau sagen. Ein Teil des Geldes ist ja auch nicht verloren, weil es sowieso investiert werden musste, um aus Airbus ein schlagkräftiges Unternehmen zu machen. Die Gewinnschwelle für das A380-Projekt hat Airbus zuletzt mit 500 Maschinen angegeben; bei 251 verkauften Exemplaren ist das Ziel also weit verfehlt worden.
Sie nennen die A380 im Untertitel Ihres Buches den "letzten Riesen". Wird es also nie wieder ein so großes Passagierflugzeug geben?
Davon ist auszugehen. Technologisch ist mit der Größe der A380 sowieso eine Grenze erreicht. Aber auch wirtschaftlich scheint klar zu sein, dass die Zeiten solch riesiger Flugzeuge vorbei sind.
Und wie lange werden wir die vorhandenen Maschinen noch am Himmel sehen?
Sechs Maschinen sind tatsächlich schon verschrottet worden, manche nach nur zehn Jahren im Einsatz. Das hat es noch nie gegeben in der modernen Luftfahrt, und es zeigt, wie obsolet das Flugzeug für viele Anbieter schon geworden ist. Der Hauptkunde Emirates, der allein die Hälfte der A380 bestellt hat, will die Maschine noch bis Mitte der 2030er-Jahre fliegen. Das heißt, die letzte, jetzt ausgelieferte Maschine wird auch gerade mal ein Jahrzehnt lang fliegen. Die Zukunft gehört ganz klar den mittelgroßen Flugzeugen.
Das Gespräch führte Christoph Barth.