Hamburg. Beflügelt von einem Rekordjahr 2011 will Airbus in den kommenden Monaten die Produktion aller Flugzeugmodelle steigern und 4000 neue Mitarbeiter einstellen. Louis Gallois, scheidender Chef des Mutterkonzerns EADS, forderte am Dienstag eine deutliche Profitsteigerung in allen Unternehmenssparten.
Der Lack, auf dem sich gestern die Morgensonne über Hamburg-Finkenwerder spiegelte, ist noch ganz frisch. Nagelneu sind die beiden Großraumjets A380, die in den nächsten Tagen an die Fluggesellschaften Emirates und Singapore Airlines ausgeliefert werden. Doch eigentlich steht das größte deutsche Airbus-Werk für ein ganz anderes Modell, das hier montiert und ausgestattet wird. Die A320 ist das kleinste, doch gerade in der spritsparenden neo-Variante mit großem Abstand das erfolgreichste Mitglied der Airbus-Flugzeugfamilie. Mit mehr als 1220 Festbestellungen hat dieses Modell fast allein für ein Jahr der Rekorde beim europäischen Flugzeughersteller Airbus gesorgt.
Mit 534 Auslieferungen gab es so viele wie nie zuvor in der Unternehmensgeschichte, ebenso sind gut 1400 Festbestellungen für etwa 170 Milliarden US-Dollar ein noch nie dagewesener Wert. Dazu kommen Steigerungen bei Umsatz und Gewinn - "es war ein sehr gutes Jahr", sagte gestern Louis Gallois, Chef des Airbus-Mutterkonzerns EADS bei einer gemeinsamen Neujahrskonferenz mit seinem designierten Nachfolger, Airbus-Chef Tom Enders. Endgültige Zahlen sollen traditionell erst im März verkündet werden.
Produktion wird hochgefahren
Wie angekündigt, will Airbus angesichts der guten Auftragslage bis Ende des Jahres die Produktion hochfahren. Auf monatlich 42 Exemplare aus der A320-Reihe, dazu zehn des Langstreckenfliegers A330, und vom Prestige-Flieger A380 will Enders nach eigenen Angaben "mindestens 30" Maschinen ausliefern nach 26 im vergangenen Jahr. Insgesamt sollen 570 Flugzeuge an Kunden übergeben werden - es wäre erneut ein Rekord. Allerdings wird mit einem deutlichen Auftragsrückgang auf 600 bis 650 Bestellungen gerechnet. Doch im Orderbuch stehen insgesamt mehr als 4400 Flugzeuge zu einem Listenwert von 464 Milliarden Euro. Das lastet alle europäischen Werke für rund acht Jahre aus und sorgt für weiteren Personalbedarf.
Rund 4000 Mitarbeiter will Airbus in diesem Jahr einstellen, mehr als 1000 davon in Deutschland. 9000 Stellen sind im gesamten EADS-Konzern zu besetzen. Zudem will das Unternehmen runde 100 Millionen Euro in die Ausbildung und Qualifizierung seiner Mitarbeiter investieren. "Wir brauchen die besten Köpfe im Land", erklärte EADS-Chef Gallois. Davon dürfte auch das mit rund 2800 Mitarbeitern Stammbelegschaft zweitgrößte deutsche Werk in Bremen profitieren, das für die Hochauftriebssysteme (Landeklappen) und die Flügelausstattung aller Airbus-Flugzeuge zuständig ist. Für den Standort an der Weser gibt es eine weitere gute Nachricht: "In diesem Jahr werden wir auch die A400M offensiv am Markt anbieten", sagte Enders. Rumpf und Landesystem des neuen Militärtransporters stammen ebenfalls aus Bremen.
Fünf Testmaschinen sind bereits gebaut und haben bislang 900 Testflüge erfolgreich absolviert. "Wir stehen kurz vor der Zulassung", so Enders. Die erste Serienmaschine soll in etwa einem Jahr an die französische Luftwaffe übergeben werden. Ende 2014 bekommt dann auch die Bundeswehr ihr erstes Exemplar.
Wie auch bei der A380 war die Entwicklung des neuen Flugzeuges, das die betagten "Transall"-Transportmaschinen ersetzen soll, immer wieder durch technische Schwierigkeiten zurückgeworfen worden. Zudem waren die Kosten explodiert. Die europäischen Abnehmerländer hatten deswegen mit Airbus nachverhandelt und die Stückzahl deutlich reduziert. Enders aber bleibt von diesem Flugzeug überzeugt. "Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, Kunden außerhalb Europas zu suchen." Mit Malaysia sei ein Abnehmer bereits gefunden, weitere sollen hinzukommen. Auf rund 400 Exemplare schätzt Enders das weltweite Verkaufspotenzial. Gelingt das Vorhaben, hätte Bremen eine jahrelange Serienproduktion dazugewonnen.
Mit dem Erfolg der A320neo hat Airbus den Vorsprung gegenüber dem Erzrivalen Boeing mit einem Marktanteil von 64 Prozent deutlich ausgebaut. Der US-Flugzeugbauer hatte nach den Produktionsproblemen seines Hoffnungsträgers 787 "Dreamliner" insgesamt nur 477 Maschinen ausgeliefert und blieb auch mit 805 Neuaufträgen deutlich hinter den Europäern zurück. Ob sich so ein Erfolg wiederholen lässt, gilt als offen. "Aber wir wollen weiter stabil, gesund und mit steigendem Profit wachsen", sagte EADS-Chef Gallois gestern.
Machtgefüge gefährdet
Denn nach dem dritten Quartal 2011 sind die Gewinnmargen bei Airbus (zuletzt knapp drei Prozent bei einem Umsatz von 32,7 Milliarden Euro) deutlich niedriger als bei Boeing (36,2 Milliarden / 8,6 Prozent). Neben diversen Sparprogrammen, die das EADS-Management in den vergangenen Jahren seinen vier Divisionen (Airbus, Astrium, Eurocopter, Cassidian) verordnet hatte, sollen steigende Stückzahlen und höhere Verkaufspreise bei Airbus die Bilanz verbessern. Zudem würden absehbar auch die einstigen Sorgenkinder A380 und A400M zum Unternehmensgewinn beitragen, sagte Gallois. Er erneuerte das Ziel, bis Ende des Jahrzehnts eine Rendite von zehn Prozent zu erreichen.
Doch nicht nur die guten Zahlen bringen das europäische Vorzeigeunternehmen in die Schlagzeilen. Denn hinter den Kulissen versucht Frankreich offenbar, das mühsam ausgehandelte Machtgefüge mit Deutschland zu seinen Gunsten zu verändern. Wohl deshalb wurde noch immer kein Nachfolger für Louis Gallois ernannt, dessen Kontrakt als Vorstandsvorsitzender im Juni 2012 endet. Geplant ist, dass Airbus-Chef Enders nachrückt. Nun aber reklamieren die Franzosen offenbar weitere Schlüsselpositionen für ihr Land, was Enders dem Vernehmen nach kategorisch ablehnt. Gestern betonten beide Top-Manager, dass derartige Entscheidungen eben Zeit bräuchten.