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Als Bremer im Kölner Karneval Wie ein gebürtiger Bremer zum Kölner Jecken wurde

Unser Autor Florian Schwiegershausen, gebürtiger Bremer, erklärt an Weiberfastnacht seine Liebe zum Karneval und zu Kostümen.
27.02.2025, 05:00 Uhr
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Wie ein gebürtiger Bremer zum Kölner Jecken wurde
Von Florian Schwiegershausen

Aus den Boxen wummert der Höhner-Hit „Viva Colonia“. Die Kneipe ist in diesem Moment so voll, dass ein Umkippen fast unmöglich wäre. Ein Pirat singt mit einem Kölsch in der Hand zusammen mit einem Minion, einem Bauarbeiter, einem Polizisten und einer Katze. Sie kennen sich nicht, aber zusammen singen sie aus voller Inbrunst „Da simmer dabei, dat es pri-hi-ma, Viva Colonia“.

Der Pirat, das bin ich. Im vergangenen Jahr hätten der Kölner Karneval und ich, ein gebürtiger Bremer, Silberhochzeit feiern können. Auch dieses Jahr werde ich positiv bekloppt sein. Das heißt, ich stelle mich am Donnerstag, also an Weiberfastnacht, gegen 8.30 Uhr morgens in der Kölner Südstadt an der Eckkneipe „Zum Schnörres“ mit in die Schlange. Es ist der Auftakt für eine sechstägige Sause. Denn um 10 Uhr macht die Kneipe auf. Aber wie wird ein Bremer zu einem Kölner Karnevalsjecken?

1998 kam ich zum Express, der kölschesten aller Tageszeitungen. Als ich ein Jahr später mit meinem Redaktionsvolontariat begann, kam meinen beiden Lokalchefs die Idee: „Der Muschelschubser wird unser neuer Karnevalsreporter.“ Sie sahen es als Vorteil, dass ich als Bremer keine Ahnung vom Kölner Karneval hatte. Es war der Start einer Liebe, die bis heute hält und Jahr für Jahr inniger wird.

Kostüm ist Pflicht

Was man für Karneval in einer Kölner Kneipe braucht? Ein Kostüm, Bargeld für Kölsch und einen großen Müllsack. Da wandert die Winterjacke rein, denn an Karneval ist es in der Regel kalt in Köln und die Garderobe nicht zu gebrauchen. Es sollte nicht die allerbeste Winterjacke sein, wer weiß, ob ich sie später tatsächlich wiederfinde. Wichtig ist das Kostüm. Dieses Jahr werde ich mein altes Piratenkostüm recyceln und mir das Schild „Rettet den Golf von Mexiko“ umhängen. Ich war aber auch schon mal als Ex-Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht verkleidet oder auf der Höhe der Fridays-for-future-Bewegung als Greta Thunberg.

Karneval kostet Geld. Für den Auftakttag rechne ich mit etwa 80 Euro. Ein Kölsch, gerade mal 0,2 Liter groß, wird dieses Jahr mindestens 2,50 Euro kosten. Wer jeden Abend unterwegs ist, hat am Ende durchaus 500 Euro und mehr ausgegeben. In Köln verlangt inzwischen eigentlich jede Kneipe Eintritt. Das Haus Unkelbach verkauft Karten für 111 Euro – inklusive einer Getränke-Flatrate.

Zum Auftakt am Donnerstag wird meist getrennt gefeiert: Die Ehefrau zieht also mit ihren Freundinnen los, der Ehemann mit seinen Kumpels. Was dann an dem Tag oder über beim Karneval passiert, darüber wird geschwiegen. In der Enge der Karnevalskneipen haben sich schon viele Menschen kennen- und liebengelernt. Am Freitag machen viele Kölner einen Tag Pause. Und wer in die Kneipe möchte, sollte spätestens 18 Uhr unterwegs sein - die Schlangen werden Jahr für Jahr länger. Am Karnevalssonnabend werden die Lokale von Gästen aus ganz Deutschland geflutet. Deshalb suche ich mir mit Freunden eine Party von einer Karnevalsgesellschaft und kaufe im Vorfeld die Karten. Die Alternative wäre: Ab 14 Uhr an der Kneipe anstehen, damit man ab 16 Uhr reinkommt.

Am Sonnabend starten in mehreren Kölner Stadtteilen auch die Veedelsumzüge, am Sonntag sind es dann die Schull- und Veedelszöch. Das sind zum einen die kleinen Veedelsvereine, zum anderen Gruppen der Kölner Schulen. Wichtig ist das Gruppenkostüm zu einem bestimmten Motto, die beste Idee wird prämiert. Der Preis für die Vereine: Die beste Gruppe darf einen Tag später im Rosenmontagszug mitlaufen.

Rosenmontagszug als Höhepunkt

Denn der ist ja für die meisten Jecken der Höhepunkt des Karnevals - Rosenmontagszug mit ganz viel Schokolade, Gummibärchen, Haribo und Blumen. Da rufen die Kölner dann „Kamelle“ oder „Strüssjer“. Wer aus einer Fußgruppe eine Blume geschenkt bekommt, dem gibt man ein „Bützjer“, das ist ein mit spitzen Lippen auf die Wange angedeuteter Kuss. Zu den Wagen hoch sollte man immer die Namen Hans, Franz oder Jupp rufen. Ein Karnevalist fühlt sich immer angesprochen und wirft darauf hin Kamelle. Nach dem Zoch geht es für ein paar Stunden wieder in die Kneipe zum Feiern.

Am sogenannten Veilchensdienstag haben einige Kneipen schon geschlossen. Man erzählt sich immer, dass die Kneipen nach dem Karneval grundrenoviert werden müssten. Andere Kneipen haben noch geöffnet, um gegen Mitternacht den Nubbel zu verbrennen. Dabei handelt es sich um eine Strohpuppe, die über dem Eingang der Kneipe hängt. Gegen Mitternacht wird die Puppe dafür verantwortlich gemacht, dass man tagelang herumgefeiert, gebützt und getrunken hat. Dafür muss der Nubbel büßen und wird vor der Kneipe verbrannt.

Die Lieder verbinden

Sechs Tage Karneval sind dann vorbei. Für mich jedes Jahr eine emotionale Woche. Als Katholik geht man am Aschermittwoch noch in die Kirche, um sich das Aschekreuz abzuholen. Sehr beliebt ist auch das Fischessen, quasi der Beginn der Fastenzeit bis Ostern. Wenn der Straßenkarneval vorbei ist, weiß man, dass Frühling wird.

Was mich am Karneval so fasziniert? Es sind die Lieder, die einander verbinden. Sobald mehrere Menschen gemeinsam singen, wird der Schalter auf ausgelassene Fröhlichkeit umgestellt. Das geht wirklich. Und hilft in jeder Lebenslage - garantiert.

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