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Unterwegs im Land der IT-Fachkräfte Als Bremer in Indien Software schmieden

Tapetenwechsel für drei Wochen: Was zwei Studenten und ein Azubi vom Bremer IT-Unternehmen Allgeier in Indiens Hauptstadt Neu-Delhi erlebt haben - und was ihnen als „typisch indisch“ in Erinnerung bleibt.
23.04.2019, 21:30 Uhr
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Von Ilias Subjanto

Einen Erasmus-Austausch für Studierende in ein anderes EU-Land gibt es ja schon länger. Ein Indienaustausch ist da schon etwas anders – vor allem, wenn es der Arbeitgeber auch noch zahlt. Über diese Chance haben sich die Studierenden Johanna Aron und Marcel Hofgesang sowie der Azubi Simon Peno gefreut. Ihr Arbeitgeber, das IT-Unternehmen Allgeier, das einst in den Siebziger Jahren in Bremen gegründet wurde, hat sie auf eine Indien-Tour zum Schwesterunternehmen Nagarro geschickt.

Gleich zu Beginn der Indienreise erlebt Johanna Aron ein Ereignis, das ihr im Kopf hängen bleibt: Als die 33-Jährige in Indiens Hauptstadt Neu-Delhi am Flughafen „Indira Gandhi“ in die Ankunftshalle kommt, steht ihr ein Meer von Abholschildern gegenüber. Dutzende von Fahrern recken ein kleines Transparent in die Höhe mit dem Namen des Reisenden, den sie abholen sollen. „Das war schon außergewöhnlich“, erinnert sie sich rückblickend. Zum Glück haben sie und ihre beiden Mitstreiter auch denjenigen gefunden, der auf sie gewartet hatte.

Der bringt sie sicher ins Hotel, in dem sie für drei Wochen wohnen werden. Gleich am nächsten Morgen geht es zu Allgeiers Schwesterunternehmen Nagarro. Das hat seinen Sitz in der Stadt Gurgaon. Die befindet sich in der Peripherie von Neu-Delhi und hat 800 000 Einwohner. Vom Hotel sind es eigentlich nur vier Kilometer bis zu der Softwareschmiede. Aber dafür brauchen die drei Bremer manchmal bis zu zwei Stunden. Simon Peno, der bei Allgeier eine Ausbildung zum Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung macht, erinnert sich: „Das lässt Staus und Verkehrsprobleme in Bremen in einem anderen Licht erscheinen. Dazu kommt die gewöhnungsbedürftige Fahrweise unter ständigem Einsatz der Hupe.“

Mit dem Fachwissen sofort akzeptiert

Ganz unbedarft ist das Trio aus Bremen nicht nach Indien gekommen. Es soll den indischen Kollegen nicht nur über die Schulter schauen, sondern jeder von ihnen hat zuvor eine Aufgabe zugewiesen bekommen. In den drei Wochen geht es bei Johanna Aron um ein Projekt mit künstlicher Intelligenz. Die soll helfen, Bürodokumente richtig zu erfassen und zu verwalten. Arons Studium der Bionik an der Hochschule Bremen beinhaltet ja auch ingenieurswissenschaftliche Teile. Am Bremer Allgeier-Standort im Technologiepark an der Uni arbeitet sie sonst als Werkstudentin.

Nagarro entwickelt in Gurgaon Softwareanwendungen für Unternehmen. Und so hilft Fachinformatik-Azubi Simon Peno mit, Zusatzprogramme für Word, Excel und Powerpoint zu entwickeln. Den größten Erklärungsbedarf habe es bei den indischen Kollegen bezüglich seiner Lehre gegeben: "Im indischen Bildungssystem gibt es ja nichts Vergleichbares zur dualen Berufsausbildung in Deutschland." Doch einige Worte reichten, und der 20-Jährige war sofort akzeptiert mit seinem Fachwissen. Was ihm noch auffällt: "Die Arbeitsweise ist sehr konzentriert. Für mich ist es nicht vorstellbar, dass in Deutschland 200 Menschen in einem Großraumbüro so ruhig zusammenarbeiten.“

Auch Marcel Hofgesang ist in seinem Element. Zusammen mit den indischen Kollegen tüftelt der Informatikstudent an einem Konzept für Programme auf dem Smartphone-Betriebssystem Android. Ihm fällt die ausgeprägtere Hierarchie der indischen Arbeitswelt auf: „In Deutschland ist es vollkommen normal, als Projektmitarbeiter auch mal einen Beamer anzuschließen. In Indien gibt es für solche Tätigkeiten eigene Mitarbeiter. Die stehen in der Hierarchie auch weiter unten."

Das Miteinander der Standorte fördern

Als Vorbereitung auf das Projekt hat der 22-Jährige einige Tage auf Englisch mit den indischen Kollegen diskutiert. Dabei konnte er sich nicht nur an den speziellen Akzent gewöhnen, sondern auch an manche kulturelle Eigenheiten: „Die Leute wackeln mit dem Kopf, wenn sie mit etwas einverstanden sind. Das habe ich am Anfang gar nicht richtig verstanden.“ Auf Besonderheiten dieser Art wurde das Trio bereits in Bremen mit einem kulturellen Training vorbereitet. Ebenso gab es für die Mitarbeiter von Nagarro einen Kurs, was denn „typisch Deutsch“ sei.

So soll der Austausch das Miteinander der IT-Standorte fördern. Allgeier-Entwicklungsleiter Jean-Pierre Schober sagt, dass das Softwareunternehmen ohne die Kooperation mit Nagarro viel weniger Aufträge akquirieren könnte – auch aufgrund des aktuellen IT-Fachkräftemangels in Deutschland. In Indien ist das ganz anders. Laut einer aktuellen Studie des globalen IT-Dienstleisters IDC arbeiten von den mehr als 22 Millionen Softwareentwicklern weltweit knapp ein Drittel allein in den Ländern Indien und China. Mit diesem Projekt namens „Talent Exchange“ ist Schober so sehr zufrieden, dass im Herbst Studenten aus Indien nach Bremen kommen, und es 2020 so weitergehen soll.

Welchen Eindruck Johanna Aron nach Bremen mitgenommen hat, ist der krasse Gegensatz zwischen Arm und Reich: „Der ist mir in den Straßen Indiens sichtbar geworden.“ Gleichwohl sei sie auch von der Entwicklung der Stadt Gurgaon beeindruckt: „Vor wenigen Jahrzehnten war die Gegend noch dörflich geprägt, nun ist es eine aufstrebende Stadt mit mehr als 800 000 Einwohnern.“

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