Die Carsharing-Branche in Deutschland sieht sich im Aufwind. Immer mehr Menschen registrieren sich für die Dienste, 350 000 Nutzerkonten sind im Laufe des Jahres 2018 dazugekommen. Diese Zahlen präsentierte am Mittwoch der Bundesverband Carsharing.
„Nach einer Stagnation ist der Markt wieder deutlich gewachsen“, sagte Verbandsgeschäftsführer Gunnar Nehrke. Die meisten Nutzer seien für sogenannte Free-Floating-Dienste registriert. Dabei sind Kunden mit Ausleihe und Rückgabe nicht an bestimmte Stationen gebunden. 1,81 Millionen der insgesamt 2,46 Millionen Nutzerkonten entfallen auf die stationslosen Dienste. Dagegen stehen stationsgebundene Angebote wie das des Bremer Unternehmens Cambio, das kürzlich seine 100. Station in der Hansestadt eröffnet hatte. Bis zum kommenden Jahr will es 20 000 Nutzer erreichen.
Gemessen an der Flottengröße belegen Platz 1 und 2 unter den Free-Floating-Anbietern bereits jetzt die Autohersteller Daimler und BMW, die aktuell ihre Carsharing-Angebote Drivenow und Car2Go fusionieren. Der Zusammenschluss zwischen den Branchengrößten macht Nehrke keine Sorgen.
„Natürlich wird dadurch Deutschlands größtes Carsharing-Unternehmen entstehen“, insgesamt ergebe sich auf dem Markt aber keine neue Wettbewerbssituation, weil die Anbieter nur an bestimmten Orten ihre Dienste anböten, an anderer Stelle dominierten andere Unternehmen den Markt, so Nehrke. 235 000 zusätzliche Anmeldungen haben die Free-Floating-Anbieter im Jahr 2018 insgesamt verzeichnet, rund 115 000 mehr Nutzer waren es bei den stationsgebundenen Diensten. Auch Mischformen kommen laut Nehrke gut an.
Langfristig sollen Menschen auf eigene Fahrzeuge verzichten
Mehr Nutzer bedeuten auch mehr Fahrzeuge: 20 200 Autos waren im Januar in Deutschland als teilbares Gut unterwegs. Nehrke wünscht sich, dass sich der Trend fortsetzt und die Carsharing-Dienste langfristig dafür sorgen, dass Menschen komplett auf die Anschaffung eines eigenen Fahrzeugs verzichten.
Zurückhaltend reagierte Ferdinand Dudenhöffer auf die Zahlen: „Da ist noch extrem viel Luft nach oben“, sagte der Verkehrswissenschaftler der Universität Duisburg-Essen. „Carsharing ist gut und richtig. Aber die Zahlen zeigen, dass es noch ein sehr weiter Weg nach oben ist und die Bedeutung heute noch sehr überschaubar ist“, so Dudenhöffer.
Christian Hochfeld vom Thinktank Agora Verkehrswende betonte die Bedeutung von Carsharing-Angeboten zur Erreichung der im Klimaschutzplan vereinbarten Ziele für 2050. Die Bundesregierung gibt darin Minderungsziele für Treibhausgasemissionen von mindestens 55 Prozent bis 2030 und mindestens 70 Prozent bis 2040 vor. „Von den Zielen sind wir noch weit entfernt“, meinte Hochfeld. Er forderte eine „konsequente Klima- und Verkehrspolitik“ und einen „Wandel der Mobilitätskultur“, die in der Autonation Deutschland aktuell noch zu stark mit dem eigenen Pkw verwoben sei.