Im Land Bremen hat es im vergangenen Jahr wieder mehr Energiesperren gegeben, weil Kunden ihre Rechnungen dafür nicht beglichen hatten. Insgesamt waren es rund 4700 Fälle – davon mehr als 1000 in Bremerhaven. Die Zahlen stellte der Bremer Energieversorger SWB gemeinsam mit der Verbraucherzentrale Bremen vor.
Warum kam es zum Anstieg?
Sondereffekte im ersten Jahr der Pandemie, indem die Sperren spürbar sanken, spielten eine Rolle. Angesichts der Krise konnten Verbraucherinnen und Verbraucher zum Beispiel zeitweise Forderungen stunden – auch die für Energiekosten. "Das war zu erwarten", sagte der Bereichsleiter der SWB Vertrieb, Frank Steinhardt, darum zur Entwicklung. Fast 4100 Haushalte waren im vergangenen Jahr von einer Energiesperre betroffen. In einigen Fällen gab es für Verbraucher nämlich mehrmals keinen Strom mehr.
Wie viele Stromsperren gibt es derzeit?
Im Moment gibt es in Bremen nach Angaben der SWB 1000 aktive Energiesperren. In der Regel geht es um die Unterbrechung der Versorgung mit Strom. Das bedeutet oft auch, dass die Gasheizung nicht mehr funktioniert, weil deren Pumpe Energie braucht. Zu Wassersperren kommt es laut Unternehmenssprecherin Angela Dittmer nur in Ausnahmefällen, da es sich bei Wasser um ein Grundnahrungsmittel handele.
Welche Hilfe gibt es für Betroffene?
Die Vorständin der Bremer Verbraucherzentrale, Annabel Oelmann, appelliert, Betroffene sollten sich unbedingt Hilfe suchen, wenn es finanziell eng werde. Das klinge, wenn man nicht betroffen sei, so leicht. "Es ist nicht leicht. Das ist kein leichter Weg für die Menschen", sagte Oelmann. Die Verbraucherzentrale bietet ihnen zur Unterstützung eine kostenlose Energiebudgetberatung an. Die Nachfrage danach stieg in Bremen und Bremerhaven während der Pandemie deutlich.
Ganz oft sei die Androhung der Stromsperre nur die Spitze des Eisberges, sagte die Chefin der Verbraucherzentrale. Bei den Betroffenen seien meist noch weitere Forderungen offen. Wichtig sei die Eigeninitiative am Anfang. "Die Menschen müssen am Ende diesen einen Schritt auf uns zu machen", so Oelmann mit Verweis auf die Organisationen im Bremer Hilfsnetzwerk Zappenduster.
Gibt es Wartezeiten?
Bei der Energiebudgetberatung gehe es immer um Zeit, sagte Oelmann: "Da ermöglichen wir alles, dass jeder sofort beraten werden kann." Die Hilfe gibt es auch in den Quartieren. Ein ganz anderes Angebot der Verbraucherschützer ist derweil ihre Energieberatung – etwa zu Solaranlagen oder Heizungen. Wegen der hohen Nachfrage braucht es hier viel Geduld, weil es nicht genug Berater gibt. "Wir kriegen nicht mehr Leute", sagte Oelmann zu den langen Wartezeiten auf einen Termin.
Welche Auswirkungen hat die Pandemie?
"Wir merken insgesamt, dass unter Corona die Kassen der Menschen deutlich knapper geworden sind", hielt die Vorständin der Verbraucherzentrale fest. Ein Teil der Gesellschaft habe im Zuge der Pandemie Einkommensverluste zu verzeichnen – bis heute. Für Menschen in besonderen Notlagen gibt es in Bremen einen Härtefallfonds. Im vergangenen Jahr wurde auf den Topf jedoch nur in vier Fällen zugegriffen. Nur unter bestimmten Bedingungen haben Betroffene darauf Anspruch. Zuvor müssen andere Wege gegangen werden, um Zahlungsprobleme zu lösen. Grundsätzlich sind bei der SWB laut Vertriebler Steinhardt während der Pandemie die Forderungsausfälle nicht deutlich angestiegen.
Wie sah die Entwicklung in Bremen bisher aus?
Zuvor ging die Zahl der Sperren stetig zurück. Daran arbeitet das Projekt Zappenduster der Initiative „Energie- und Wassersperren im Land Bremen verhindern“. Ihr gehören unter anderem die Verbraucherzentrale und die SWB an. 2021 rangierte die Zahl der Sperren deutlich über dem Niveau von 2019. Das sei aber immer noch ein erheblich niedrigerer Wert als in den Jahren 2014 und 2015, als die Initiative ihre Arbeit aufnahm, sagte Steinhardt. Damals gab es jeweils mehr als 7000 Fälle.
Wie schnell droht eine Stromsperre?
Vom ersten Zahlungsverzug bis zur Stromsperre dauert es Steinhardt zufolge aktuell mindestens ein Vierteljahr. Zum Ablauf gebe es genaue Vorgaben des Gesetzgebers: "Der Prozess zieht sich hin." Der Bereichsleiter der SWB hält die Dauer durchaus für problematisch, weil sich in der Zeit weitere Forderungen aufbauten. Schnelle Hilfe bei Ausfällen sei aber wichtig. Neu sei heute, dass ein Ratenplan zur Zahlung der fälligen Beträge vereinbart werden könne. "Das wird von den Kunden in Anspruch genommen."
Wie schnell endet die Sperre im Schnitt wieder?
In den ersten vier Wochen nach einer Sperre werden zwei Drittel der Forderungen beglichen, so Steinhardt. Es gebe daneben auch langfristige Sperren für Haushalte, bei denen sich später herausstelle: "Da hat faktisch niemand mehr gewohnt." Oft kann eine Energiesperre abgewendet werden. So kommt es bei der SWB in vier von fünf Fällen nach einer Ankündigung nicht zur Umsetzung der Drohung. "Das zeigt, dass die Hilfsangebote wirken", findet Steinhardt. Insgesamt gab es 2021 rund 21.000 Sperrankündigungen.