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Apotheken in Bremen und umzu Wegen Protests geschlossen

Dieser Protest ist nur der Anfang, denn im November sollen jeden Mittwoch mehrere Apotheken aus Protest geschlossen bleiben. Wieso auch Bremens Apotheker sauer auf den Bundesgesundheitsminister sind.
28.09.2023, 05:00 Uhr
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Wegen Protests geschlossen
Von Florian Schwiegershausen

Mal eben schnell in der Mittagspause ein Medikament holen – nicht nur bei der Raths-Apotheke am Bremer Marktplatz standen die Kunden am Mittwoch zwischen 13 und 16 Uhr vor verschlossenen Türen. Dort grüßte ein Bild von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit dem Satz "Wir bleiben geschlossen, weil Lauterbach uns Antworten schuldet!" Die Antworten gab der Minister am Mittwochmittag per Video auf dem Deutschen Apothekertag in Düsseldorf und konnte die Betroffenen nicht auf seine Seite ziehen. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (Abda) will einen ganzen Protestmonat organisieren. Ab dem 8. November sollen jeden Mittwoch regionale Apotheken geschlossen bleiben.

Während Lauterbach gegen das Apothekensterben auf dem platten Land angehen will, fürchten die Apotheken um ihre Existenz. Klaus Scholz, Präsident der Bremer Apothekerkammer, meldete sich nach Lauterbachs Rede telefonisch aus Düsseldorf und sagte: "Das ist mein achter Apothekertag, aber so eine aufgeheizte Stimmung habe ich noch nie erlebt." Verärgert waren die Teilnehmer des Apothekertags auch, weil Lauterbach seine Pläne bereits vorher in der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" ausgebreitet hatte, statt sie zuerst den Betroffenen zu erläutern. Laut Scholz, dessen Familie die SK-Apotheken am Einkaufspark Duckwitzstraße, in der Pappelstraße und in Stuhr-Varrel gehören, kam das nicht gut an.

Worum geht es Karl Lauterbach?

Im Kampf gegen Apothekenmangel in vielen Regionen will er Vorgaben für neue Filialen lockern. „Ich glaube, dass diese Reform das Schrumpfen der Apotheken stoppen kann“, sagte der SPD-Politiker. Apotheker sollten den Bedarf künftig flexibler erfüllen. So sollen Filialen nicht gezwungen sein, Notdienste voll anzubieten, ein Labor vorzuhalten oder Rezepturen anzufertigen. Als Lauterbach dies am Mittwoch erläuterte, wurde er ausgebuht.

Er rechtfertigte seine Pläne, wonach in Filialen künftig auch kein Apotheker mehr vor Ort sein muss. Als Vertretung könnten demnach pharmazeutisch-technische Assistenten Kunden bedienen, wenn eine digitale Verbindung zu einem Apotheker in der Hauptapotheke vorhanden ist. Wenn es Rückfragen gebe oder eine Apothekerberatung notwendig sei, könnte sie „telepharmazeutisch“ vorgenommen werden.

Wie sehen Apotheker die Telepharmazie?

Telepharmazie wird in Deutschland laut Klaus Scholz noch nicht betrieben. Dazu sagt er: "Die gesetzlichen Voraussetzungen dafür sind da, aber momentan sehen wir es sehr kritisch, mit Menschen nur über Bildschirme zu reden. Wenn sich jemand über seinen Gesundheitszustand offenbart, ist das im persönlichen Gespräch viel besser als über Bildschirm – zumal einige Menschen ihre Gefühle über Bildschirm gar nicht darlegen würden. Es wäre mehr ein technisches Gespräch."

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Welche Zugeständnisse plant Lauterbach?

Bisher darf ein Apotheker insgesamt drei Apotheken haben. Dazu sagte Lauterbach: "Es soll bei der Apotheke bleiben, die der Apotheker oder die Apothekerin besitzt und auch führt." Aber in Regionen, womöglich eher ländlich, in denen eine einzelne Apotheke wirtschaftlich schwierig zu führen wäre, solle man ein bis zwei zusätzliche Filialen zulassen. Das System solle liberaler und wirtschaftlicher werden. So könnten auch Notdienste mit Filialen abgestimmt werden, und man habe eine bessere Rund-um-die-Uhr-Betreuung, ohne dass es teurer werde. Der Minister ergänzte: „Das sind auch Maßnahmen, mit denen wir verhindern wollen, dass die Apotheke der Zukunft die Versandhandelapotheke ist.“

Wie steht es um die Verdienste der Mitarbeiter?

Wegen der Verdienste der Apotheker und ihren Beschäftigten hatten die Apotheken bereits einige Male protestiert. Doch diesem Thema wich Lauterbach aus, wie Scholz berichtete: "Die Mitarbeiter in den Apotheken brauchen durch die Inflation mehr Geld und haben es zum Teil schon erhalten." Doch die Honorare, die man den Apotheken zugesteht, haben sich bisher nicht erhöht, gibt Scholz zu bedenken. Dazu soll es Mitte Oktober ein weiteres Gespräch geben.

Wie sieht der Verband die Pläne?

Abda-Präsidentin Gabriele Overwiening, kritisierte, Lauterbach sei als erster Minister offenbar bereit, „das Apothekensystem, das unsere Bevölkerung seit Jahrzehnten sicher versorgt, gänzlich zu zerstören“. Erfahrungen anderer Länder zeigten, dass die angepeilten neuartigen Filialapotheken fast nur in stark frequentierten Lagen und in Stadtnähe gegründet würden. „Auf dem Land wird das Apothekensterben zunächst unbegrenzt weitergehen.“

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Erstmals weniger als 18.000 Apotheken

Die Zahl der Apotheken in Deutschland sinkt seit Jahren und fiel im Frühjahr unter die Marke von 18.000. Ende Juni gab es bundesweit noch 17.830 Apotheken. Damit ging die Zahl im Vergleich zum Jahresende 2022 um 238 zurück. Erfasst werden jeweils Hauptapotheken und Filialen, von denen Apotheker bis zu drei betreiben können. Die Branche forderte - angesichts der vielfach anspannten Finanzlage - beim Apothekertag erneut lange ausgebliebene Honorar-Anhebungen.

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