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Arbeitnehmerkammer berichtet Chef wollte Corona-Test selbst durchführen

Corona-Bilanz der Arbeitnehmerkammer: Welche Hilfe sich Angestellte holen. Die Zahl der Beratungen bleibt hoch. Einen Anstieg gibt es auch bei den Gesprächen wegen psychischer Belastungen.
07.01.2022, 17:57 Uhr
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Chef wollte Corona-Test selbst durchführen
Von Lisa Schröder

Immer mehr Menschen suchen bei der Arbeitnehmerkammer Bremen Hilfe wegen psychischer Belastungen. Die Gespräche dazu stiegen im vergangenen Jahr erneut – und zwar auf 1100 Beratungen. Besonders viele Beschäftigte aus dem Bereich Pflege und Logistik suchten die Unterstützung auf, weil der Arbeitsdruck zum Problem für die Menschen wurde. Die Gespräche seien intensiv, berichtete die Leiterin der Rechtsberatung, Kaarina Hauer. "Man merkt einfach, Corona belastet gewissermaßen jeden von uns." Hilfe suchten sich hier auch Menschen mit einem Burn-out oder Mobbingopfer.

Am Freitag zog die Arbeitnehmerkammer Bilanz für das vergangene Jahr. Insgesamt blieb die Nachfrage hier auch im zweiten Jahr der Pandemie hoch: Erneut gab es mehr als 100.000 Beratungen. Besonders zu Beginn von Corona sei sowohl bei Arbeitgebern als auch den Arbeitnehmern eine "vollkommene Hilflosigkeit" in Bezug auf den Arbeitsschutz zu spüren gewesen, erinnerte sich Hauer. Das habe sich verändert, die meisten wüssten nun über die Rechtslage Bescheid. Wenn es allerdings neue Verordnungen gebe, "brennen bei uns die Leitungen heiß". Masken, Homeoffice, Tests, Quarantäne, Impfungen – all das waren hier Themen.

In einem Fall berichteten Mitarbeiter eines Unternehmens, dass die Chefs Corona nicht richtig ernstgenommen hätten und trotz einer Infektion im Betrieb unterwegs gewesen seien. Wenn es ein solches Problem gebe, könnten sich Arbeitnehmer zum Beispiel an die Gewerbeaufsicht wenden. In einem anderen Fall wollte der Arbeitgeber Tests zwar anbieten, dabei den Rachen- und Nasenabstrich aber persönlich vornehmen. "Die Beschäftigten fanden das nicht so lustig und haben sich mit dieser Fragestellung an uns gewandt", sagte Hauer.

In den Betrieben gebe es weiterhin eine spürbare Verunsicherung wegen Corona, sagte der Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer Ingo Schierenbeck mit Blick auf die Beratungen. "Eine Routine im Umgang mit der Infektionskrankheit kommt jedenfalls, so wie wir das wahrnehmen, noch nicht so richtig auf." Der hohe Beratungsbedarf ebbe nicht ab. "Kurz gesagt: In der Krise haben wir Hochkonjunktur", so Schierenbeck.

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Auffällig sei gewesen, dass deutlich mehr Menschen einen Berufswechsel erwägten. Die Beratungen dazu stiegen zumindest deutlich gegenüber dem Vorjahr auf mehr als 3200. "Das ist für eine Krise vollkommen unüblich", so der Kammerchef. Eigentlich hielten die Menschen in einer solchen Zeit an ihrem Arbeitsplatz fest. Auf den zweiten Blick verwundert der Wechselwunsch weniger. Denn es habe ihn vor allem bei Beschäftigten aus Branchen gegeben, die besonders von der Pandemie betroffen seien: Pflege, Logistik, Gastronomie und teils auch Einzelhandel. Erfreulich sei derweil, dass andersherum weniger Arbeitgeber Arbeitsverhältnisse beenden wollten – so spiegeln es die Beratungen wider. Auch das sei untypisch für die Krisenzeit. 2020 habe es hier noch einen Zuwachs gegeben.

Die Mitarbeiter stoßen hier in der Beratung auch öfter auf Menschen, die den Maßnahmen gegen Corona skeptisch gegenüberstehen. Die meldeten sich "durchaus nicht selten", so Ingo Schierenbeck. Die Arbeitnehmerkammer stehe aber klar zu den Schutzmaßnahmen. "Gerade am Arbeitsplatz kommen viele Menschen zusammen." Es gebe einen Anspruch darauf, vor einer Infektion so gut wie möglich geschützt zu werden. "Und da muss dann auch das individuelle Freiheitsrecht des Einzelnen gegebenenfalls gegenüber dem kollektivem Interesse der Belegschaft zurücktreten."

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