Über den Fachkräftemangel klagen die verschiedenen Branchen bereits länger. Nun zeichnet sich auch ein Mangel bei weniger qualifizierten Mitarbeitern ab. So sucht die Fleischproduktion von Könecke in Delmenhorst händeringend ungelernte Arbeitskräfte. Könecke ist Teil der Zur-Mühlen-Gruppe, gesucht werden Mitarbeiter, die Würstchen einglasen sowie Produkte sortieren und verpacken. Gesucht werde nicht nur in Delmenhorst, sondern auch anderen Standorten der Unternehmensgruppe, so Geschäftsführer Axel Knau gegenüber der „Welt“. Er könne "vom Fleck weg“ Hunderte von Ungelernten anstellen. Aus dem Inland habe er so gut wie keine Bewerbungen.
Unternehmenssprecher Fabian Reinkemeier sagte dem WESER-KURIER: „Könecke hat sich in den vergangenen Jahren stetig weiterentwickelt und spezialisiert.“ Daher suche die Firmengruppe ständig nach neuen Beschäftigten. „Ungelernte Kräfte haben in Deutschland unzählige Möglichkeiten. Hier stehen wir mit Stellen auf dem Bau, in der Logistik, zum Beispiel bei Amazon, oder auch mit denen als Pizza-Boten in Konkurrenz“, so Reinkemeier.
3000 Beschäftige für Amazon
Nach Angaben der Bremer Arbeitsagentur stellte Amazon für seinen Standort in Achim im vergangenen Mai rund 3000 Beschäftigte ein. Die Hälfte der Mitarbeiter, erläuterte der Bremer Arge-Chef Joachim Ossmann bei seiner Jahresbilanz, habe auf dem Bremer Arbeitsmarkt nach einer Tätigkeit gesucht, dazu zähle auch eine Reihe ungelernter Arbeitskräfte.
Die Konkurrenz macht sich auch beim Lohn bemerkbar. So zahlt Amazon einen Stundenlohn von zwölf Euro und will ihn zum Herbst auf 12,50 Euro erhöhen. Der Lebensmittelhändler Rewe sucht für seinen Lieferdienst Fahrer und zahlt laut seiner Stellenanzeige bis zu 14 Euro pro Stunde.
Auch in anderen Städten wie beispielsweise Köln konkurrieren die Lieferdienste um Essens- und Lebensmittelkuriere, dort liegt der Lohn deutlich über zwölf Euro. Lieferando teilt mit, dass der Basisstundenlohn auch in Bremen seit Jahresanfang auf elf Euro gestiegen sei.
Unattraktiver für Polen und Rumänen
„Bei elf Euro pro Stunde liegt seit Jahresanfang auch der Mindeststundenlohn in der Fleischproduktion“, sagt Dieter Nickel, der Bremer Chef der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten zur Lage von Könecke in Delmenhorst. „Sie haben Probleme, Arbeitskräfte zu finden, und auch eine hohe Fluktuation“, so Nickel. Da in Polen und Rumänien ebenfalls die Stundenlöhne steigen, sei es für Hilfskräfte aus diesen Ländern immer unattraktiver, in Deutschland zu arbeiten.
Gleichzeitig richtet der NGG-Chef den Blick auf die Gastronomie. Dort haben ungelernte Kräfte in der Vergangenheit häufig Arbeit gefunden. Durch den Lockdown verloren die Betriebe ihre Beschäftigten an andere Branchen. „Die richtige Reaktion darauf wäre eine bessere Bezahlung“, meint Nickel. Derzeit verhandeln Dehoga und NGG in Bremen über einen neuen Tarifvertrag. „In anderen Bundesländern hat es bereits deutliche Lohnerhöhungen gegeben“, so Nickel. Die Arbeitgeber hätten bisher kein Angebot gemacht.
Aushilfen wechseln die Branche
Die Bremer Arbeitsagentur beobachtet, dass viele Sommeraushilfen auf andere Branchen ausgewichen seien. „Auch Arbeitsplätze für ungelernte Kräfte sind nicht ohne jedes Anforderungsprofil“, sagt der Bremer Arge-Sprecher Jörg Nowag. Die meisten der ungelernten Arbeitskräfte in Bremen fänden in der Logistik einen Job – meist über Dienstleister oder Leiharbeitsfirmen. Das könne zum Beispiel für leichte Lagerarbeiten der Fall sein.
Auch der Tierfutterhersteller Vitakraft will für die nächste Firmenerweiterung weitere Mitarbeiter einstellen – sowohl Fachkräfte als auch Ungelernte. Sprecher Dieter Meyer bestätigt, dass es nicht einfacher werde, in beiden Gruppen neue Mitarbeiter zu finden.
Der Lebensmittelhersteller Rügenwalder Mühle in Bad Zwischenahn hat ebenso zunehmend Probleme, ungelernte Arbeitskräfte zu rekrutieren. Das bestätigt die Sprecherin Claudia Hauschild. Das Unternehmen expandiert und plant weitere Produktionsstandorte. So hat der Lebensmittelhersteller sich bei Nordfrost in Wilhelmshaven eingemietet. „Dort ist die Situation noch eine andere, sodass wir dort alle benötigten Mitarbeiter finden konnten.“ Bei der Wahl des nächsten neuen Standorts werde auch die Frage nach der Verfügbarkeit von Mitarbeitern eine Rolle spielen.