Es gibt Untersuchungen, wonach jeder fünfte Arbeitnehmer schon mal eine Liebesbeziehung am Arbeitsplatz hatte – das kommt also gar nicht so selten vor. Muss ich meinen Chef darüber informieren, dass ich nun mit der Kollegin XY zusammen bin?
Hubertus Bartelt: Nein. Der Arbeitgeber hat kein Recht darauf, Kenntnis zu erlangen von Liebesbeziehungen unter Kollegen und Kolleginnen. Es besteht also keinerlei Verpflichtung, diese offenzulegen. Das ist Privatsache. Es gab vor Jahren den Fall der US-Supermarktkette Walmart, als diese nach Deutschland expandierte. In den USA sind Ethikvereinbarungen in Arbeitsverträgen durchaus üblich, und Walmart hatte versucht, auch in den deutschen Niederlassungen Beziehungen zwischen Beschäftigten zu verbieten. Das ist aber hierzulande unzulässig und von den deutschen Arbeitsgerichten gekippt worden.
Darf denn der Arbeitgeber Verhaltensmaßregeln ausgeben – wenn etwa am Kopierer ausgiebig geknutscht wird? Oder es lautstarken Stress unter den Partnern gibt?
Ja und nein. Auch das ist grundsätzlich Privatsache, der Arbeitgeber hat aber andere Möglichkeiten. Er darf nach dem Arbeitsrecht ganz allgemein Maßnahmen ergreifen, wenn die vereinbarte Arbeitsleistung nicht erbracht wird – wenn also das Liebespaar etwa zu sehr turtelt und die Arbeit darunter leidet. Oder wenn Räume zweckentfremdet werden für den Austausch von Zärtlichkeiten.
Wenn also am Kopierer mehr als nur geknutscht wird.

Hubertus Bartelt ist Rechtsberater bei der Arbeitnehmerkammer Bremen.
Der Arbeitgeber hat das Hausrecht und kann das unterbinden. Es kann überdies auch sein, dass die Arbeitsleistung von Kollegen beeinträchtigt wird, die sich etwa durch den Austausch von Liebesbezeugungen gestört fühlen. Gegen ein Küsschen zur Begrüßung oder Verabschiedung ist sicherlich nichts einzuwenden. Aber wenn das ein Maß annimmt, dass Kollegen sich peinlich berührt fühlen, darf der Arbeitgeber darauf reagieren.
Könnte aber schwierig werden, das zu beurteilen, oder?
Naja, der Arbeitgeber hat schon Möglichkeiten, das zu beurteilen: Wenn es sich etwa um einen Telefonarbeitsplatz handelt und das Telefon ständig verwaist ist. Oder wenn sich Kollegen beschweren, weil das Liebespärchen seine Arbeit nicht schafft und die anderen das alles mit wegarbeiten müssen. Bei einem guten Betriebsklima reicht dann vielleicht eine freundliche Bemerkung oder ein Gespräch; andere Arbeitgeber greifen zu härteren Maßnahmen.
Also Abmahnung?
Genau, das würde dann den normalen Gang der arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Ermahnung, Abmahnung, etc. gehen. Aber noch einmal: Dafür müsste eine echte Beeinträchtigung des Betriebsklimas vorliegen, müsste das Arbeitsverhältnis durch das Ausleben einer Liebesbeziehung gestört sein. Die Beziehung als solche darf der Arbeitgeber nicht verbieten.
Wie ist das aber nun, wenn sich nicht zwei Kollegen oder Kolleginnen vom selben Flur verlieben, sondern der Chef oder die Chefin in einen Untergebenen?
Grundsätzlich macht das rechtlich keinen Unterschied. Natürlich haben solche Beziehungen schnell einen Hautgout, einen Beigeschmack. Justiziabel wird das aber erst dann, wenn die vorgesetzte Person – Chef oder Chefin – ihre Position ausnutzt, um die Beziehung anzubahnen.
Also ihre Macht missbraucht.
Dann kann der Arbeitgeber durchaus eingreifen. Das gleiche gilt, wenn Kollegen und Kolleginnen der rangniedrigeren Person darlegen können, dass diese von dem oder der Vorgesetzten aufgrund der Liebesbeziehung bevorzugt wird. Auch dann hat der Arbeitgeber das Recht und die Pflicht, dafür zu sorgen, dass alle gleich behandelt werden.
Um für Gerechtigkeit zu sorgen, müsste der Arbeitgeber aber von der Beziehung erfahren. Gibt es also in diesem Fall doch ein Recht, über Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen informiert zu werden?
Nein, das gibt es nicht. Es müssten sich eine untergebene Person, die sich von einem Vorgesetzten drangsaliert fühlt, oder die Kollegen, die sich durch die Liebesbeziehung benachteiligt fühlen, dem Arbeitgeber gegenüber offenbaren. Erst dann könnte dieser arbeitsrechtliche Maßnahmen ergreifen: Personalgespräch, Ermahnung, Abmahnung...
Versetzung?
Auch das ist möglich. Grundsätzlich, wie gesagt, haben solche Beziehungen schnell den Beigeschmack des "Das tut man nicht". Aber das ist eine moralische Ebene und keine juristische.
- Das Gespräch führte Christoph Barth.