Das MSC-Siegel soll den Verbrauchern ein gutes Gefühl geben, wenn sie an der Fischtheke oder im Tiefkühlfach zugreifen. Produkte mit diesem Zertifikat sollen aus nachhaltiger Fischerei stammen. Supermarktketten wie Edeka und Lidl verkaufen nur noch Fischprodukte mit diesem Siegel. Wenn Thunfische aber mit Ringwadennetzen gefangen werden, dann werden dabei immer wieder Delfine getötet.
Denn beispielsweise vor der Küste Mexikos bilden die beiden Wasserlebewesen eine Fressgemeinschaft. Oben schwimmen die Delfine, unten schwimmen die Thunfische. Und wenn das Netz wie ein Ring um die Schwärme herumgesetzt wird und oben die Delfine sind, können die nicht entkommen. Und es gibt tatsächlich Fischereien, die auf diese Fangart setzen und gleichzeitig das MSC-Siegel haben. Das ist eines der ernüchternden Beispiele, das die Zuschauer Montagabend in der ARD-Dokumentation aus der Reihe "Die Story" sehen konnten.
Der Bremer Fernsehautor und dreifache Grimme-Preisträger Wilfried Huismann zeigt in „Das Geschäft mit dem Fischsiegel – die dunkle Seite des MSC“ anhand weiterer Beispiele, dass es bei Fischerei mit MSC-Siegel alles andere als nachhaltig zugeht. Die Abkürzung MSC steht für Marine Stewardship Council. Es wurde 1997 vom Lebensmittelkonzern Unilever und der Umweltorganisation WWF ins Leben gerufen. Pro Jahr verdient der Council 17 Millionen Euro an Lizenzgebühren. Ziel sollte es sein, für nachhaltigen Fischfang zu sorgen. Zwölf Prozent des weltweiten Fischfangs tragen derzeit das MSC-Siegel. Beim konkreten Beispiel aus Mexiko gibt der MSC laut Film die Zahl der toten Delfine auf den 36 zertifizierten Fangschiffen mit weniger als 500 pro Jahr an.
Es geht nur ums Geld
Insider sprechen in der Doku von Zahlen, die um ein Vielfaches höher liegen. Huismann, der für Recherchen und Dreharbeiten 14 Monate unterwegs war, lässt Daniel Pauly zu Wort kommen. Der Meeresforscher war als kanadischer WWF-Direktor MSC-Mitbegründer und äußert sich kritisch: "Alle Leute im MSC-System wissen, dass nur eine Zertifizierung Geld in den MSC spült. Das ist ein Anreiz, zu einem positiven Prüfergebnis zu kommen." Die Doku kommt zum Ergebnis, das es am Ende nicht um Nachhaltigkeit gehe, sondern nur ums Geld. Laut Pauly habe beim MSC längst die Industrie das Sagen.
Huismann hat zum Thema auch ein Interview mit einer deutschen WWF-Vertreterin geführt. Das taucht im Film aber nicht auf. Es sei sehr allgemein gehalten gewesen, sagt Huismann im Gespräch mit dem WESER-KURIER. Dass Huismann und der WWF nicht die besten Freunde sind, geht auf seine preisgekrönte Doku mit dem Titel "Was uns der WWF verschweigt" zurück. Dort zeigte der Autor in der Doku die Nähe der Umweltschutzorganisation zur Industrie auf. Mit mehreren Klagen versuchte der WWF dagegen vorzugehen.
Was das Siegel angeht, teilt der WWF nun auf seiner Internetseite mit, dass er inzwischen deutliche Mängel sehe und rasche Reformen fordere. Die Seite wurde vergangenen Donnerstag aktualisiert. Eine WWF-Sprecherin versicherte dem WESER-KURIER, dass es bei dieser Änderung nur um Nuancen gegangen sei. Sie gibt außerdem zu Bedenken, dass weltweit zwölf Prozent des Fischfangs zertifiziert seien: "Bei den restlichen 88 Prozent wissen wir also erst recht nicht, wie der Fisch gefangen wurde." Die Doku ist in der ARD-Mediathek zu sehen und kommenden Donnerstag um 20.15 Uhr im ARD-Infokanal "Tagesschau24".