Nicht nur Toilettenpapier und Nudeln wurden gleich für mehrere Wochen eingekauft, auch ein Medikament hat es in Corona-Zeiten auf die Hamster-Liste gebracht: Die Apotheken reagierten und rationierten teilweise den Verkauf von Paracetamol. Ist die Versorgung mit Medikamenten denn generell gesichert oder müssen Hersteller wegen der Corona-Pandemie ihre Kapazitäten herunterfahren?
Unabhängig von der Pandemie und deren Auswirkungen auf wirtschaftliche Abläufe sei die Versorgung mit Medikamenten schon gefühlt seit einem halben Jahr etwas instabiler im Vergleich zu früheren Zeiten, so Apotheker Sebastian Köhler, Sprecher der Apothekerkammer Bremen. Das liege vermutlich an der weltweit gestiegenen Nachfrage nach Medikamenten. Denn auch immer mehr Drittländer seien dabei, ihr Gesundheitssystem besser auszustatten. Dass der Markt durch Corona zusätzlich belastet werde, sei nicht auszuschließen, so Köhler, Inhaber der Horner Apotheke. Mögliche Produktionsausfälle durch das Virus seien allerdings erst in zwei oder drei Monaten zu spüren.
Bedarf an Apothekenwaren um sechs Prozent gestiegen
Im Zuge der Corona-Pandemie ist laut dem Statistischen Bundesamt im Einzelhandel die Nachfrage nach bestimmten Gütern des täglichen Bedarfs gestiegen, dazu zählen auch Waren aus Apotheken. Demnach setzten sie im Februar sechs Prozent mehr als im Vergleichsmonat 2019 um. Im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre lag die Veränderungsrate bei plus 2,6 Prozent.
Dass die Medikamentenherstellung etwa für Antibiotika oder Paracetamol durchaus anfällig sein kann, sei der Tatsache geschuldet, dass sich die Produktion nur noch auf wenige große Hersteller in Indien und China konzentriere, erklärt Köhler. Gebe es dann mal Produktionsausfälle bei einem dieser Hersteller, wirke sich das natürlich entsprechend auf dem Weltmarkt aus. Bedrohliche Engpässe habe es allerdings noch nicht gegeben – zumal in der Regel die Möglichkeit bestehe, ein gerade nicht vorhandenes Medikament durch ein anderes Medikament mit gleichen oder fast ähnlichen Wirkstoffen für einen gewissen Zeitraum während der Behandlung zu kompensieren.
Gründe für Medikamenten-Hamsterkäufe wegen Corona gebe es objektiv nicht. Die Lager seien im Prinzip voll, hält Köhler fest. Allerdings habe es schon eine Situation gegeben, die es erforderte, dass Paracetamol nur noch rationiert pro Haushalt herausgegeben werden durfte. Grund dafür sei gewesen, dass im Internet das Gerücht kursierte, bei einer Erkrankung mit dem Coronavirus gegen Schmerzen kein Ibuprofen einzunehmen, weil dieses Mittel den Krankheitsverlauf verschlimmere. Deshalb solle man lieber auf Paracetamol zurückgreifen.
Köhler geht nicht davon aus, dass Preise für Medikamente durch die Decke gehen könnten – etwa wie es bei Mund-Nasen-Schutzmasken im Moment der Fall ist. Das sei auszuschließen. „Denn bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sind die Preise staatlich reguliert.“ Der Grundgedanke dabei sei, dass durch die Arzneimittelpreisverordnung die Medikamente in jeder Apotheke zu den gleichen Bedingungen erhältlich seien. „Das wurde in der Vergangenheit schon häufig kritisiert, weil dadurch angeblich Wettbewerb eingeschränkt werde.“ Der finde schon statt – allerdings auf einer anderen Ebene. Dass es marktgerechte Preise gebe, dafür sorgten allein die Krankenkassen. „In diesem Zusammenhang sehen Kritiker aber vor allem dieses ,Preisdiktat‘ der Krankenkassen als einen wesentlichen Grund für Versorgungsengpässe.“ Denn der Kostendruck auf Seiten der Hersteller sei dadurch in den vergangenen Jahren gestiegen und habe dazu geführt, dass gerade in Deutschland die Pharmaindustrie die Produktion für bestimmte Medikamente eingestellt habe.
Preisanstieg bei rezeptfreien Medikamenten
Preisanstiege habe es, so das Statistische Bundesamt, vor allem bei rezeptfreien Medikamenten gegeben: In den vergangenen fünf Jahren – rückwirkend von März aus gerechnet – habe es ein Plus von 11,1 Prozent gegeben. Die Preise für rezeptpflichtige Medikamente entwickelten sich mit plus 2,7 Prozent in dieser Zeit wesentlich schwächer.
Dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) würden aktuell keine belastbaren Hinweise vorliegen, „die auf eine kurzfristige Einschränkung der Arzneimittelversorgung aufgrund von Produktionsausfällen in Regionen, die von der Ausbreitung des Coronavirus besonders betroffen sind, schließen lassen“, sagte ein Sprecher auf Nachfrage des WESER-KURIER. So habe Indien das Exportverbot für eine Reihe von Wirkstoffen auch bereits wieder aufgehoben.
Das BfArM stehe zudem im engen Austausch mit dem Bundesgesundheitsministerium und weiteren Akteuren, um den grenzübergreifenden Verkehr mit Wirkstoffen und Arzneimitteln weiterhin sicherzustellen. „Dem BfArM liegen belastbare Informationen vor, dass es aktuell zu überdurchschnittlich hohen Verordnungen und Abgaben von vermarkteten Arzneimitteln kommt.“ Um einer nicht bedarfsgerechten Bevorratungsstrategie entgegenzuwirken, hatte das BfArM bereits am 20. März eine allgemeine Anordnung erlassen. Parallel hatte sich das Gesundheitsministerium an die verordnenden Ärzte und Apotheken gewandt. Alle Maßnahmen zielen darauf ab, die Patientenversorgung bestmöglich sicherzustellen.