Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) fürchtet angesichts der hohen Sanierungstätigkeit in den kommenden Jahren um die Gesundheit der Branchenbeschäftigten. Der Grund: In Millionen Wohngebäuden, die bis zur Wende in Deutschland errichtet wurden, schlummern ungefähr 4,35 Millionen Tonnen giftiges Asbest, wie die Gewerkschaft am Donnerstag in Berlin mitteilte. In Bremen stehen laut Zensusdatenbank 75.505 Wohngebäude unter Asbestverdacht.
Der krebserregende Baustoff wurde demnach insbesondere in den Jahren 1950 bis 1989 in großem Umfang verbaut. In dieser Zeit entstanden einer Studie des Pestel-Instituts im Auftrag der IG Bau zufolge rund 9,4 Millionen Wohngebäude.
„Es ist davon auszugehen, dass es in jedem Gebäude, das in diesen vier Jahrzehnten gebaut, modernisiert oder umgebaut wurde, Asbest gibt. Mal mehr, mal weniger“, teilte IG-Bau-Bundesvorstand Carsten Burckhardt mit. Vor allem Altbauten seien ein „Millionen Tonnen schweres Asbest-Lager“, hieß es. Für die Bewohnerinnen und Bewohner ergebe sich daraus kein Gesundheitsrisiko. Der Asbest werde erst dann zum Problem, wenn saniert oder umgebaut werde. Die Asbestfasern gelangten dann über den Baustaub in die Atemwege und Lungen der Arbeiter.
Rund 7,6 Prozent der in den entsprechenden Jahrzehnten errichteten Wohngebäude haben der Pestel-Studie zufolge Mehrfamilienhäuser mit 13 und mehr Wohnungen. Ein großes Problem sei vor allem der Spritz-Asbest, der häufig in Verkleidungen von Aufzugs- und Versorgungsschächten verarbeitet worden sei, teilt die IG BAU weiter mit. Bei diesem Produkt sind die Asbestfasern nur leicht gebunden und können durch Alterung und Erschütterung leicht freigesetzt werden.
IG Bau verlangt Schadstoff-Gebäudepass
Die Gewerkschaft fordert deshalb unter anderem einen Schadstoff-Gebäudepass „mit unterschiedlichen Gefahrenstufen für die jeweilige Asbest-Belastung eines Gebäudes“. Außerdem verlangt die Gewerkschaft eine staatliche Förderung von Asbest-Sanierungen, zum Beispiel in Form einer KfW-Förderung. Zudem seien intensivere Arbeitsschutzkontrollen durch die Länder unabdingbar. Dazu sei auch ein Aufstocken des Kontrollpersonals notwendig.
In Bremen gibt es etwas mehr als 1500 Wohngebäude mit mindestens 13 Wohnungen. Das entspricht einer Quote von 6,9 Prozent am gesamten Wohngebäudebestand, womit Bremen leicht unter dem bundesweiten Schnitt liegt. Zum Vergleich: In Berlin liegt der Anteil dieser Gebäude bei 31,3 Prozent, in Hamburg sind es 13,1 Prozent.
Das könnte in den kommenden Jahren zu einem großen Problem werden. „Wir stehen am Anfang von zwei Sanierungsjahrzehnten“, sagte Burckhardt. „Wohnhäuser werden modernisiert, senioren- und familiengerecht umgebaut oder aufgestockt. Mit der Sanierungswelle droht deshalb jetzt eine Asbest-Welle auf dem Bau“, ergänzte er.
Die Berufsgenossenschaft BAU geht davon aus, dass in den vergangenen zehn Jahren fast 3380 Versicherte infolge einer asbestbedingten Berufskrankheit gestorben sind, „darunter allein 320 Baubeschäftigte im vergangenen Jahr“, hieß es. Das Umweltbundesamt (UBA) stuft Asbest als „eindeutig krebserregenden Stoff“ ein. „Charakteristisch für Asbest ist seine Eigenschaft, sich in feine Fasern zu zerteilen, die sich der Länge nach weiter aufspalten und dadurch leicht eingeatmet werden können“, schreibt das UBA. „Die Zeit von der Asbestexposition, also dem Einatmen der Asbestfasern, bis zum Auftreten einer darauf zurückzuführenden Erkrankung (Latenzzeit) ist lang und kann bis zu etwa 30 Jahre betragen.“ Die Folge könne die Diagnose Asbestose sein – mit Lungen-, Bauchfell- oder Kehlkopfkrebs.
Hinweis der Redaktion: Im Text hatte es zunächst geheißen, dass die rund 75.000 in Bremen unter Asbestverdacht stehenden Gebäude einer Quote von 6,9 Prozent am gesamten Wohngebäudebestand entsprechen. Dieser Bezug war falsch. Wir haben die Passage entsprechend korrigiert.