Nach dem Gewitter am Donnerstag sind auf der Bahnstrecke von Hamburg nach Bremen mehrere Hundert Reisende gestrandet. Als Grund nannte die Bahn Oberleitungsschäden sowohl bei Rotenburg/Wümme als auch bei Buchholz. Die waren so schwer, dass auch Leitungsmasten umgeknickt waren. Das bedeutete, dass einige Züge auf der Strecke weder vor noch zurück fahren konnten. Nach Angaben der Bundespolizei befanden sich zeitweise mehr als 2000 Fahrgäste am Bahnhof von Tostedt. Etwa 800 Passagiere bereiteten sich auf eine Nacht im Metronom und im Intercity vor, weil die von der Eisenbahngesellschaft Metronom angekündigten Ersatzbusse nicht kamen. Das sind die Zahlen, die die Bundespolizei nennt.
Der erste Zug, ein Metronom, stoppte am Donnerstagabend kurz nach 17 Uhr. Um 17.25 Uhr kam in Tostedt noch der Intercity von Sylt auf dem Weg nach Frankfurt hinzu. Die Bundespolizei teilte mit, dass sie erst gegen 23 Uhr darüber informiert wurde – also mit sechs Stunden Verspätung. Die ersten Beamten vor Ort erfuhren, dass bisher kein Shuttleverkehr durch Ersatzbusse eingerichtet wurde. Laut der Polizei organisierten Vertreter der Gemeinde Tostedt schließlich zwei Reisebusse. Diese sollten die Passagiere nach Bremen bringen. Was dann aber unterwegs war, sei ein Reparaturwagen der Deutschen Bahn gewesen.
Auch mit den Informationen vor Ort war es nach Angaben von Reisenden schwierig. Denn auch nach drei Stunden seien die Metronom-Passagiere im Ungewissen gelassen worden, wie Rute Azevedo erzählte: "Im Zug gab es keine Ansagen. Erst ab 22 Uhr machte das Zugpersonal die Ansage, dass man nicht wisse, wie es weitergehen solle." Nicht nur sie, sondern auch eine ganze Reihe anderer Fahrgäste waren über das Management dieses Vorfalls verärgert und bezeichneten es als "desolat". Eine Metronom-Sprecherin verwies noch am Abend auf die Informationen auf der Facebook-Seite des Unternehmens. Doch vor Ort bekamen die Fahrgäste nichts davon mit. Weil einfach nichts passierte, riefen einige Passagiere nach Stunden des Wartens die örtliche Polizei an.
Erster Ersatzbus nachts um ein Uhr
Der erste der zwei Ersatzbusse traf gegen ein Uhr ein, der zweite gegen 1.20 Uhr. Wegen der begrenzten Kapazität erhielten Familien mit Kleinkindern sowie ältere Personen den Vortritt. Kräfte der Bundespolizei und der Polizei des Landkreises Harburg verteilten die Reisenden nach Rücksprache mit dem Roten Kreuz. Das hatte zusammen mit den Johannitern an jeden Gestrandeten einen Müsliriegel und einen Becher Wasser verteilt. Einige Rentner zogen es vor, lieber im Metronom zu bleiben statt den Ersatzbus zu nehmen. Sie waren mit dem Neun-Euro-Ticket unterwegs und wollten von Bremen aus weiter, ein Ehepaar sogar bis nach Köln.
Die Bundespolizei will dem Vorfall nachgehen. So müsse geklärt werden, warum sie erst sechs Stunden nach dem Stopp der Züge in Tostedt informiert wurde. Der Bremer Bundespolizei-Sprecher Rene Schmidt sagte dem WESER-KURIER: "Wir hätten ja ansonsten viel eher reagiert, um vor Ort die Situation zu unterstützen." Die Behörde habe für solche Situationen entsprechende Pläne, die dann ausgerollt würden.
Metronom arbeitet das Thema auf
Die Eisenbahngesellschaft Metronom teilte dem WESER-KURIER mit, dass man "das Thema sowie die Hintergründe gerade gesamthaft intern recherchiere und aufarbeite". Solange das nicht erfolgt sei, wolle sich die Metronom-Geschäftsführung nicht äußern. Auch eine Antwort der Deutschen Bahn steht noch aus.
Die Deutsche Bahn hat eine andere Darstellung zum Ablauf des Abends als die Bundespolizei. Sie spricht von 600 Fahrgästen aus Intercity und Metronom, die in Tostedt gestrandet waren. Andere Züge in diesem Abschnitt hätten an geeigneten Bahnhöfen gestoppt, um nicht auf freier Strecke zum Stillstand zu kommen. Als klar wurde, dass die Streckensperrung länger andauern würde, habe die Bahn Ersatzbusse angefordert. "Leider ist es gerade zu dieser Tageszeit nicht einfach, genügend Buskapazitäten in kurzer Zeit zu generieren, und so standen nicht die gewünschte Anzahl an Ersatzkapazitäten zur Verfügung", sagte eine Sprecherin der Bahn. Nach ihren Informationen seien erste Busse ab 20.30 Uhr im Einsatz gewesen. "In solchen Situationen unterstützen sich die Eisenbahnunternehmen gegenseitig und stimmen sich untereinander ab", sagte die Bahnsprecherin außerdem.
Widersprüchliche Angaben
Der Intercity soll um 1.53 Uhr seine Fahrt mit 200 Reisenden nach Bremen fortgesetzt haben. "Dort konnten wir noch Personal bekommen, sodass der Zug noch mit den Reisenden nach Hannover weitergefahren ist", so die Bahnsprecherin. "Von dort konnten die Reisenden dann ihre Fahrt fortsetzen." Die Bundespolizei gab dagegen an, dass die Strecke erst gegen 3.03 Uhr freigegeben wurde. Abschließend sagte die Bahnsprecherin: "Wir nehmen diesen Vorfall zum Anlass, den Ablauf aufzuarbeiten, Fehlerquellen aufzuspüren und gegebenenfalls zu beseitigen. Für die entstandenen Unannehmlichkeiten bitten wir die Reisenden ausdrücklich um Entschuldigung." Das niedersächsische Verkehrsministerium hat ebenfalls einen Blick auf die Abläufe und will sich am Montag dazu äußern.
Bei Unwettern ist gerade die Strecke zwischen Rotenburg/Wümme und Hamburg-Harburg anfällig für umgekippte Bäume. Dabei setze die Bahn seit 2018 mehr Expertise, mehr Geld und mehr Personal ein, um den Bewuchs am Gleis noch besser zu kontrollieren, teilte das Staatsunternehmen mit. "Mit Blick auf den Klimawandel wird es allerdings auch künftig Wetterextreme geben, bei denen die Bahn trotz aller Vorbereitungen – wie die anderen Verkehrsträger auch – völlig außen vor ist." Gleichzeitig hat die Bahn weiterhin mit Verspätungen zu kämpfen: Im Juli kamen lediglich 59,9 Prozent der Fahrten zur vorgesehenen Zeit ans Ziel. Im Vormonat erreichte die Bahn mit 58 Prozent den schlechtesten Wert seit 2010.