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Digitalisierung in der Branche Automobilindustrie nimmt Ameisen zum Vorbild

Die Automobilwirtschaft ist in Sachen Digitalisierung ganz weit vorne. Viele Produktionsstrukturen sind bereits im Wandel, weitere sind in der Entwicklung. Nun will sich die Industrie etwas von Ameisen abgucken.
14.02.2017, 19:45 Uhr
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Automobilindustrie nimmt Ameisen zum Vorbild
Von Peter Hanuschke

Die Automobilwirtschaft ist in Sachen Digitalisierung ganz weit vorne. Viele Produktionsstrukturen sind bereits im Wandel, weitere sind in der Entwicklung. Nun will sich die Industrie etwas von Ameisen abgucken.

Sie handeln autonom, haben klare Regeln und kommunizieren untereinander. Sie stimmen so Handlungen ab, um Prozesse zu optimieren, – was bei Ameisen etwa durch Schwarmintelligenz bei der Futtersuche funktioniert, das will auch die Industrie in ihren komplexen Produktionsstrukturen nutzen: Und das, was sich hinter Schlagwörtern wie Digitalisierung, Industrie 4.0 oder Big Data verbirgt, findet bereits statt, ist in der Entwicklung oder wird erst in ein paar Jahren Realität. Ganz weit vorne, was die Umsetzung und die Interpretation von Industrie 4.0 angeht, ist die Automobilwirtschaft samt ihrer Logistikketten.

Das, was schon umgesetzt wird oder in Zukunft Prozesse noch optimierter werden lassen könnte, steht im Mittelpunkt des zweitägigen Forums Automobillogistik 2017, das am Dienstag im Bremer Kundencenter von Mercedes-Benz gestartet ist. Eingeladen zum inzwischen fünften und Europas größtem Branchengipfel, der immer an besonderen Produktionsstandorten der Automobil- und Zulieferindustrie stattfindet, hatten die Bundesvereinigung Logistik und der Verband der Automobilindustrie. Etwa 530 Wissenschaftler und Experten entlang der automobilen Wertschöpfungskette, also Entscheider aus Industrie, Handel und Dienstleistung aus dem gesamten Bundesgebiet, nutzen die Plattform zum Austausch.

Und wie Industrie 4.0 bereits genutzt wird, wie sich die Arbeitswelt durch Robotik verändert, wie aus einer Fülle von gesammelten Daten analysiert werden kann, was in Zukunft geschieht, oder wie intelligente digitale Lösungen dazu beitragen, den kürzesten und effizientesten Weg durch selbststeuernde Objekte mithilfe von GPS-Daten, Wlan und mit Sensorik ausgestatteten Maschinen zur Verarbeitungsstelle zu finden, das steht nicht nur im Mittelpunkt der verschiedenen Fachforen. Auch die begleitende Fachausstellung an etwa 60 Ständen bietet Einblicke in die digitale Welt von heute und morgen.

Autobau wird sich verändern

Die Digitalisierung werde die Art, „wie wir Autos bauen, tief greifend verändern“, sagte Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, am Dienstagabend. Die Automobilindustrie arbeite intensiv an der konsequenten digitalen Vernetzung der Lieferkette. Automobillogistik sei dabei ein wesentlicher Erfolgsfaktor: Sie müsse künftig ungekannte Mengen an Informationen effizienter und schneller denn je verarbeiten. Die Wünsche der neuen Kunden-Generationen würden immer individueller. Diese Kunden seien seltener bereit, monatelang auf ein Auto zu warten.

Um innerhalb dieses Paradigmenwechsels bestehen zu können, so Wissmann weiter, arbeiteten die Automobillogistiker an einer digital vernetzten, hoch transparenten Supply Chain, der Lieferkette. Diese beinhaltet den Aufbau und die Verwaltung integrierter Logistikketten samt Material- und Informationsflüssen über den gesamten Wertschöpfungsprozess. Die deutsche Industrie habe dafür beste Voraussetzungen, weil sie schon heute die Steuerung von Produktionsnetzwerken mit Tausenden von Zulieferern und komplexen Güterströmen beherrsche.

Digitalisierung trage dazu bei, die Vorgaben des Vertriebs hinsichtlich der Modelle und der Vielzahl an Varianten zu erfüllen, sagte Alexander Koesling, Leiter Supply-Chain-Management von Mercedes-Benz Cars und Referent beim Fachforum. Gleiches gelte für die Qualitätssicherung. „Als Logistiker ist man verdammt, 100 Prozent abzuliefern.“ Liege die Quote nur bei 99,9 Prozent, würde das eine Auslieferung von 50.000 Fehlteilen pro Tag bedeuten. Das dritte große Ziel, das maßgeblich durch Digitalisierung in den Logistikketten noch intensiver verfolgt und erreicht werde, sei insgesamt eine Kostenoptimierung.

Mercedes setzt weiterhin auf Mitarbeiter

Wie sich die Märkte entwickeln, sei in den vergangenen Jahrzehnten ein sehr berechenbares Geschäft gewesen, sagte Koesling. Wie sich die Märkte in den nächsten 20 Jahren entwickeln werden – etwa durch Themen wie Elektrofahrzeuge oder autonom fahrende Autos – sei derzeit nicht absehbar. Davon sei dann in der Konsequenz auch die Logistik betroffen.

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Trotz der immer stärker werdenden Digitalisierung werde der Mensch bei Mercedes immer eine wichtige Rolle spielen. „Wir haben ein großes Potenzial an Mitarbeitern, dieses gilt es auszuschöpfen“, so Koesling. Man müsse die Mitarbeiter mitnehmen und einladen, Ideen zu entwickeln, um dadurch besser zu werden. Einfach die Dinge wie bisher laufen zu lassen, das könne sich kein Unternehmen mehr leisten. Vor dem Hintergrund der Digitalisierung, wo es vieles Neues gebe, müsse es aber auch gelingen, Ideen schnell umzusetzen.

„Wir sagen immer: ‚Wissen ist Silber, Wissen teilen ist Gold.’“ Insgesamt müsse man eine Fehlerkultur entwickeln, die es erlaube, aus guten und schlechten Erfahrungen zu lernen. Denn gerade bei Digitalisierung sei nicht in jedem Fall gewährleistet, dass diese erfolgreich verlaufe. Dafür müsse man aber gerade in großen Unternehmen die Strukturen schaffen und sich ein Stück weit verändern. Ein Beitrag sei, „dass wir in unserem Haus beispielsweise ohne Krawatte auftreten“.

"Smarte Behälter" sollen Warentransport erleichtern

„In Zeiten, über denen Industrie 4.0 steht, werden wir immer Getriebene sein und immer versuchen wollen, zu den Treibern zu gehören“, sagte der Referent Frank Dreeke, Chef der Bremer BLG Logistics Group. Letzteres machte er an mehreren Beispielen fest, etwa der Entwicklung von „smarten Behältern“, einem Projekt, an dem neben der BLG auch Bosch, das Bremer Institut für Produktion und Logistik und der Standard-Entwickler GS1 Germany beteiligt sind.

Die Idee: Die „smarten Behälter“ werden den Transport von Waren noch transparenter gestalten. Durch den konsequenten Einsatz von Sensoren sollen Qualität und Zustand der in der Lieferkette bewegten Bauteile besser abgesichert werden. Sensorlösungen sollen dabei helfen, die qualitätsrelevanten Daten zu erfassen. Ziel sei es, für die Automobilindustrie eine schlanke und robuste Lieferkette ohne Sondertransporte, Nacharbeiten, Produktionsstillstände oder Rückrufaktionen zu schaffen. Immerhin bestehe ein Auto im Durchschnitt aus 10.000 Einzelteilen.

Viele Industrieunternehmen werden in den kommenden Jahren vor tief greifenden Veränderungen stehen, so Dreeke, im Zuge derer sie sich wieder vermehrt ihren Kernkompetenzen zuwenden werden. Hierdurch würden sich für die Kontraktlogistik große Chancen ergeben. „Dies aber nur dann, wenn wir nachweisen können, dass wir in Bereichen wie der Digitalisierung oder der Supply-Chain-Optimierung einen wirklichen Mehrwert bieten können.“

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