Das Bremer Daimler-Werk hat bisher nicht genug Anfragen für eine Ausbildung ab 2022. Zum ersten Mal gebe es zu wenig Bewerber, berichtete Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) am Donnerstagmittag im Rahmen des Bremer Ausbildungsgipfels: "Normalerweise fangen sie dort jetzt schon an, sich die Azubis für das kommende Jahr zu suchen. Wenn schon einer der attraktivsten Arbeitgeber in Bremen dieses Problem hat, dann frage ich mich, wie das in den anderen Bereichen aussieht."
Vor dem Gipfel war Vogt bereits am Morgen zu Besuch in der Ausbildungswerkstatt des Bremer Daimler-Werks und erfuhr dabei von der aktuellen Situation. Anfang des Monats suchte auch die Mercedes-Niederlassung Bremen, also das Autohaus, sogar noch Azubis für dieses Ausbildungsjahr ab August.
Vogt lobte die Ziele des Unternehmens: "Momentan liegt der Frauenanteil dort bei 15 Prozent, in Zukunft soll er mal bei 50 Prozent liegen." Die Senatorin, die früher eine Ausbildung zur Druckvorlagenherstellerin begonnen und schließlich eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten abgeschlossen hat, ermunterte junge Frauen, einen technischen Beruf anzustreben. Für die Betriebe sei Vielfalt ein Vorteil: "Divers aufgestellte Unternehmen sind auf Dauer erfolgreicher und innovativer."
Vogts Ziel ist es, auch mithilfe von EU-Mitteln 400 zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen. Beim Ausbildungsgipfel mit Vertretern von Handelskammer, Handwerkskammer, Arbeitnehmerkammer, den Unternehmensverbänden im Lande Bremen, dem Deutschen Gewerkschaftsbund sowie der Bremer Arbeitsagentur sollte es um die aktuelle Ausbildungssituation gehen – und wie in dieser von der Pandemie geprägten Zeit die jungen Menschen und die Betriebe zueinanderfinden. Außerdem sollte es darum gehen, wie beide Seiten in den kommenden Jahren besser Kontakt knüpfen.
Diejenigen, die sich schon in Ausbildung befinden, sollen unterstützt werden, das aufzuholen, was sie durch den Lockdown verpasst haben. So hat das Wirtschaftsressort finanziell spezielle Kurse unterstützt – zusammen mit der Gewerkschaft NGG und dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). In ihnen können die Azubis aus Hotellerie und Gastronomie nachholen, was in ihren Betrieben wegen des monatelangen Lockdown nicht stattgefunden hat.
Momentan verzeichnet die Bremer Handwerkskammer in ihrer Lehrstellenbörse für dieses Jahr noch 200 freie Ausbildungsplätze und 130 Praktikumsplätze, darunter auch in vielen technischen Gewerken. Andreas Meyer, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, sagte, dass es in den Betrieben langsam eng werde: "Die spüren den Fachkräftemangel und brauchen dringend Nachwuchs. Und wenn es in den kommenden Jahren um die Klimawende geht, werden es die Handwerksbetriebe sein, die davon vieles mit ihrer Arbeit umsetzen werden."
Matthias Fonger, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Bremen, sagte: "Entgegen dem Bundestrend ist die Zahl der gemeldeten Ausbildungsplätze im Land Bremen im Vorjahresvergleich deutlich gestiegen." Er gab die Zahl der offenen Stellen mit 2000 an: "Die große Zahl der freien Stellen zeigt, dass die Unternehmen quer über alle Branchen hinweg auch nach der Corona-Pandemie wieder Fachkräfte benötigen."
Joachim Ossmann, Chef der Bremer Arbeitsagentur, gab die Zahl der noch offenen Ausbildungsplätze für die Stadt Bremen mit 1500 an. Dem stehen 1420 Bewerber gegenüber, die noch auf der Suche sind. In Bremerhaven stehen dagegen 400 offene Ausbildungsplätze 650 Bewerbern gegenüber. Die Zahlen können von den Angaben der Kammern abweichen, weil die Unternehmen nicht dazu verpflichtet sind, ihre freien Ausbildungsplätze der Arbeitsagentur zu melden.
Ingo Schierenbeck, Hauptgeschäftsführer der Bremer Arbeitnehmerkammer, reicht dies nicht an Ausbildungsplätzen: "In der Corona-Krise ist die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Land Bremen 2020 auf ein historisches Tief gesunken." Die Chancen auf einen Ausbildungsplatz hätten sich für junge Menschen dadurch verschlechtert. Seit Jahren fordert die Kammer eine höhere Zahl an Ausbildungsplätzen. Bremens DGB-Chefin Annette Düring sagte dazu: "Die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, wie fragil unser Ausbildungssystem ist. In Zukunft müssen wir stärker daran arbeiten, dass sich alle finanziell an der Ausbildung beteiligen." Dabei nannte sie als eine Möglichkeit einen staatlichen Ausbildungsfonds zur Finanzierung.
Wirtschaftssenatorin Vogt sagte außerdem, dass es in Zukunft noch mehr und bessere Wege brauche, die jungen Menschen persönlich anzusprechen. Als Beispiel nannte sie den Berufeparcours, den sie Donnerstagvormittag in der Oberschule am Waller Ring besuchte, der mit Unterstützung der Unternehmensverbände im Lande Bremen und dem Rotary-Club veranstaltet wurde: "Da haben Azubis, die kaum älter sind als die Schülerinnen und Schüler, aus ihrem Alltag erzählt. Und die Betriebe haben mit den Interessierten gleich einen Termin für die kommende Woche abgemacht." Den Jugendlichen allein eine Telefonnummer in die Hand zu drücken, sich mal zu melden, reiche heute nicht mehr aus.