Ein Drittel der Auszubildenden in Bremen und Niedersachsen muss regelmäßig Überstunden machen, und zwar durchschnittlich knapp vier Stunden pro Woche. Viele bekommen dafür weder Freizeitausgleich noch Bezahlung. Das ist das Ergebnis des aktuellen Ausbildungsreports Niedersachsen-Bremen, den die Jugendorganisation des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) am Montag vorgestellt hat. Mehr als ein Drittel der Azubis wissen laut Report außerdem nicht, ob sie im Anschluss an ihre Ausbildung eine Perspektive im Betrieb haben.
Im Fokus der Befragung stand in diesem Jahr die Gestaltung der Arbeitszeit. Die Bilanz: Mehr als die Hälfte muss in ihrer Freizeit für den Betrieb mobil erreichbar sein, nur wenige erhalten dafür Ausgleich. Bei vielen Auszubildenden wird die gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeit nicht eingehalten. Betroffen seien mit über 43 Prozent vor allem Auszubildende, die Schichtarbeit leisten.
„Arbeitgeber müssen investieren, sonst laufen ihnen die Leute weg“
Auszubildende aus dem Bereich Handel zeigten sich besonders unzufrieden. Nur knapp die Hälfte wolle später im erlernten Beruf weiterarbeiten. Besondere Probleme bereiten den Azubis die Anforderungen ihrer Arbeitgeber. Der Ausbildungsplan werde bei fast einem Viertel der Befragten nicht eingehalten. Die Bremer DGB-Vorsitzende Annette Düring sagte: „Es gibt immer noch zu viele schwarze Schafe, die Auszubildende schlecht betreuen oder als billige Arbeitskraft ausnutzen. In einigen Branchen, etwa im Handel, wird zu wenig getan, um die Ausbildungsbedingungen nachhaltig zu verbessern. Seit Jahren stellen wir große Mängel fest. Viele brechen frustriert ihre Ausbildung ab.“
Der Jugendsekretär der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Nonni Morisse, ergänzte: "Die Arbeitgeber müssen hier dringend investieren, sonst laufen ihnen die Leute weg.“ Und der DGB-Jugendbildungsreferent, Hannes Scherf, stellte fest: „Leider müssen wir seit Jahren feststellen, dass es Verstöße vonseiten der Arbeitgeber gegen Vorschriften und Gesetze gibt. Es kann nicht sein, dass Azubis die Quittung für eine schlechte Organisation ihres Betriebs bekommen.“
Wo auch viel Schichtarbeit geleistet wird, ist im Hotel- und Gaststättengewerbe. Der Hauptgeschäftsführer des Bremer Hotel- und Gaststättenverbands, Thomas Schlüter, sagte dem WESER-KURIER: „Wer seine Azubis schlecht behandelt, der schneidet sich doch ins eigene Fleisch.“ Wer das als Arbeitgeber nicht kapiere, brauche wohl erst einen großen Leidensdruck, „dass zu ihm also keine Azubis mehr kommen, um das einzusehen“. Schlüter steht dazu in engem Kontakt mit der Berufsschule: „Von dort habe ich aktuell keine Beschwerden gehört.“
Auf der anderen Seite sagt Schlüter realistisch, es sei fatal, zu sagen, dass es da in der Branche keine schwarzen Schafe mehr gebe. „Aber heutzutage reagieren die jungen Leute auch viel schneller, wenn sie unzufrieden sind, und wechseln den Betrieb, um woanders die Ausbildung zu beenden.“ Das mit unzufriedenen Azubis mache auch schnell die Runde in der Branche, so Schlüter: „Die jungen Leute sind da auch Multiplikatoren.“
Es sei auch bekannt, dass ein Hotel- oder Gastro-Job nicht an jedem Tag von 9 Uhr morgens bis 17 Uhr abends gehe. Deshalb bieten viele Betriebe vor der Ausbildung ein Praktikum an, damit jeder entscheiden könne, ob das sein Ding ist.
Laut dem Bundesbildungsbericht von April 2018 lag im vergangenen Jahr die Abbrecherquote bei etwa 13 Prozent. Weitere zwölf Prozent wechselten zu einem anderen Betrieb, um dort ihre Ausbildung fortzusetzen. Die Bereitschaft, eine Ausbildung abzubrechen, gibt es laut Bericht vor allem in Branchen mit schlechter Bezahlung und langen Arbeitszeiten. Der DGB fordert nun eine Qualitätsoffensive der Betriebe. Auch die Landesregierung muss laut Gewerkschaftsbund handeln, an den Berufsschulen für mehr Personal sorgen und sich auf Bundesebene für ein modernes Berufsbildungsgesetz einsetzen, das die Rechte der Auszubildenden stärkt.