Zwischen dem Bremer Ölhafen und der Stahlhütte liegen Betonstücke jeder Größe und ganz viel Sand. Hochglanz sieht anders aus. Doch dieser Bauschutt hat das Interesse von Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) geweckt. Denn auf diesem Gelände, auf dem noch so mancher Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg vermutet wird, will der österreichische Strabag-Konzern eine Recyclinganlage für Bauschutt entwickeln. Aus altem Beton soll neuer entstehen. Auch andere alte Baustoffe sollen so aufbereitet werden, dass sie bei Neu- oder Bestandsbauten wieder zum Einsatz kommen können. 23 Millionen Euro investiert die Strabag hier, schätzungsweise 130 Arbeitsplätze werden hier entstehen. Um nicht nur der Bauministerin den aktuellen Stand dieses Projekts zu zeigen, hatte das Unternehmen am Sonnabendmorgen um neun Uhr zum Baustellenfrühstück geladen.
Dirk Brozio realisiert als Leiter der Strabag-Umwelttechnik das Projekt am Bremer Ölhafen und sagte: "Wir sehen den Bedarf an recycelten Baustoffen, die Nachfrage fehlt aber noch." Dafür gelte es, an mehreren Stellschrauben zu drehen – auch an den bestehenden Normen, die Recyclingbaustoffen derzeit im Weg stehen. Unabhängig davon, was hier auf dem 13,7 Hektar großen durch Ölrückstände kontaminiertem Areal nahe dem Bremer Stahlwerk entsteht, hat das Modellcharakter für den Baukonzern. Der Strabag-Vorstandsvorsitzende Klemens Haselsteiner kann sich vorstellen, ähnliche Anlagen auch an anderen Orten zu errichten. Er lobte die Arbeit von Brozio und scherzte: "Wohl erst in zehn Jahren werden wir wissen, ob er ein Visionär ist oder einfach verrückt." Haselsteiner kann sich vorstellen, an anderen Orten eine ähnliche Recyclinganlage auf den Weg zu bringen. Nur irgendwann müsse eben auch ein Punkt kommen, wo sich das rechnet.
Neben Recyclingpapier auch Recyclingbeton
Grundsätzlich begrüßt Bundesbauministerin Geywitz den Einsatz von mehr recycelten Materialien bei Neubauten, sieht aber gleichzeitig, dass es noch mehr Akzeptanz bedarf: "Für die Bürger ist es inzwischen völlig normal, zu Recyclingpapier zu greifen. Zu einer ähnlichen Akzeptanz beim Bauen müssen wir erst noch hinkommen." Da seien auch die Architekten gefragt, die Neu- und Bestandsbauten planen. Gleichzeitig sieht die Ministerin den Bedarf, verschiedene Bauvorschriften zu reformieren. Denn die erschweren es, recycelte Materialien zu verwenden. Ihr Ministerium arbeitet gerade an der Entwicklung einer Datenbank, die man mit einem "Baustoff-Ebay" vergleichen könne. Und Geywitz macht den Bedarf des Recyclings deutlich: "Wenn wir aus der Kohleverstromung aussteigen, fallen auch große Teile der Gipsherstellung weg." Denn aus den Rückständen der Rauchgasentschwefelungsanlagen wird Gips gewonnen.

Maike Petersen von Bremens Materialprüfanstalt für das Bauwesen zeigt ein Stück recycelten Beton, der so zum Einsatz kommen könnte.
Das Stichwort sei das "Urban Mining": "Wir dürfen den Bauschutt nicht als Abfall sehen, wir müssen ihn nur ordentlich sortieren, dann ist er wieder wertvoll", so Geywitz. Praktisch dafür wäre zu wissen, was denn in den Bestandsbauten verbaut wurde. Auch hier brauche es mehr Akzeptanz in der Bevölkerung: "Wer will denn schon in ein neues Haus einziehen, das aus Abfall gebaut wurde?" Gleichzeitig seien die Regularien bei Kommunen, Bundesländern und der EU ein Problem: "Wenn bei einem Abriss der Bagger Erde bewegt, dann ist das Abfall." Das müsse sich in Zukunft ändern.
Vorschriften machen Baurecycling schwer
Der Bremerhavener Bundestagsabgeordnete Uwe Schmidt (SPD) sieht ebenso Handlungsbedarf: "Die Vorschriften, die noch vor 20 oder 30 Jahren auf den Weg gebracht wurden, liefern vielleicht nicht mehr die Antworten, die wir heute benötigen." Und beim Blick auf die Vorschriften und Planungen ergänzte er: "Wir geben zu viel Geld dafür aus, um Geld auszugeben."

Platten aus recyceltem Beton und auch andere Baustoffe wären schon jetzt für die Wiederverwendung auf dem Bau möglich.
Laut Axel Meyer von der Bremer Materialprüfanstalt für das Bauwesen sei es normtechnisch schon jetzt möglich, recycelten Beton bis zu einer bestimmten Festigkeit einzusetzen. Er sieht aber ein anderes Grundproblem: "Vor 100 Jahren wurde ein Haus aus zehn bis 15 verschiedenen Stoffen gebaut." Heute bestehe ein Neubau aus einer Vielzahl von Verbundstoffen – und das mache eine spätere Wiederverwendung umso schwerer. Die Strabag will das Problem mit ihrer Anlage angehen und die Baustoffe so sortieren, dass sie wiederverwendbar sind. Neben den Aufbereitungsanlagen sind hier auch Büros und Labore geplant. Auch eine Zusammenarbeit mit der Hochschule Bremen ist angedacht, um mehr über das Baustoffrecycling zu forschen.
Für die Strabag hat dieses Projekt am Bremer Ölhafen eine solche Bedeutung, dass einen Tag nach der Jahreshauptversammlung in Wien der Vorstandsvorsitzende Klemens Haselsteiner extra dafür nach Bremen gereist war – um preußisch-pünktlich die Bauministerin und den Abgeordneten Schmidt zu begrüßen. Der geladene Bremer Bürgerschaftsabgeordnete Falk Wagner (SPD) fehlte dagegen. Der bisherige Sprecher der Baudeputation und Kandidat für das Amt des künftigen Bausenators ließ sich auf den allerletzten Drücker krankheitsbedingt entschuldigen.