Eine Woche nach dem Schock für die 430 Mitarbeiter der Lloyd-Werft in Bremerhaven gibt es viele Fragen, aber nur wenige Antworten.
Warum will die malaysische Genting-Gruppe ihre Schiffe künftig komplett in Mecklenburg-Vorpommern bauen und nicht mehr in der Seestadt?
Ist vielleicht etwas zwischen Bremerhavener Werft-Vorstand und dem neuen Eigentümer vorgefallen? Rüdiger Pallentin, Vorstand der Lloyd-Werft, hielt sich nach einer Betriebsversammlung am vergangenen Freitag noch bedeckt. Nun sagte er dem WESER-KURIER, die Größe der Schiffe sei ausschlaggebend gewesen. "Das Bauprogramm ist einfach zu groß geworden", so der Lloyd-Werft-Chef.
Zuerst wollte die malaysische Firmengruppe nur vier luxuriöse Flusskreuzfahrtschiffe und eine Jacht der Crystal-Endeavor-Klasse bauen. Später folgten Aufträge für Riesen-Kreuzfahrtschiffe der sogenannten Global Class. Mit einer Bruttoraumzahl von 201.000 wären diese so groß, wie kein anderes Kreuzfahrtschiff, das bislang in Deutschland gebaut wurde. "Diese Schiffe passen nur auf dem Papier durch die Kaiserschleuse", sagt Pallentin.
Zuvor war im Gespräch, dass diese Schiffe in Mecklenburg-Vorpommern gebaut und in Bremerhaven ausgestattet werden sollen. Wegen der Größe der Schiffe hätte diese Ausrüstung bei der Lloyd-Werft laut Pallentin aber gar nicht stattfinden können. Daher habe sich die Genting-Gruppe dafür entschieden, alle Schiffe komplett bei dem ehemaligen Nordic-Yard-Werften in Mecklenburg-Vorpommern zu bauen.
Wirtschaftsprüfer untersuchen die Bücher
Daniel Müller, Betriebsratschef der Lloyd-Werft, glaubt nicht, dass allein die Größe der Schiffe für den Abzug der gesamten Aufträge verantwortlich sein kann. Schließlich könnten die kleineren Flusskreuzfahrtschiffe und Luxusjachten ohne Probleme die Schleuse in Bremerhaven passieren. "Die Lloyd-Werft ist aber komplett raus", sagt Müller. Er vermutet, dass noch etwas anderes vorgefallen sein muss.
Am Mittwoch hatte unter anderem Radio Bremen berichtet, dass derzeit Wirtschaftsprüfer bei der Lloyd-Werft in Bremerhaven die Bücher untersuchen. Hintergrund seien Probleme beim aktuellen Auftrag, dem Umbau des Errichterschiffs "Bold Tern". "Der Auftrag ist in der Abarbeitung teurer geworden als gedacht", sagte Pallentin. Die Wirtschaftsprüfer hätten nun den Auftrag, herauszufinden, wie es dazu kam.
Nach Informationen des WESER-KURIER soll sich der Bau um einen mittleren, einstelligen Millionenbetrag verteuert haben. Mehrere Medien berichteten, dass die Werft die Genting-Gruppe nicht über das Minusgeschäft informiert hat. Pallentin betont jedoch, der Verlust beim Umbau-Auftrag habe keinen Einfluss auf die Entscheidung von Genting gehabt. Vielmehr müsse man Genting als ein Ganzes sehen.
Die nun in MV-Werften umbenannten Nordic Yards seien derzeit ohne Arbeit. Sie bräuchten daher die Aufträge für die Flusskreuzfahrtschiffe und die Luxusjacht. "Wir als Reparatur- und Umbau-Werft können hingegen schneller neue Aufträge bekommen", so Pallentin.
Doch wie es weitergehen soll in Bremerhaven, das ist offenbar noch unklar. Noch bis September sind die Lloyd-Werft-Mitarbeiter mit dem aktuellen Auftrag beschäftigt. "Wir wollen nun, dass sich Genting entscheidet, was mit der Lloyd-Werft passieren soll", sagt Betriebsratschef Müller. "Ein Plan muss her." Denn die Ungewissheit, die derzeit herrsche, die sei das Schlimmste.