Zu 95 Prozent ist der Windpark White Pines in Kanada fertiggestellt. Im September sollte er ans Netz gehen, doch das Projekt des Bremer Windparkentwicklers und -betreibers WPD steht vor dem Aus. Mehr noch: Die neue Provinzregierung in Ontario will den Windpark sogar abreißen.
Dass White Pines beendet werden soll, hatte der neue Verbraucherschutzminister Todd Smith bereits vor zehn Tagen angekündigt. In dieser Woche folgte nun der entsprechende Gesetzesentwurf. Es sei unfassbar und weltweit einmalig, dass ein fast fertiggestellter Windpark aus politischen Gründen wieder abgerissen werden soll, sagt Hartmut Brösamle, Vorstand der WPD AG, zu dieser Entwicklung. Gegenüber der Deutschen-Presse-Agentur ergänzte er noch: "Wir hoffen darauf, dass sich die Vernunft durchsetzt und das Vertrauen in die Investitionssicherheit nicht zerstört wird."
Laut „Handelsblatt“ hatte die neue Provinzregierung in einer Pressemitteilung vom 10. Juli mitgeteilt, dass sie drei Punkten besondere Priorität in ihrer Arbeit beimäße. Einer davon sei es, das Windpark-Projekt White Pines von WPD abzublasen. Die neue Regierung, die am 7. Juni gewählt worden war, hatte im Wahlkampf zwar angekündigt, keine neuen Windparkprojekte mehr genehmigen zu wollen.
Dass aber auch Projekte betroffen sein würden, die bereits im Bau sind, stellte sich erst nach der Wahl heraus. Der Kanada-Chef von WPD sagte gegenüber regionalen Medien, die Steuerzahler müssten mit Kosten von mehr als 100 Millionen Kanadischen Dollar (65 Millionen Euro) rechnen. Die neue Regierung hatte sich Bürgerprotesten gegen Windparks angeschlossen, die den negativen Einfluss von Windparks auf das Landschaftsbild beklagen.
Diese Ankündigung kam für WPD völlig überraschend: „Das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit und in die Investitionssicherheit in Ontario würden mit Füßen getreten, sollte sich der abrupte Abbruch des Windparkprojekts bestätigen“, sagt Brösamle. Ein Baustopp ohne Vorwarnungen aus dem Ministerium hätte für alle Beteiligten massive wirtschaftliche Folgen. Betroffen wären neben der WPD-Gruppe auch der Windkraftanlagenhersteller Senvion sowie die finanzierenden Banken.
Verunsicherung für Investoren
Gemäß dem veröffentlichten Gesetzentwurf, stehen dem Bremer Unternehmen nach eigenen Angaben allerdings Kompensationszahlungen in Höhe der bereits getätigten Investitionen zu. Alle Windkraftanlagen sind bereits produziert, sämtliche Teile befinden sich auf der Baustelle beziehungsweise auf dem Weg nach Prince Edward County, der Windpark ist fast fertig errichtet. Anlagenlieferant ist der deutsche Hersteller Senvion, der unter anderem ein Produktionswerk in Bremerhaven hat.
Das Windparkprojekt White Pines, wurde laut WPD seit 2009 – neben einer Reihe weiterer zwischenzeitlich realisierter Windprojekte – gemäß den Vorgaben der Regierung in Ontario entwickelt. "Alle notwendigen Genehmigungen liegen vor und das Projekt befindet sich im letzten Bauabschnitt", heißt es. Die erste von insgesamt neun Windkraftanlagen und die Infrastruktur seien vollständig errichtet. Die Inbetriebnahme der Windkraftanlagen war für September geplant.
Bislang sei WPD davon ausgegangen, dass rechtmäßig erteilte und bestandskräftige Genehmigungen in Kanada auch bei einem Regierungswechsel Bestand hätten. Alles andere wäre ein fatales Signal für die gesamte Wirtschaft. Der Vertrauensschutz sei ein hohes Gut und werde sicherlich auch von der neuen Regierung nicht infrage gestellt. So hatte das Unternehmen noch auf den Rechtsstaat Kanada gehofft, bevor der neue Gesetzesentwurf der Provinzregierung präsentiert wurde.
Dabei belegt Kanada laut "Handelsblatt" im aktuellen Doing-Business-Index der Weltbank Platz 18 unter 190 Staaten. Das Land liege damit deutlich vor Deutschland, Österreich, Frankreich und der Schweiz. Der Index umschreibt die Bedingungen, unter denen Unternehmen in den jeweiligen Ländern Geschäfte betreiben können – von der Dauer von Genehmigungsverfahren über die Rechtssicherheit bis hin zu Regeln zum Schutz von Investoren.
„Das White-Pines-Projekt steht kurz vor der Fertigstellung, da ist bei einem Abriss der finanzielle Schaden bereits eingetreten, auch wenn die Bauarbeiten zeitnah eingestellt würden“, sagt Brösamle. Dies sei auch der Hintergrund, warum die Bauarbeiten fortgeführt werden. Ein Baustopp würde die Kosten nicht wesentlich verringern. Ein Windpark im Betrieb verursacht nur wenig Kosten, da die Betriebsführung automatisiert und weitgehend ohne Personal abläuft. "Vor diesem Hintergrund kann es volkswirtschaftlich niemals sinnvoll sein, einen fast fertiggestellten Windpark wieder abzureißen.“