Welchen Fortschritt macht die Elektrooffensive? Wie sehr belastet der Halbleitermangel die Produktion? Und wie fällt die Dividende aus? Die Zahlen und Ziele von Mercedes stehen im Fokus, wenn der Autokonzern zu seiner Bilanzvorstellung einlädt. In diesem Jahr stand allerdings auch hier alles unter einem anderen Stern.
Wegen des Angriffs Russlands auf die Ukraine zeigte sich Ola Källenius besorgt. "Ich denke vor allem an die Menschen", sagte der Vorstandsvorsitzende. Immer wieder war der Krieg am Donnerstagvormittag bei der Bilanzpräsentation ein Thema. Källenius erklärte: „Die Menschen kommen zuerst, dann alles Geschäftliche.“
Ums Geschäftliche sollte es dann aber im Wesentlichen doch gehen. Zusammen mit Finanzvorstand Harald Wilhelm konnte der Chef von Mercedes beeindruckende Ergebnisse vorstellen – trotz der Halbleiterknappheit. So lag das Konzernergebnis bei mehr als 23 Milliarden Euro und damit deutlich höher als im Vorjahr. Hier enthalten ist allerdings ein Sondereffekt von 9,2 Milliarden Euro aufgrund der Abspaltung der Nutzfahrzeugsparte. Källenius sprach auch wegen dieser Trennung von einem "Jahr des Umbruchs".
Mercedes konnte den Umsatz auf 168 Milliarden Euro leicht steigern. Hohe Preise bei Neu- und Gebrauchtwagen spielten dem Autohersteller aus Stuttgart hier unter anderem in die Karten, ebenso die Konzentration auf teurere Modelle. Klar ist, dass viel mehr Autos hätten verkauft werden können, wenn da nicht die Engpässe bei den Halbleitern wären. Man habe "nur deswegen" weniger Fahrzeuge abgesetzt, betonte Källenius,. So verkaufte Mercedes rund zwei Millionen Pkw.
Nachfrage wäre da gewesen. Im Moment müssen sich die Kunden gedulden. Das passt jedoch zur Luxusstrategie von Källenius: Wenn Autos von Mercedes sich rar machen, dann werden sie umso begehrlicher. Man wolle auf Wert und nicht Volumen setzen: "Wir sind letzten Endes ein Luxushersteller. Und die Begehrlichkeit geht einher mit Verknappung."
Die G-Klasse verglich der Vorstandschef gar mit der Birkin Bag der Designermarke Hermès. Auf die Taschen müssen Kunden ein paar Jahre warten. Im Fall der G-Klasse trifft das derzeit tatsächlich ebenfalls zu. An den Lieferzeiten will Mercedes arbeiten. Källenius sprach davon, dass es um die richtige Balance gehe, einen Markt nicht mit zu vielen Fahrzeugen zu überfluten und gleichzeitig die Geduld der Kunden nicht zu sehr zu strapazieren.
An die Aktionäre soll ein Betrag von 5,35 Milliarden Euro ausgeschüttet werden – so viel wie noch nie in der Unternehmensgeschichte, berichtet das "Handelsblatt". Vorstand und Aufsichtsrat schlagen der Hauptversammlung eine Dividende je Aktie von fünf Euro vor.
Ende des Monats sollen die Beschäftigten zudem eine Ergebnisbeteiligung von 6000 Euro erhalten. Viele Menschen hätten im vergangenen Jahr in schwierigen Zeiten einen guten Job gemacht, sagte der Bremer Betriebsratschef Michael Peters, auch die Belegschaft vor Ort. Immer wieder gab es hier Kurzarbeit, weil Teile für die Produktion fehlten. "Wir mussten das Werk von 0 auf 100 fahren", blickte Peters zurück. "Das ist eine riesige Anstrengung."
In diesem Jahr hat es noch keine Kurzarbeit in Bremen gegeben. "Toi, toi, toi", sagte Peters dazu. Der Halbleitermangel bleibt nach Einschätzung von Experten jedoch weiter ein Problem. Generell seien die Unsicherheiten wegen Corona und auch wegen des Konflikts in der Ukraine groß.
Im Sommer soll der EQE auf den Markt kommen, der in Bremen gebaut wird. Um welche Tasche es sich hier handelt? "Wir wollen selbstverständlich, dass alle unsere Autos Begehrlichkeit genießen. Das heißt, es gibt keine zwei Klassen", sagte Källenius auf Nachfrage. Die E-Klasse sei das "Herz des Mercedes-Portfolios". Die Markteinführung des EQE sei sehr wichtig.
Generell will Mercedes bei der Elektro-Offensive mehr Geschwindigkeit aufnehmen. Der Anteil der Stromer an der Gesamtflotte lag im vergangenen Jahr bei 35 bis 40 Prozent. Im Jahr 2025 soll er dann bei bis zu 50 Prozent liegen.
Der Vorstand von Mercedes hält sich mit genauen Prognosen zurück, will aber in diesem Jahr wieder mehr Autos verkaufen. Das hält auch Arbeitnehmervertreter Peters zur Sicherung der Beschäftigung für wichtig – auch für die Produktion in Sebaldsbrück. Im Jahr 2021 sind nach Angaben des Unternehmens in Bremen mehr als 215.000 Fahrzeuge vom Band gelaufen. Das ist weit weg von den Spitzenwerten vergangener Tage mit mehr als 400.000 Autos. Trotz der Lage, sagte Peters, habe man am Standort alle Leiharbeiter halten können.
Für die Autos braucht es natürlich Halbleiter. Und die könnten weiter rar sein. Zwar erwartet Mercedes eine Stabilisierung gegenüber dem Vorjahr, wie Vorstand Harald Wilhelm erklärte, eine klare Voraussage sei aktuell aber nicht möglich. "Gleichzeitig werden wir natürlich auch weiterhin ganz bewusst priorisieren im Hinblick auf unsere Top-End-Modelle und unsere E-Fahrzeuge." Mercedes sei bei den Chips noch tiefer in die Beschaffung eingestiegen, sagte Källenius. "Wir loten jetzt überall Beschaffungsquellen aus."