Mehr als 40 Leute sitzen an diesem Nachmittag in einem Stuhlkreis; sie kommen von verschiedenen Bremer Unternehmen und Institutionen. Was sie bei dieser Veranstaltung, einem sogenannten Barcamp, eint, ist die Suche nach Fachkräften. Sie beschäftigt eine große Frage: Wie kann man sie nach Bremen locken, trotz der Konkurrenz zu vergleichbaren und größeren Städten? Um die Antwort zu bekommen, müssen die Teilnehmer erstmal erkennen, was Bremen ausmacht – oder was Bremen nicht ist.
So berichtet ein Mitarbeiter eines großen Bremer Unternehmens: „Unseren Kollegen aus Süddeutschland fällt auf, dass sich die Bremer beim Schlangestehen im Supermarkt nicht unterhalten – bei ihnen sei das anders.“ Eine andere Teilnehmerin pflichtet als Bremerin bei: „Meine Mutter sagt auch: Fremde Menschen auf der Straße spricht man nicht an.“
Um herauszufinden, wie Fachkräfte ticken, ist auch Theresa Gröninger in einer der Arbeitsgruppen. Sie ist Marketingleiterin beim Bremer Inkasso-Familienunternehmen Seghorn. Gröninger selbst ist zugezogen: „Ich komme aus dem Münsterland und habe mich 2012 in diese Stadt verliebt." Seghorn ist auch auf der Suche nach Fachkräften und muss sich als Bremer Familienunternehmen im Konzert mit den großen Firmen für potenzielle Kandidaten interessant präsentieren.
Für ihre Workshopgruppe hat Gröninger zwei typische Personen entwickelt: Zum einen den IT-Absolventen aus einer anderen Großstadt, der sich momentan jeden Job aussuchen kann, und die junge Auszubildende aus dem Bremer Umland. Die Teilnehmer entwickeln Ideen dazu, wie man diese Personen ansprechen könnte. Eine Idee ist, zur Präsentation vor Hochschulen oder auf Jobmessen eine urige Kneipe aufzubauen, in der ITler von verschiedenen Bremer Unternehmen beim Bier erzählen, was die Vorzüge der Stadt sind.
Gute Erfahrung mit Mundpropaganda
In einer anderen Arbeitsgruppe berichteen Vertreter vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven, wie sie mit einem „Familien-Büro“ und einem internationalen Büro ihre Mitarbeiter unterstützen. Wenn es darum geht, zusätzliche Mitarbeiter zu gewinnen, haben sie gute Erfahrung mit Mundpropaganda der bestehenden Mitarbeiter gemacht. Ein anderer Workshop bespricht die Kita-Kampagne, mit der Bremen zusätzliche Erzieher für die Hansestadt gewinnen will.
Für Christiane Bodammer, die mehr als 20 Jahre Lehrerin an der Berufsbildenden Schule in Osterholz-Scharmbeck gearbeitet war, gibt es eine andere Möglichkeit, Bremen nach außen zu tragen: „Schüler und Auszubildende aus anderen EU-Ländern kommen für drei Wochen nach Bremen, um hier in einem Betrieb ein Praktikum zu machen. Ebenso gehen Azubis aus Bremen für drei Wochen in ein anderes Land. Gelder von der EU gibt es dafür, man muss sie nur beantragen.“ Allerdings hat Bodammer die Erfahrung gemacht, dass es nicht einfach sei, die Betriebe zu solchen Kurz-Praktika zu bewegen.
Kai Stührenberg, Referatsleiter beim Wirtschaftssenator für Innovation und Digitalisierung, sagt, was dabei herauskommen soll: „Am Ende wollen wir griffige Schlagworte haben, die beschreiben, was Bremen ausmacht, und die die Unternehmen so in ihre Stellenausschreibungen mit aufnehmen können. Es geht um die Bremen-DNA.“ Weitere Veranstaltungen sind geplant, damit sich möglichst viele aus Bremen einbringen können.
Im März will das Wirtschaftsressort dann seine Strategie vorstellen. Wirtschaftsstaatsrat Ekkehart Siering sagte diese Woche in der der Bremischen Bürgerschaft, dass es am Ende sechs Handlungsfelder geben soll. Der Antrag dazu sieht vor, dass der Senat jährlich in der Bürgerschaft einen Bericht dazu abgibt.
Das Barcamp liefert nach einen Nachmittag mit verschiedenen Workshops erste Ideen. Eine lautet: Die Bremer Unternehmen sollten auf der Suche nach Fachkräften auch nach außen hin stärker in Netzwerken agieren. Und auch wenn Bremen die Strategie entwickelt, müssen ebenso die Unternehmen die Initiative ergreifen. Was für Stührenberg klar ist: „Jungen Arbeitskräften von anderswo darf man nicht mit hanseatischer Tradition kommen. Das klingt altmodisch und schreckt ab. Wenn, dann muss man das irgendwie neu verpacken.“