Der Ausstieg soll kommen, da sind sich alle einig. In Bremen sogar schon 2023 und damit 15 Jahre früher als im Bund. Doch der Schritt weg von der Steinkohle – auch da sind sich alle einig – ist weder leicht noch günstig. Deswegen soll für betroffene Regionen rund eine Milliarde Euro als Strukturhilfe bereitgestellt werden. Bremen sieht nach aktuellem Stand davon aber keinen Cent, obwohl es in der Hansestadt drei Steinkohlekraftwerke gibt.
Die Betriebsräte von SWB und Onyx Power, also den Unternehmen, die die drei Steinkohlekraftwerke in Hastedt, im Hafen in Gröpelingen und in Farge betreiben, sind deswegen alarmiert. In einer gemeinsamen Erklärung schreiben sie, dass Bremen „abgehängt“ sei; eine sichere Versorgung und Arbeitsplätze sehen sie gefährdet. Die Strukturhilfe wäre wichtig gewesen, um Beschäftigte weiterzubilden und Investitionen in neue Technologien zu tätigen – um so Arbeitsplätze aber auch die Energieversorgung künftig abzusichern.
Unterstützt werden die Arbeitnehmer von Kristina Vogt (Linke), Bremens Wirtschaftssenatorin. „Dass Bremen als Standort von Steinkohlekraftwerken bei den Strukturhilfen von insgesamt mehr als einer Milliarde Euro nicht berücksichtigt werden soll, ist nicht nachvollziehbar und benachteiligt die Region maßgeblich“, teilt sie mit.
Wer wie viel Geld von den Strukturhilfen bekommt, hängt damit zusammen, welchen Anteil die Steinkohle an der Wirtschaftsleistung einer Region hat. Als Grenze haben Bundesregierung und Kohlekommission den Wert von 0,2 Prozent gewählt: Trägt die Steinkohle mehr zur regionalen Wertschöpfung bei, gibt es Strukturhilfen. Bremen verpasst die Grenze aber knapp.
Die drei Steinkohlekraftwerke machen nur 0,18 Prozent der bremischen Wirtschaftsleistung aus. Von deutschlandweit 44 Landkreisen und Städten mit solchen Kraftwerken, gehen neben der Hansestadt noch acht weitere leer aus, beispielsweise Kiel und Flensburg. Wilhelmshaven bekommt hingegen rund 150 Millionen Euro.
Peter Marrek, Konzernbetriebsratsvorsitzender der SWB, bereitet das Sorgen. „Wenn unsere Kraftwerke abgestellt werden, hat das massive Folgen für die Infrastruktur“, sagt er. Denn nicht nur Haushalte bräuchten Strom: auch große Unternehmen wie Daimler, Airbus oder das Stahlwerk von Arcelor-Mittal.
Über Leitungen würden zudem Tausende Wohnungen mit Fernwärme versorgt werden. „Es sind erhebliche Investitionen in klimaschonende alternative Technologien notwendig“, prophezeit Marrek. Der Arbeitnehmervertreter spricht von mindestens 60 Millionen Euro Strukturhilfen, die Bremen bräuchte, um den Kohleausstieg einigermaßen zu verkraften, Wirtschaftssenatorin Vogt sogar von einem dreistelligen Millionenbetrag.
Bis spätestens 2038 soll das letzte Kohlekraftwerk in Deutschland vom Netz gehen – in Bremen soll der Kohleausstieg hingegen schon bis 2023 gelingen. Das hatten SPD, Grüne und Linke vergangenes Jahr im Koalitionsvertrag beschlossen. Ein SWB-Sprecher nennt dieses Ziel am Montag „ambitioniert, aber nicht unerreichbar“. Mit finanzieller Unterstützung sei das Vorhaben allerdings einfacher umzusetzen. Der Sprecher weist zudem darauf hin, dass noch einige Sachen für den Ausstieg auf den Weg gebracht werden müssten – von Baugenehmigungen bis hin zur Weiterbildung der Mitarbeiter. Die Initiative der Betriebsräte begrüßte er.
Wirtschaftssenatorin Vogt sieht das Bremer Ausstiegsdatum bislang nicht gefährdet. „Klar ist, dass jede Unterstützung es uns leichter macht, das Ziel zu erreichen. Unabhängig davon benötigen wir aber zwingend Mittel vom Bund, um unsere Industrie vor Ort wie zum Beispiel die Stahlwerke bei der Transformation zu unterstützen“, sagt sie.
Laut Vogt hat sich das Land Bremen zuletzt mehrfach dafür eingesetzt, doch noch von den Strukturhilfen zu profitieren. Unter anderem habe es diverse Schreiben an das Wirtschaftsministerium in Berlin sowie mehrere persönliche Gespräche zum Thema gegeben. Ob sich an der Entscheidung aber noch rütteln lässt, ist unklar: Bereits vergangene Woche hatte das Bundeskabinett ein Gesetz auf den Weg gebracht, um den Kohleausstieg zu regeln.
Entschädigungen für Steinkohlekraftwerke
Kritik daran kommt allerdings nicht nur aus Bremen. Auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) fordert Nachbesserungen beim Gesetz zum Kohleausstieg für Betreiber von Steinkohlekraftwerken. Ein VKU-Sprecher sagte am Montag, die Regelungen des Gesetzentwurfs hätten erhebliche Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit bei Wärme wie Strom. Diese würden enormen wirtschaftlichen Schaden vor allem bei kommunalen Kraftwerksbetreibern und bei ihren kommunalen Eignern anrichten. Der VKU und andere Verbände treffen sich an diesem Dienstag mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), um nochmals über die Entschädigungen für Steinkohlekraftwerke zu sprechen.
„Dieses Kohlegesetz ist ein Verrat an der Kohlekommission, den Steuerzahlerinnen, den Tagebauregionen und der nächsten Generation“, sagte Greenpeace-Chef Martin Kaiser. Er war Mitglied der Kommission, in der unter anderem Wirtschaft und Gewerkschaften, Wissenschaftler und Umweltverbände vertreten waren. Grundsätzlich halten Verbände wie BUND, Nabu, WWF und Greenpeace einen früheren Kohleausstieg für notwendig: etwa bis 2030.