Bremen. Heute wird im Wilhelm-Wagenfeld-Haus zum ersten Mal der Bremer Designpreis verliehen. Er soll für den Designstandort Bremen werben, und der erste Anlauf scheint vielversprechend.
Aus über 60 bundesweiten Bewerbungen zum Thema Einzelhandelskonzepte hat die Jury drei Kandidaten nominiert: einen Sexshop, einen Supermarkt und eine Bäckerei. Einzelhandel und Design, die Kombination drängt sich nicht unbedingt auf. Für Wiltraud Steenken aber sehr wohl: "Design ist für den Einzelhandel ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor geworden", sagt die Geschäftsführende Gesellschafterin der Steenken-Gruppe aus Münster. Die Steenken-Gruppe, die den Weserpark errichtet hat und mit einem Partner betreibt, hat den mit 20000 Euro dotierten Preis gestiftet.
Ein glückliches Zusammentreffen für Kai Stührenberg, den Leiter der Innovationsmanager der Wirtschaftsförderung Bremen (WFB) und damit auch zuständig für den Bereich Design. Stührenberg trägt sich schon lange mit dem Plan eines solchen Preises. Aber um überregional Wellen zu schlagen, muss ein Wettbewerb ein entsprechendes Renommee haben. Da kam die Initiative der Steenken-Gruppe gerade recht, denn ohne Sponsor aus der Wirtschaft hätte die Idee nicht realisiert werden können.
Aber Geld allein reicht nicht, man braucht auch eine respektable Jury. Darin sitzt zwar mit der Architektin Anja Steenken auch die Tochter der Stifterin. Aber schon die Auswahl der drei Nominierten zeigt, dass hier nicht interessengebunden sortiert wurde, denn damit wäre ein solcher Preis tot, weiß Stührenberg. Zur Jury gehören also weiter Katja Born von der Hamburger Innenarchitektur-Agentur Being Born Building Brands, die sich auf Ladenkonzepte spezialisiert hat, Lars Quadejacob, Chefredakteur des design report, Detlef Rahe vom Institut für integriertes Design (i/i/d), Ulrike Tiemann vom Laden- und Messebauspezialisten Cronauer+Romani aus Bensheim und Klaus Neubauer von der Bremer Besteckmanufaktur Koch&Bergfeld. Eine gewollte Mischung aus Bremern und Auswärtigen sowie den beteiligten Fachdisziplinen.
Eine große Spannbreite zeigen auch die drei nominierten Konzepte: ein Laden für Sexspielzeug, ein Supermarkt und ein Konzept für Bäckerei-Filialen.
Vorspiel, Nachspiel
Die Fun Factory hat das Konzept für ihren Flagshipstore in Berlin von der New Yorker Agentur Karim Rashid realisieren lassen. Herausgekommen ist ein Haus, dessen Aufbau dem Konzept des klassischen Liebesspiels folgt. Im Erdgeschoss beginnt das Vorspiel mit Produkten zur Körperpflege und erotischer Wäsche, über eine Treppe geht es in die erste Etage, wo es mit Sexspielzeug und erotischer Literatur schon etwas mehr zur Sache geht. Der Lounge-Bereich bietet dann Raum für den Kaffee "danach". Alle Produkte werden auf organisch gestalteten und beleuchteten Displays präsentiert, die eigens für die Fun Factory entwickelt wurden. Damit werde der Erotikshop endgültig aus der Schmuddelecke geholt, sagt Jurymitglied Rahe. "Eine echte Innovation für die Branche." Wenn der Vorzeigeladen in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte gut angenommen wird, sollen weitere in anderen Metropolen folgen.
Auf einen ganz anderen Markt zielt das neue Filialkonzept der Bäckerei und Konditorei Hug in Luzern, die sich mit der Esslinger Agentur Marken(t)räume zusammengetan hat. Die 1877 gegründete Schweizer Bäckerei wird bereits in fünfter Generation von der Familie Hug geführt. Viel Tradition also, aber auch der Wunsch, die Unternehmenswerte in ein zukunftsfähiges Filialkonzept zu übersetzen. Von der Außenfassade über Beleuchtung, Möbel und Bodenbeläge bis hin zu Brotkörben, Verpackungen und Preisschildern wurde ein völlig neues Erscheinungsbild entwickelt. Materialien wie Eichenholz, Naturstein und Loden betonen die Tradition, wirken aber durch das schlichte Design und die Farbgebung modern und edel. Auch hier wird offensichtlich Neuland betreten.
Der dritte Nominierte kommt wieder aus der Region: der Supermarkt aktiv&Irma aus Hude hat sich von der Oldenburger Agentur Ideendirektoren&9 architecture ein neues Konzept verpassen lassen, das mutig mit üblichen Vorstellungen von (deutschen) Supermärkten aufräumt. Das Gebäude nimmt zwar den ortsüblichen Klinker auf, gibt sich in der Gestaltung aber betont modern, mit großer Glasfront und breiter Öffnung zu den Kunden hin. Drinnen ist es ungewohnt großzügig und geräumig, mit skulpturalen Theken und Vitrinen in den Leitfarben weiß und orange. Da wirkt nichts billig oder gedankenlos.
Hoffen auf mehr
Wer von den drei Nominierten schließlich den Preis bekommt, stellt sich erst heute Abend heraus. Für die Veranstalter, die WFB, die Gruppe für Produktgestaltung und die Steenken-Gruppe, hat sich der Aufwand aber bereits gelohnt, durch die bundesweite Beteiligung an der Ausschreibung und den hochwertigen Einsendungen. In der Tradition von Bauhaus-Designer Wilhelm Wagenfeld liegt der Schwerpunkt der Designförderung in Bremen auf der Verbindung zwischen Kreativen und Industrie beziehungsweise Dienstleistern. Das sei mit dem Wettbewerb gut gelungen, sagt Kai Stührenberg: "Die nominierten Konzepte verdeutlichen, wie wirtschaftliche Erfolge durch intelligentes Design und kreative Dienstleistungen in enger Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber erzielt werden können." Auch Designprofessor Rahe sieht in diesem ersten Erfolg ein gutes Signal für die Branche in Bremen, aber auch für die überregionale bundesweite Wahrnehmung des Standortes, "darauf darf man sich aber nicht ausruhen. Wir brauchen Kontinuität", sagt er.
Unter Klaus Berthold als Leiter des Bremer Designzentrums hatte es schon einmal einen Bremer Designpreis gegeben, eine ständige Einrichtung wurde daraus nicht. Diesmal stehen die Chancen besser: Wiltraud Steenken hat sich bereit erklärt, viermal im Abstand von zwei Jahren das Preisgeld zu stiften, dann jeweils mit dem Schwerpunkt innovative Einzelhandelskonzepte. Kai Stührenberg hofft, dass sich Sponsoren für weitere Schwerpunkte finden und der Bremer Designpreis jährlich vergeben werden kann.
Der Bremer Designpreis wird heute ab 17 Uhr im Wilhelm-Wagenfeld-Haus verliehen.