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Gewächshaus in der Antarktis Welches Fazit ein Bremer Forscherteam nach vier Jahren Anbau zieht

Tomaten auf dem Mond und auf dem Mars: Damit das für die künftigen Missionen möglich ist, hat ein Bremer DLR-Forscherteam vier Jahre Gemüse in einem Gewächshaus in der Antarktis angebaut – hier das Ernte-Fazit.
20.09.2023, 14:40 Uhr
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Welches Fazit ein Bremer Forscherteam nach vier Jahren Anbau zieht
Von Florian Schwiegershausen

Am besten wächst der Salat in der Antarktis. Das ist eine der Erkenntnisse, die das Bremer DLR-Forscherteam von ihrem Gewächshaus-Projekt in der Antarktis mitnimmt. Am Mittwoch hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt im Bremer Technologiepark seine Ergebnisse vorgestellt. Mitten im ewigen Eis testeten sie über vier Jahre den Anbau von Gemüse in zwei extra dafür hergerichteten Standardcontainern – 400 Meter entfernt von der Station Neumayer-III des Alfred-Wegener-Instituts (AWI). Durch dieses Projekt konnten die Forscher in der Station regelmäßig auch frische Tomaten, Gurken, Kohlrabi oder Paprika essen. Die Nasa-Pflanzenwissenschaftlerin Jess Bunchek war 2021 vor Ort und konnte mehr als eine Tonne Gemüse ernten. Sie sagt: "Der Vorteil von Salat ist aber auch, dass er innerhalb von vier bis sechs Wochen ausgewachsen ist."

Bunchek schaffte es sogar zum ersten Mal, Bohnen anzubauen und ein Kilo davon zu ernten. Was dagegen erfolglos blieb, war der Anbau von Erdbeeren. Das hatte 2018 ihr Vorgänger Paul Zabel probiert und stellt fest: "Die Pflanzen hatten zwar schöne Blüten, aber trotz des künstlichen Bestäubens mit dem Pinsel wuchsen keine Früchte."

Draußen minus 40 Grad, drinnen 23 Grad

Während es draußen im antarktischen Winter in neun Wochen Dunkelheit schnell unter minus 40 Grad gehen kann, waren im Inneren des Gewächshauses immer Temperaturen zwischen 18 und 23 Grad.

Die zwei Containermodule, die nun wieder zurück in Bremen sind, fungierten als geschlossenes System, in dem der Gemüseanbau nach Möglichkeit in einem Kreislauf erfolgen sollte. Eine ausgeklügelte Technik versorgt die Pflanzen dort mit Licht, Wärme, Dünger und Nährstoffen. Durch den entsprechenden Einsatz von Licht und Nährstoffen konnten die Forscher auch Einfluss auf den Geschmack des Gemüses nehmen.

Da es verboten ist, Erde in die Antarktis mitzunehmen, wachsen die Pflanzen in Nährlösungen auf. Im Bremer DLR nahe dem Fallturm wurde das Gemüse per Kamera beobachtet, außerdem wurden alle möglichen Daten zu Licht, Nährstoffen und Temperatur gesammelt. "Um all diese Daten auszuwerten, brauchen wir noch Jahre", sagt DLR-Projektleiter Daniel Schubert.

Positiver Einfluss der Pflanzen auf die Crew

Mit diesem Großversuch namens "Eden ISS" wollen das DLR-Institut für Raumfahrtsysteme in Bremen und die US-Raumfahrtagentur Nasa herausfinden, ob und wie sich vitaminreiche Kost an Orten züchten lässt, wo sonst nichts wächst. Zum Beispiel auf dem Mars. „Dort hätten wir ähnliche Bedingungen wie in der Antarktis“, erläutert Schubert. Ebenso besteht die Crew des Alfred-Wegener-Instituts für den antarktischen Winter aus höchstens zehn Mitgliedern. Dies ähnelt ebenso der Größe einer künftigen Mond- oder Marsmission, bei der man von sechs Astronauten ausgeht.

Doch bei den Pflanzen geht es nicht nur um Ernährung, wie Nasa-Forscherin Buchnek am Mittwoch in Bremen erläuterte: "Es nimmt auch positiven Einfluss auf die Menschen, wenn sie die Pflanzen sehen, berühren, riechen und essen." Dies soll bei einer möglichen Marsmission, bei dem allein der Flug zu dem Planeten gut neun Monate dauert, ebenso dazu beitragen, die Psyche der Astronauten in der Enge des Raumschiffs zu stabilisieren.

Projektleiter Daniel Schubert hat bereits angekündigt, dass das Gewächshaus Eden spätestens in drei Jahren Teil der Mondsimulation "Luna" auf einem Gelände der DLR-Zentrale in Köln-Porz werden soll. Doch schon jetzt ist klar: Die Überwachung von Eden übernimmt dann auch weiterhin das Bremer DLR. Die Bremer wollen in das Modul außerdem zwei Roboterarme einbauen, die beim Ernten helfen, oder auch mal vertrocknete Blätter abzupfen. Denn was die Astronauten nicht an Zeit in die Pflanzen stecken müssen, bleibt für die restlichen Aufgaben an Bord.

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Auch das Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven hat für seine Neumayer-Station Gefallen an dem frischen Gemüse gefunden. Zusammen mit dem DLR basteln sie an einem Entwurf, wie in Zukunft Pflanzwände den Aufenthaltsraum verschönern könnten, in dem man mal ein Buch liest. AWI-Koordinator Tim Heitland sagt: "Ich habe bereits Anfragen von künftigen Antarktis-Teams erhalten, ob es denn auch wieder frisches Gemüse gibt."

Antarktis-Tomaten für heimischen Balkon

Da das DLR mit ganz vielen verschiedenen Samen von Pflanzen operiert hat, können die Erkenntnisse darüber durchaus auch relevant sein für den Gemüseanbau an Boden. Paul Zabel sagt: "Da muss man aber sehen, dass der kommerzielle Gemüseanbau andere Interessen hat als unsere." In der Antarktis ging es darum, an möglichst kleinen Pflanzen viele Erträge zu haben. Zumindest nutzt Zabel die Erkenntnisse selbst für seinen eigenen Balkon: "Da habe ich die gleichen Tomatenpflanzen angebaut, wie ich sie auch in der Antarktis hatte." Denn da habe ich auch keinen Platz für Tomaten, die drei Meter hochwachsen.

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