Pro Monat 935 Euro – so viel muss Wirt Fernando Guerrero zahlen, damit er Fußballspiele in seiner Kneipe zeigen darf. Das war auch im Juli der Fall – während der Sommerpause, als nicht eine einzige Partie der Bundesliga oder im DFB-Pokal gespielt wurde. Guerrero betreibt das Eisen im Viertel und hat diesen Umstand auf X, damals noch Twitter, öffentlich gemacht. Angesprochen hat er dabei die beiden Anbieter Sky und Dazn, denn diese teilen sich die Übertragungsrechte für die Bundesliga: Die Freitags- und Sonntagsspiele laufen auf Dazn, die Sonnabendspiele auf Sky.
Bundesliga-Bilder kosten Bremer Wirt fünfstelligen Betrag pro Jahr
Guerrero ist nicht der einzige Wirt, der solche Preise zahlen muss: „Für das ganze Jahr sprechen wir von einem fünfstelligen Betrag“, sagt Kim Döhling vom Taubenschlag. Bei einer Mindestlaufzeit von zwölf Monaten kostet das Dazn-Abo für Kneipen 399 Euro im Monat, so ein Unternehmenssprecher des Streaming-Anbieters. Während dieser Tarif fest ist, sei die Zusammenarbeit mit Sky kooperativer und flexibler: „Ähnlich wie bei einem Handyvertrag kann man bei Sky die Konditionen nach einer Kündigung neu besprechen“, sagt Döhling. Die Kosten für Sky sind für Kneipen unterschiedlich und ergeben sich aus verschiedenen Faktoren, wie zum Beispiel der Ladengröße oder der Lage der Bar.
Die Idee der Fußballkneipe: Besucherinnen und Besucher freuen sich sonnabends ab 15.30 Uhr auf die Spiele der Bundesliga. Bestenfalls holt Werder auswärts einen Sieg. Im Anschluss ausgelassene Stimmung und ausgiebiges Trinken, drei Punkte für Werder und für den Wirt viele Einnahmen in der Kasse. Dem ist aber nicht so: „Wenn es gut läuft, komme ich damit bei plus/minus null raus“, sagt Kim Döhling. Zwar würden zu den Auswärtsspielen viele Menschen in seine Kneipe kommen, die hohen Preise, die er an Sky und Dazn zahlen muss, verschlängen aber einen Großteil der Einnahmen. „Das ist ein Dienst, den wir für unsere Kunden machen“, sagt der 41-Jährige.
Immer mehr Kneipen verzichten auf Bundesliga-Übertragungen
Laut Thorsten Lieder, Geschäftsführer der Bremer Gastro Gemeinschaft, sind die hohen Preise von Sky und Dazn schon seit längerem Thema: „Früher war das ein lohnendes Geschäft, besonders für die kleinen Eckkneipen.“ Heute sei dem nicht mehr so, im Gegenteil: Es gebe immer mehr Kneipen, die aufhörten, Fußball zu zeigen. Und für die Zukunft prognostiziert Lieder keine Besserung: „Das wird Schule machen und dann können sich das nur noch die großen Bars leisten.“ Für die kleinen Geschäfte seien die Preise immer schwieriger zu zahlen, ein weiteres Kreuz für die Gastronomie, die sich seit Corona noch nicht erholt habe.

Der Pub Bonanza von Jock Cunningham hat eine Fläche von 26 Quadratmetern. Deshalb muss er für Dazn etwas weniger zahlen.
Wie viele Kneipen derzeit die Spiele über Sky und Dazn zeigen, wollten die beiden Anbieter auf Anfrage nicht mitteilen. Lisa Rothneiger von Sky teilte aber mit, dass durch die Corona-Pandemie auch die Zahl an Lokalen zurückgegangen ist, die Sky zeigen. Das treffe besonders auf die getränkelastige Gastronomie zu.
Jock Cunningham betreibt das Bonanza in Peterswerder. Da sein Laden eine Fläche von weniger als 35 Quadratmetern bietet, sei es für ihn etwas günstiger. Für seinen 26 Quadratmeter großen Pub liege der Preis zwischen 600 und 700 Euro. 199 Euro gehen davon an Dazn, für Läden mit einer Fläche ab 35 Quadratmetern müssen Wirte monatlich 399 Euro für ein ganzes Jahr zahlen.
Er wünscht sich mehr Fingerspitzengefühl bei der Preisgestaltung: „Es ist schon ein Schritt, dass ich weniger zahle als große Geschäfte, aber da geht noch mehr.“ Auch Kim Döhling vom Taubenschlag beklagt die fehlende Differenzierung: „Für Dazn zahlen Läden das Gleiche, egal, ob das im Taubenschlag gezeigt wird oder in der gesamten ÖVB-Arena.“ Neben den Kategorien weniger und mehr als 35 Quadratmeter Lokalfläche gibt es noch die Kategorie Vereinsheime. Diese müssen für Dazn laut Unternehmenssprecher 150 Euro im Monat für den Service bezahlen.
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Kleine Kneipen im Vorteil
Doch auch für die kommende Saison hat sich Cunningham dazu entschieden, Fußball zu zeigen. Kleine Läden hießen auch weniger Publikum und daher weniger Umsatz – das Bier mache er aber deshalb nicht teurer. Ein Vorteil der kleinen Gastronomien: Diese könnten mit einer Frist von drei Monaten kündigen, die großen könnten das nicht. So will Cunningham im kommenden Jahr verhindern, dass er in den Monaten der Sommerpause dennoch für die Abos zahlen muss.

Heinke Schnick betreibt die Kneipe Fluss-Hexe. Sie zeigt Fußball nicht mehr über Dazn.
Heinke Schnick zeigt in ihrer Kneipe Fluss-Hexe die Spiele der ersten und zweiten Liga – künftig aber nur noch die Sonnabendpartien. Denn für die kommende Saison hat sie sich dagegen entschieden, Fußball über Dazn zu zeigen. Das sei für sie betriebswirtschaftlich nicht mehr darstellbar, denn an den Anbieter musste sie im vergangenen Jahr fast 6000 Euro überweisen – „wovon soll ich das bezahlen?“ Mit den Gästen hat sie über die Preise und ihre Entscheidung gesprochen: „Ein, zwei sind sicherlich enttäuscht, aber von den meisten ist Verständnis für die Situation da.“ Damit sie die 1100 Euro Lizenzgebühren im Monat wieder erwirtschafte, würde sie Gäste brauchen, für die sie nicht genug Plätze habe, sagt Heinke Schnick.
Zwar hat Dazn auch in der vergangenen Saison viele Spiele der Champions League übertragen, diese habe aber an Zugkraft verloren. Dienstags, eigentlich Schnicks Ruhetag, hat sie ihren Laden dennoch geöffnet für die Champions-League-Spiele, „aber dafür kommen nicht mehr viele Menschen, das war früher anders“. Obwohl einige ihrer Gäste Sky oder Dazn privat schauen könnten, kämen sie in ihr Lokal in der Neustadt: „Das Gefühl in der Kneipe ist einfach ein anderes.“ Nicht nur deshalb sei ihr die Entscheidung nicht leicht gefallen, denn wenn Bremen künftig an einem Freitag oder Sonntag spielt, verpasst auch sie als Werder-Fan die Spiele.
1,4 Millionen Menschen haben Fernando Guerreros Post auf Twitter, heute X, gesehen, mehr als 10.000 Menschen gefällt der Beitrag. Dabei regte sich Guerrero nicht nur über die Preise auf, sondern auch über die Vermarktung des ganzen Sports: „Der moderne Fußball macht uns Fans den emotionalen Bezug schwierig“, sagt er. Die Entwicklung der Liga zeige, wie groß die Unterschiede zwischen den Vereinen werden: Wenn am Freitag Werder gegen Bayern spielt, sei das ein anderes Duell als noch vor 15 oder 20 Jahren. Damit zielt er auf die zunehmende Kommerzialisierung des Fußballs ab, wodurch sich die Fans nicht mehr so abgeholt fühlten, wie es noch früher der Fall war: „Dass wir nun ein Plastikprodukt bekommen, nehme ich denen schon übel.“
Denen – das sind vor allem die Organisationen des großen Fußball-Geschäftes wie Fifa und UEFA. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) nimmt durch den Verkauf der Übertragungsrechte derzeit jährlich 1,1 Milliarden Euro ein. Für die Fußballklubs in Deutschland ist die mediale Verwertung die Haupteinnahmequelle. Auch wenn Guerrero die Preisgestaltung ärgert und die Kosten für die Übertragung nicht zu refinanzieren seien, möchte er weiterhin Fußball in seiner Kneipe zeigen: „Gemeinsam zu leiden, auch das gehört zum Fußball dazu.“