Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Gewerbesteuererhöhung Bremer Kleinbetriebe tragen große Last

Bürgermeister Sieling hat heruntergerechnet, was Betriebe monatlich mehr an Gewerbesteuer zahlen. Bei einigen davon können 500 Meter darüber entscheiden, ob sie 2100 Euro mehr oder weniger zahlen.
12.09.2017, 21:22 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Bremer Kleinbetriebe tragen große Last
Von Florian Schwiegershausen

Die Erhöhung der Gewerbesteuer und ihre Auswirkungen – dieses Thema bewegt die Unternehmer in Bremen weiterhin stark. Der Senat brachte sie am Dienstag mit der Verabschiedung des Doppelhaushalts auf den Weg. Zuvor hatte Bürgermeister Carsten Sieling vorgerechnet: „Wer einen Gewerbeertrag von 100.000 Euro im Jahr hat, auf den kommt eine monatliche Mehrbelastung von 29 Euro zu.“ Auf das Jahr umgerechnet wären dies 348 Euro. Das betrifft Kapitalgesellschaften wie beispielsweise Aktiengesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH). Was in dieser Rechnung klein klingt, macht den Betrieben allerdings zu schaffen.

Fördermittel für Jobs in Niedersachsen

Betroffen davon ist auch Kai Schulz. Er ist Geschäftsführer des Sanitärbetriebs Warneke & Schulz Bad & Heizung GmbH & Co. KG. Gleichzeitig ist er auch Obermeister in der Innung. Dazu sagt er: „Da muss man als Unternehmer schon sehr loyal sein gegenüber Bremen, um das mitzumachen.“ Schulz hat seinen Betrieb in Bremen-Arsten. Wäre er 500 Meter weiter südöstlich, befände er sich in Dreye und damit in Niedersachsen. Diese 500 Meter entscheiden nach der Erhöhung der Gewerbesteuer darüber, ob ein Betrieb mit 100.000 Euro Jahresgewinn 700 Euro mehr oder weniger hat. Denn in Dreye liegt der sogenannte Hebesatz bei 450, in Bremen demnächst dann bei 470. Diese Zahl dient als Multiplikator, um die Gewerbesteuer zu berechnen. Wenn ein Betrieb als GmbH im südlichen Arbergen wäre, würden 500 Meter sogar darüber entscheiden, ob jemand bei der gleichen Höhe an Jahresgewinn 2100 Euro mehr oder weniger hat. Denn nebenan in Achim liegt der Hebesatz bei 410.

Lesen Sie auch

„Als Obermeister in der Bremer Innung möchte ich meine Kollegen auch nicht im Stich lassen“, sagt Schulz. Aber es sei eben nicht nur die Gewerbesteuer: „Niedersachsen bietet einem bessere Möglichkeiten. Dort gibt es kleinere Gewerbeparzellen, die man kaufen kann. Außerdem erhalten sie dort Fördermittel für jeden Arbeitsplatz, den sie schaffen. Wäre das vor zwei Jahren Thema gewesen, als ich mit meinem Betrieb von der Neustadt nach Arsten gezogen bin, hätte ich mir damals ernsthaft Gedanken gemacht.“ Für ihn sei das Geld, das er woanders einsparen müsse: „Gerade die kleinen und mittleren Unternehmen müssen es schultern. Gleichzeitig leben von unserem Betrieb mit seinen 17 Mitarbeitern acht Familien und die Azubis.“ Auf der anderen Seite steht Schulz in Konkurrenz zu Betrieben, die sich auf der niedersächsischen Seite befinden.

300 Euro mehr

Aus einer Senatsvorlage heißt es weiter, dass der Freibetrag kleine Unternehmen bei der Gewerbesteuer schütze. Das bedeutet: Oberhalb eines Ertrags von 24.500 Euro beginnt der Einzelunternehmer, Steuern zu zahlen. So rechnet es auch Manuel Kerber vor. Er ist Steuerfachangestellter in der Bilanzabteilung der Oldenburger Kanzlei Voss Schnitger Steenken Bünger & Partner, die auch ein Büro in Bremen-Habenhausen hat. Kerber sagt: "Hat ein Einzelunternehmer einen Ertrag von 100.000 Euro, wird der Freibetrag in Höhe von 24.500 Euro abgezogen. Dann haben Sie den gekürzten Gewerbeertrag. Den multiplizieren Sie mit 3,5 Prozent und dann wiederum mit dem Hebesatz. Liegt der bei 460, zahlt der Unternehmer 12.155 Euro Gewerbesteuer. Liegt der Hebesatz bei 470, zahlt er 12.419 Euro. Das sind also knapp 300 Euro mehr."

In der Summe will das Land Bremen mit der Anhebung der Gewerbesteuer auf neun Millionen Euro Mehreinnahmen pro Jahr kommen. „Das ist Geld, das der Bremer Wirtschaft entzogen wird, und auch Kleinunternehmen machen solche Summen schon etwas aus“, sagt Friso Schlitte, bei der Handelskammer Bremen zuständig für Standortpolitik. Die Erhöhung der Gewerbesteuer wirke dabei zusätzlich zu allen anderen Standortfaktoren. „Das hat auch eine psychologische Signalwirkung auf Unternehmen außerhalb Bremens“, so Schlitte.

In der Tat sind es die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die die große Last tragen von den neun Millionen Euro. Zu ihnen zählen in Bremen laut dem letzten Mittelstandsbericht mehr als 22 000 Unternehmen. Das entspricht etwa 99 Prozent aller Firmen im kleinsten Bundesland. 2011 erwirtschafteten die Mittelständler mit einem Gesamtumsatz von 64,9 Milliarden Euro 35 Prozent aller Umsätze der bremischen Wirtschaft.

Warum reichen die Steuereinnahmen nicht aus?

„Man hat sich fast schon daran gewöhnt, dass wir immer mehr zahlen müssen“, sagt Herbert Dohrmann, Obermeister der Bremer Fleischer-Innung, der vier Geschäfte in Bremen-Nord und eins in der Vahr an der Berliner Freiheit betreibt. Für ihn liegen die Folgen der höheren Steuer auf der Hand: „Es wird weniger investiert, und wir gucken auch, wo wir sparen können. Denn wir brauchen das Geld. Und die Kollegen im niedersächsischen Umland haben nicht so hohe Steuersätze.“ Gleichzeitig verweist der Unternehmer und Chef von 70 Mitarbeitern darauf, dass wegen der guten Konjunktur die Steuereinnahmen in den letzten Jahren grundsätzlich gestiegen seien. „Warum reicht das nicht aus?“, will Innungsmeister Dohrmann wissen.

Jörg Kastendiek, wirtschaftspolitischer Sprecher der Bremer CDU-Fraktion, hält Fälle wie Dohrmann für exemplarisch. „Gerade solche Leute trifft es, die eine hohe Verbundenheit in den Standort haben und auch investieren – hier speziell in Bremen-Nord.“ Es fehle dem Senat an Selbstreflexion, so Kastendieks Kritik. „Von außen entsteht der Eindruck, dass der Senat denkt: Die Unternehmen kann ich schröpfen.“ Dies sei eine verfehlte Steuerpolitik. „Wenn man außerdem nicht genügend Gewerbeflächen zur Verfügung stellt und auch noch die Bremer Wirtschaftsförderung zerschlägt, dann sind das völlig falsche Impulse.“

Bürgermeister Sieling hat mehrmals betont, er habe sich die Entscheidung zur Erhöhung der Gewerbesteuer nicht leicht gemacht: „Deshalb soll der Hebesatz in zwei Jahren wieder zurück auf 460.“ Damit solle die Zeit überbrückt werden, bis die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs Bremen ab 2020 wieder mehr Spielraum gebe.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)