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Zentrale im Industriehafen Bremer Logistikunternehmen ist Spezialist für Flüssiges

Das Bremer Logistikunternehmen Leschaco bewegt Tankcontainer über die Weltmeere. In den vergangenen Jahren ist die Firma kräftig gewachsen – auch dank der Bereiche Seefracht, Luftfracht und Kontraktlogistik.
16.01.2017, 00:00 Uhr
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Bremer Logistikunternehmen ist Spezialist für Flüssiges
Von Maren Beneke

Das Bremer Logistikunternehmen Leschaco bewegt Tankcontainer über die Weltmeere. In den vergangenen Jahren ist die Firma kräftig gewachsen – auch dank der Bereiche Seefracht, Luftfracht und Kontraktlogistik.

Das Bild im Büro von Jörg Conrad zeigt eine Ansicht von New York, die es so nicht mehr gibt: den Hudson-River, den Battery-Park und das World Trade Center. Es ist die Aussicht von Conrads ehemaliger Arbeitsstätte, die hier festgehalten wurde. Einst arbeitete der Inhaber von Lexzau, Scharbau – kurz Leschaco – in der US-amerikanischen Metropole für den Bremer Logistiker. Mittlerweile hat er das große New York gegen die kleine Hansestadt eingetauscht, das winzige Büro gegen die fünfstöckige Firmenzentrale.

Für die Firma, die ihren Sitz im Industriehafen hat, läuft es offenbar gut. Denn Leschaco wächst. Das zeigt sich nicht nur in den Bilanzen, sondern auch anhand der Expansion am Standort. Geht alles nach Plan, dann werden demnächst die Verträge für eine 160.000 Quadratmeter große Fläche im Bremer Industriepark unterzeichnet. Hier möchte Conrad eine 30.000 Quadratmeter große Lagerhalle bauen. Schon jetzt gibt es rund um das Hauptgebäude im Industriehafen Lagerflächen, ein Teil davon untervermietet. Geht es nach Conrad, dann werden diese Flächen bald wieder frei. „Wir brauchen den Platz“, sagt er.

Dass Conrad an der Spitze des Unternehmens steht, dafür musste er hart an sich arbeiten. Als Folge einer Mittelohrentzündung kann der 63-Jährige nur wenig hören, lernte spät sprechen. Er besuchte eine Gehörlosenschule und hatte damit nicht die einfachsten Startbedingungen. Conrad gelang es, einen Ausbildungsplatz bei der Bremer Landesbank zu bekommen.

Conrad sammelte viel Erfahrung im Ausland

Nach der erfolgreichen Prüfung zum Bankkaufmann arbeitete er für ein Verpackungsunternehmen und studierte an der Deutschen Außenhandels- und Verkehrs-Akademie (DAV). Schließlich ging es für Conrad im Auftrag der väterlichen Firma Leschaco zunächst nach New York, später nach Brasilien.

Zu Beginn der 1980er-Jahre kehrte er nach Bremen zurück und übernahm eine Tochtergesellschaft der Lexzau, Scharbau, deren Fokus auf Tabak und Baumwolle lag. Kurze Zeit danach wieder ein Umzug, dieses Mal nach Südafrika, wo Conrad eine neue Landesgesellschaft aufbaute.

Das hätte so weitergehen können, doch dann kam die große Zäsur: 1985 starb sein Vater Herbert, der Sohn war damals gerade einmal 32 Jahre alt. Plötzlich stand er vor der Aufgabe, eine ganze Unternehmensgruppe zu leiten. Nach und nach arbeitete er sich in alle Bereiche ein, seit 1992 führt er die Firma als geschäftsführender Gesellschafter ganz allein. Er habe die Zeit gebraucht, um sich auf die neue Art der Verantwortung einzustellen. „Ich habe es langsam angehen lassen“, sagt Conrad.

Firma expandiert weltweit

Seither erlebt Leschaco ein rasantes Wachstum: Conrad hat die internationale Ausrichtung der Firma vorangetrieben. „Wir sind den Kunden gefolgt“, sagt er. „Wir betrachten Deutschland längst nicht mehr als den Nabel der Welt.“ Unter dem Dach der Holding sind verschiedene Landesgesellschaften entstanden, allein im vergangenen Jahr neue Niederlassungen in Miami und Osaka.

Ein Beispiel für den Expansionskurs sind die Tankcontainer-Verkehre. 40 Jahre ist es her, dass der Logistikdienstleister zum ersten Mal Tankcontainer auf das MS „Tillie Lykes“ für den Transport von Bremerhaven ins US-amerikanische Houston verlud. Tankcontainer sind spezielle Container, mit denen flüssige und gasförmige Waren wie etwa Benzin transportiert werden.

Das Geschäft entwickelte sich profitabel, 1978 wurde die Leschaco Inc. gegründet – das war der Startschuss für die Internationalisierung der Unternehmensgruppe. Allein in dieser Sparte bewegt die Firma heute mehr als 4000 Tankcontainer im Überseeverkehr, die zum Beispiel chemische Flüssigkeiten von Deutschland über die Hamburg-Antwerpen-Range in die USA und zurück transportieren.

Zentrum liegt nach wie vor in Bremen

Eine weitere einhundertprozentige Tochter ist die Anker Schiffahrts-Gesellschaft. Sie arbeitet unter anderem eng mit der Papierfabrik von UPM Nordland Papier im emsländischen Dörpen zusammen. Im Emder Hafen schlägt Leschaco dafür etwa den Zellstoff, einen wichtigen Rohstoff für die Papierherstellung, von den See- auf die Binnenschiffe um. Dabei müssen die Mitarbeiter vor allem auf Sauberkeit und Reinheit achten. Außerdem muss die Ware trocken, geruchsfrei und frei von jeglichen Rückständen sein.

Zu der 1879 ursprünglich in Hamburg gegründeten Lexzau, Scharbau gehören heute 42 Firmen mit 60 Büros und mehr als 2000 Mitarbeitern. Ihr Fokus liegt auf den vier Geschäftsbereichen Seefracht, Luftfracht, Tankcontainer und Kontraktlogistik. Dabei zählen Klein- und Mittelständler genauso zu den Leschaco-Kunden wie die ganz großen Namen. In Südostasien übernimmt das Bremer Unternehmen etwa Transporte und Lagerhaltungen für Mercedes, BMW, Volvo und MAN.

Aber das Zentrum allen Tun und Handelns ist noch immer im Bremer Industriehafen. Gut 330 Angestellte kümmern sich von hier aus um die Verwaltung der vielen Töchter. Auch die Projekte in der Kontraktlogistik werden von der Hansestadt aus gesteuert. Dabei können sich die Leschaco-Mitarbeiter auf ein solides Fundament verlassen: Das auffällige Gebäude in der Kap-Horn-Straße, das einem Schiff nachempfunden ist, wurde Ende der 1960er-Jahre auf dem ehemaligen Weltkriegsbunker Hornisse gebaut. „Wir sind gerne hier“, sagt Conrad. Daher hat der Inhaber erst kürzlich noch einmal in den Standort investiert. Wie viel genau, möchte er nicht verraten.

Unternehmen ist ständig im Wandel

Conrad erinnert sich gut an die Zeiten, als es im Bremer Industriehafen noch ganz anders aussah. Mit Vater Herbert Conrad besuchte er als kleiner Junge die Hallen, in denen das Unternehmen zu jener Zeit noch VW-Käfer umschlug. Später half Conrad hier als Schüler aus. Der Firmenlenker blickt zurück: In der EDV wurden Daten damals über ein Hollerith-Lochkartensystem verarbeitet, Schreibmaschinen der Marken Adler und Olympia dominierten die Büros der Spedition. Heute sei das natürlich ganz anders, sagt er, „ist ja klar“. „Das Geschäft ist permanent im Wandel, man muss sehen, dass man bei den Entwicklungen immer vorn mit dabei ist.“

2015 ist der Umsatz der Gruppe um sechs Prozent auf 720 Millionen Euro gestiegen, für das vergangene Jahr rechnet Conrad mit einem Wachstum in einer ähnlichen Größenordnung. „Es läuft gut“, sagt der Leschaco-Inhaber. Das Unternehmen soll auch in Zukunft in Firmenhand bleiben, Conrads Sohn Constantin bereitet sich darauf vor, in die Firma einzusteigen: mit einer Lehre bei einer Linienreederei und einem wirtschaftswissenschaftlich ausgerichteten Studium in Barcelona.

„Im Anschluss soll er hier in Bremen starten und dann die Niederlassungen im Ausland kennenlernen“, sagt er. Ein Vorbild für den Karrierestart hat er mit dem Vater in der eigenen Familie. Auch der ist immer noch viel unterwegs. Etwa die Hälfte des Jahres sei er auf Reisen, sagt Conrad. Ein paar Jahre will er noch weiter machen. Bis 70 vielleicht, aber da ist sich der 63-Jährige noch nicht ganz sicher.

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