In vielen Bremer Unternehmen der Metall- und Elektrobranche droht Stellenabbau. 43 Prozent der Firmen befürchten, dass sie wegen der Corona-Krise in den kommenden drei Monaten Kündigungen aussprechen müssen. Das geht aus einer Umfrage der Arbeitgeberverbände Nordmetall und AGV Nord hervor, die dem WESER-KURIER exklusiv vorliegt. Noch härter könnte es die Beschäftigten in Niedersachsen treffen.
Die Verbände haben 169 Firmen mit 80 000 Mitarbeitern in Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und dem nordwestlichen Niedersachsen gefragt, wie sich die Corona-Krise auf ihr Geschäft auswirkt. Die Antworten zeigen ein klares Bild: Die Lage ist dramatisch. Neben den Überlegungen in Bremen, dass mehr als zwei Fünftel der Unternehmen Stellen streichen müssen, ist es in Niedersachsen sogar jedes zweite Unternehmen.
„Der Zusammenbruch vieler Märkte und der Logistikketten sowie die Arbeitseinschränkungen wirken sich sehr negativ aus. Und die Aussichten haben sich seit dem Beginn der Pandemie noch weiter verschlechtert“, sagt Lutz Oelsner, Nordmetall-Vizepräsident und Aufsichtsrat des Bremer Industrieunternehmens Gestra. Als Auto-, Schiff- und Flugzeugbauerstadt sei Bremen besonders stark getroffen.
Das spiegelt sich auch in den weiteren Ergebnissen der Befragung wider. So gibt die Hälfte aller Firmen aus der Metall- und Elektrobranche an, dass ihre Produktion durch Corona stark oder sogar sehr stark betroffen ist. Das ist doppelt so viel wie im Schnitt aller befragten Bundesländer. Beim Blick auf die Branchen zeigt sich, dass vor allem der Fahrzeug- und der Flugzeugbau unter Einschränkungen leiden. Mit Daimler und Airbus haben zwei schwergewichtige Vertreter dieser Branchen Werke in Bremen.
Parallel zu den Produktionseinschränkungen ist auch die Auslastung der Unternehmen eingebrochen. Bei den Firmen in der Hansestadt werden die Kapazitäten aktuell nur zu 55 Prozent genutzt – der niedrigste Wert in ganz Norddeutschland. Welche Folgen das für sie haben wird, darüber haben sich die Bremer Unternehmen auch schon Gedanken gemacht. Alle rechnen damit, dass in diesem Jahr der Umsatz zurückgehen wird; im Schnitt um 26 Prozent. Damit sehen sie die Zukunft noch pessimistischer als die Betriebe aus den anderen norddeutschen Bundesländern.
Hier erwartet immerhin noch ein Viertel, dass der Umsatz stabil bleibt, vier Prozent gehen sogar davon aus, dass er noch steigen wird. Auch wenn in Bremen bereits rund 6000 Unternehmen Kurzarbeit beantragt haben, dürfte die Zahl laut Untersuchung noch weiter steigen. Ein Viertel der Unternehmen, die noch keine Kurzarbeit durchführen, plant dies für die Zukunft. „Während die Corona-Infektionszahlen abnehmen, hat die Krise in der Industrie erst begonnen“, sagt Oelsner. „Sie wird lange anhalten und die Märkte grundsätzlich verändern.“
Schon Anfang Mai hatte die Konjunkturumfrage der Handelskammer Bremen gezeigt, wie dramatisch die Wirtschaft ihre aktuelle Lage einschätzt. Während nur das Baugewerbe von einer aktuell positiven Entwicklung sprach, klagten alle anderen Branchen über massive Umsatzrückgänge und erwarteten weiteren Problemen in der Zukunft. „Selbst in der Wirtschafts- und Finanzkrise im Jahr 2009 war die Stimmung deutlich besser als heute“, resümierte die Handelskammer.
„Die Krise ist nicht in wenigen Wochen vorbei. Das birgt eine große Gefahr“, sagt Volker Stahmann von der IG Metall Bremen. Dennoch sehe die Gewerkschaft bislang noch keine Anzeichen, dass es bei Bremer Unternehmen aus der Metall- und Elektroindustrie zu Entlassungen wegen der Corona-Krise kommen wird. Ausnahmen seien der Flugzeugbauer Airbus und Thyssen-Krupp. Hier hätten allerdings schon vor der Pandemie Umstrukturierungen angestanden.
„Wir gehen da aber nicht blauäugig ran“, sagt IG-Metall-Geschäftsführerin Ute Buggeln. Schließlich sei man zu Beginn der Krise auch davon ausgegangen, dass Airbus gut durch diese Phase komme, da die Auftragsbücher voll gewesen seien. Das müsse aber nichts bedeuten, wie sich nun zeige. Laut Buggeln gehen die Unternehmen verantwortungsvoll mit den Beschäftigten um und nutzen etwa Kurzarbeit, um Entlassungen zu vermeiden. Das könne sich aber ändern. „Die Betriebe bewerten die Situation von Woche zu Woche neu“, sagt die Gewerkschafterin. „Wir erwarten daher, dass es nicht so ruhig bleibt.“
Zur Sache
Die Corona-Krise bremst das Exportgeschäft deutscher Maschinenbauer. Die Ausfuhren sanken im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 6,6 Prozent auf 41,9 Milliarden Euro, wie der Branchenverband VDMA am Montag in Frankfurt mitteilte. Ein deutliches Minus von 11 Prozent gab es im März, als sich die Pandemie in Europa ausbreitete. «In den ersten beiden Monaten dieses Jahres dürften sich die Auswirkungen der Corona-Krise mit Ausnahme der Ausfuhren nach China kaum in den Exportzahlen niedergeschlagen haben. Das hat sich im März schlagartig geändert», erläuterte VDMA-Konjunkturexperte Olaf Wortmann.
In den ersten drei Monaten lagen die Ausfuhren in die EU-Mitgliedstaaten um 8,5 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Das Geschäft mit den vom Coronavirus stark gebeutelten Ländern wie Frankreich (minus 14,8 Prozent), Italien (minus 16,1 Prozent) und Spanien (minus 13,9 Prozent) brach ein.
Die Exporte in die USA stiegen im ersten Quartal noch leicht um 0,5 Prozent. Die Ausfuhren nach China, wo das Virus zuerst festgestellt worden war, sanken hingegen um 8,9 Prozent. Dennoch gebe es gerade bei China Anzeichen für eine Entspannung.