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Hüttenwerk Stahl aus Bremen soll grün werden

Noch ist die Bremer Hütte allein für die Hälfte der CO2-Emissionen im Land Bremen verantwortlich. Das soll sich jedoch ändern: Die Umstellung auf die Stahlherstellung mit Wasserstoff statt Kohle hat begonnen.
22.12.2021, 18:39 Uhr
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Stahl aus Bremen soll grün werden
Von Christoph Barth

Die Energieversorger SWB und EWE wollen im kommenden Jahr mit dem Bau einer Anlage beginnen, die die Bremer Hütte mit umweltfreundlichem Wasserstoff versorgen soll. Der Bau des Elektrolyseurs am Kraftwerk Mittelsbüren gilt als erster Schritt auf dem Weg zum "grünen Stahl", den die Hütte künftig produzieren will. Mitte der 2030er Jahre will Arcelor Mittal in seinem Bremer Werk nur noch klimaneutral hergestellten Stahl kochen.

Was ist "grüner Stahl"?

Traditionell wird Stahl aus Roheisen hergestellt, das wiederum aus Eisenerz in einem Hochofen erschmolzen wird. Weil die Öfen mit Koks befeuert werden, entweichen dabei große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid. Je nach Berechnung fallen bei der Stahlherstellung 1,5 bis knapp zwei Tonnen CO2 pro Tonne Stahl an. Die Stahlindustrie ist damit einer der größten "Klimasünder" in Deutschland. In Bremen ist die Hütte allein für die Hälfte der CO2-Emissionen des Landes verantwortlich. Die Branche soll deshalb beschleunigt auf die Produktion von "grünem", also klimaneutral hergestelltem Stahl umgestellt werden.

Wie geht das?

Statt im Hochofen kann das Roheisen auch in einer sogenannten Direktreduktions-Anlage aus dem Eisenerz abgetrennt und in einem Elektroofen eingeschmolzen werden. Statt Koks kommen dabei (übergangsweise) Erdgas und später Wasserstoff zum Einsatz. Wird der Wasserstoff mit Hilfe erneuerbarer Energien – zum Beispiel Strom von Windrädern – hergestellt, wäre das Ziel erreicht: klimaneutral erzeugtes Roheisen.

Warum macht man das dann nicht längst?

Weil Wasserstoff teuer ist – bislang zu teuer. Erst mit dem dringender werdenden Kampf gegen den Klimawandel rückt Wasserstoff in den Mittelpunkt der Überlegungen, wie Industrie, Transport und Verkehr von Kohlendioxidemissionen befreit werden können. "Wasserstoff ist kostbar", sagt SWB-Chef Torsten Köhne. "Man sollte ihn nur dort einsetzen, wo er den größten Nutzen bringt, etwa in der Stahl- und Chemieindustrie."

Wie wird Wasserstoff hergestellt?

Im Prinzip ganz einfach: Indem Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt wird. Allerdings benötigt man dafür sehr viel Strom. Der Prozess nennt sich Elektrolyse, der dafür vorgesehene Apparat ist ein Elektrolyseur. Und um den Bau eines solchen Elektrolyseurs geht es jetzt im ersten Schritt auf dem Weg zum "grünen Stahl".

Wer baut und betreibt den Elektrolyseur?

Die beiden regionalen Energieversorger SWB und EWE haben zu diesem Zweck ein gemeinsames Unternehmen gegründet, die Wasserstoff Bremen GmbH. Dieses will in einer leer stehenden Halle am SWB-Kraftwerk Mittelsbüren auf dem Gelände der Stahlwerke den Elektrolyseur betreiben. Der Baubeginn ist für das kommende Jahr geplant, die Fertigstellung und Inbetriebnahme für Ende 2023. Im ersten Schritt soll die Elektrolyse-Anlage eine Leistung von zwölf Megawatt erbringen. "Damit sind wir im Vergleich zu dem, was in Europa zurzeit in diesem Bereich läuft, relativ groß", sagt Köhne. Zehn Megawatt der Gesamtleistung sind für die Hütte von Arcelor Mittal reserviert; mit den verbleibenden zwei Megawatt wollen SWB und EWE den Einsatz von Wasserstoff im Bereich Transport und Verkehr testen, etwa bei Schwerlast-Lkw und Eisenbahnzügen.

Wie viel "grünen Stahl" kann man mit zehn Megawatt erzeugen?

Nicht sehr viel. Der Wasserstoff aus dem ersten Elektrolyseur soll hauptsächlich in einen der beiden Hochöfen eingeblasen werden und dort den zuvor verwendeten Kohlestaub ersetzen. Von der Umrüstung des Hochofens erhofft sich Stahlwerk-Chef Reiner Blaschek eine CO2-Reduktion von fünf Prozent. "Ziel ist es, den Wasserstoff später in unseren geplanten Direktreduktions-Anlagen einzusetzen", erklärt er. Die erste soll bis 2025 auf dem Hüttengelände entstehen, die zweite bis Anfang der 30er Jahre. Für deren Versorgung mit Wasserstoff reicht eine Zehn-Megawatt-Anlage bei weitem nicht: "Unser Bedarf liegt um den Faktor 100 höher", sagt Blaschek. Das wären statt zehn dann 1000 Megawatt.

Wo soll diese riesige Menge herkommen?

Das ist – neben den hohen Kosten – eines der Probleme mit Wasserstoff. Die maximale Kapazität am Kraftwerk Mittelsbüren schätzen die Betreiber auf 50 MW, mehr geben die Netzanschlüsse nicht her. Der Rest muss auf andere Standorte in der Region verteilt werden. "Wir haben dafür in Nordwestdeutschland gute Voraussetzungen", versichert EWE-Chef Stefan Dohler. Es gebe Speicher in großen, unterirdischen Kavernen, ein wachsendes Potenzial an erneuerbaren Energie aus Windparks an Land und auf See sowie gute Versorgungsnetze, die für eine Wasserstoffindustrie nutzbar seien. "Klar ist aber aber ebenso: Wir werden auch Wasserstoff importieren müssen", räumt Dohler ein. Dafür wiederum bietet die Region die geeigneten Häfen.

Wer zahlt das am Ende alles?

Darum wird zwischen Politik und Wirtschaft noch gerungen. Die Investitionen für die Umrüstung der Hütte auf "grünen Stahl" gibt Stahlwerk-Chef Blaschek mit mehr als einer Milliarde Euro an.  Und die Bremer Hüttenwerker erwarten: "Wer fordert, der fördert" – sprich: Wenn der Staat sauberen Stahl verlangt, muss er dafür zahlen. Dazu ist zumindest der rot-grün-rote Bremer Senat auch bereit: "Finanziell kann die Industrie diese Umstellung nicht alleine leisten", glaubt Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD). Deshalb fördert der Senat den Bau des ersten Elektrolyseurs mit zehn Millionen Euro – das ist die Hälfte der Gesamtinvestition. "Ein Meilenstein", findet Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) – und der "Einstieg in Erzeugung grünen Stahls in Bremen".

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