Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Neues Jahr, neues Glück Bremer Start-up-Gründerin: "Wir wollen Frauen stärken"

Eisen und Folsäure sind wichtige Nährstoffe während der Schwangerschaft. Julija Storz hat eine App erfunden, die schwangere Frauen mit Ernährungstipps versorgt. Das Besondere: Experten kommen zu Wort.
30.12.2021, 13:31 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Bremer Start-up-Gründerin:
Von Hannah Krug

Als Julija Storz einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand hält, ist sie irritiert. Nicht wegen der Schwangerschaft – auf die hat sie sich gefreut. Es liegt an einer anderen, für sie einschneidenden Entscheidung, die sie zuvor getroffen hat: "Ich habe aufgehört, Fleisch zu essen." Das war vor gut drei Jahren. Storz ist verunsichert und fragt sich, ob es auch die richtige Wahl für ihr Kind war. Wird das Ungeborene alle nötigen Nährstoffe bekommen?

"Ich war zum Beispiel ziemlich schockiert, als ich erfahren habe, dass Schwangere empfohlen wird, keinen Thunfisch zu essen." Storz macht das, was sie immer macht, wenn sie nicht weiter weiß: Sie googelt nach einer digitalen Lösung. "Ich wollte unbedingt wissen: Sind mein Kind und ich richtig versorgt?"

Die Suche nach den richtigen Nährstoffen und wie man sie am besten bekommt, gestaltet sich kompliziert. Die damals 33-jährige werdende Mutter findet viele digitale Anwendungen, die versprechen, einfach abzunehmen oder vegan durch den Alltag zu kommen. Sie findet außerdem lange Manifeste für die richtige Ernährung während der Schwangerschaft, nicht wenige davon widersprechen sich. Oder sie trifft auf Influencer, die ihr selbst beigebrachtes Wissen in lustigen Videos weitergeben. "Ich habe nach einem guten Überblick gesucht und mir hat das Wissen von Ernährungsexperten und -expertinnen gefehlt."

Roboter als Ernährungsberater

Storz registriert die Marktlücke. Kurze Zeit später sitzt sie mit einer Freundin am Küchentisch und bastelt selbst an einer digitalen Lösung. Mittlerweile ist sie von einem vierköpfigen Team umgeben, das einen ersten Prototypen entwickelt hat und im kommenden Jahr ein Start-up gründen wird. Das Produkt ist eine App, in der ein digitaler Ernährungsberater Fragen rund um das Thema Schwangerschaft und Ernährung individuell beantwortet.

Das geschieht mit einer sogenannten Bot-Technologie, wie sie beispielsweise auch beim Google-Sprachassistenten eingesetzt wird. Das Computerprogramm merkt sich dabei die Fragen der Nutzerinnen sowie die passenden Antworten von engagierten Ernährungswissenschaftlern. Kann der Bot eine Frage einmal nicht beantworten, können die Nutzer über die App einen Termin mit einem Ernährungsberater ausmachen. Das kostet allerdings auch ein wenig Geld. "Unser Ziel ist es deswegen, ganz vieles schon vorab zu automatisieren", sagt Storz.

Zwei wichtige Dinge hat die 36-Jährige während einer vorangegangenen Recherche zusammen mit Nutzern und Nutzerinnen festgestellt: Erstens sind es eher Frauen, die sich während unterschiedlicher Lebensphasen bewusst Gedanken über ihre Ernährung machen. Und zweitens denken vor allem Frauen Ernährung und Nachhaltigkeit zusammen. So war es auch bei Storz: "Früher habe ich mehr nach Fitness- und Diät-Apps gesucht. Je älter ich wurde, desto wichtiger wurden für mich die Themen Gesundheit und Nachhaltigkeit."

Neben einer ausgewogenen Ernährung ist ihr auch eine artgerechte Tierhaltung und Klimagerechtigkeit sehr wichtig. Deswegen gibt es in der App auch die Funktion des CO2-Fußabdrucks. Tierische und pflanzliche Lebensmittelgruppen werden mithilfe einer Ampel bewertet. Bei rotem Fleisch schaltet die Ampel zum Beispiel aufgrund des hohen CO2-Ausstoßes während der Produktion auf Rot.

Anreize statt feste Regeln

In wohl keiner anderen Zeit im Leben bekommt eine Frau so viele Ernährungs- und Verhaltenstipps wie während der Schwangerschaft. Kein Wunder, dass viele Frauen verunsichert sind. Storz ist es wichtig, immer wieder zu betonen: "Ich belehre niemanden." Sie weiß, wie komplex eine Schwangerschaft auch mental sein kann. "Mein Ziel ist es, nicht noch mehr Stress aufzubauen, sondern mit kleinen Impulsen, Angebote zu unterbreiten."

Die App gibt neben theoretischem Wissen auch Anreize, wie die Frauen bestimmte Essgewohnheiten verändern können. Darunter sind praktische Tipps und Rezepte, die von Ernährungswissenschaftlern erstellt wurden. Storz bezeichnet die App als ein "offenes System", das sich an alle schwangeren Frauen wendet, aber auch an die, die es werden wollen und an jene, die bereits stillen.

Da die Nutzerinnen sehr sensible Daten preisgeben müssen, spielt auch das Thema Datenschutz eine wichtige Rolle. "Wir holen uns da von Anfang an Unterstützung", sagt Storz. Zunächst sei es aber wichtiger, zu sehen, was den Nutzerinnen wirklich helfe. Dafür seien die individuellen Daten unverzichtbar.

Frauenförderung in der digitalen Welt

Es ist das erste Mal, dass die Digitalexpertin selber gründet. Über sich selbst sagt sie: "Ich komme aus der digitalen Welt." In ihrer achtjährigen Berufserfahrung hat sie sich eine Expertise im Bereich nutzerzentrierte und digitale Produktentwicklung, Marketing und agile Arbeitsmethoden in kleinen Start-Ups wie auch in einem großen Konzern angeeignet.

In diesem Bereich liegt ihr eine Entwicklung besonders am Herzen: "Wir wollen Frauen stärken." Ihr Team sei sehr divers aufgebaut: vom Alter über das Geschlecht bis zum Migrationshintergrund. Storz selbst hat russische Wurzeln. Diversität sei wichtig, da in der digitalen Welt weiterhin männliche Entwickler und Programmierer dominierten. Als Mentorin berät Storz selbst junge Gründerinnen. Mehr digitale Gesundheitsanwendungen, die von Frauen für Frauen entwickelt werden – das ist eine ihrer großen Visionen.

Zusammen mit einer Ärztin, einer Datenwissenschaftlerin, einer Produktmanagerin und einem Informatiker arbeitet sie sehr fokussiert an diesem Traum. Die fünf Gründer bewerben sich für das Förderprogramm EXIST an der Universität Bremen und rechnen schon bald mit einer finanziellen Unterstützung, die sie durch das erste Jahr bringen soll. Ende März 2022 wollen sie an den Start gehen. Die App soll dann im Sommer ab 9,90 Euro erhältlich sein. Ob das alles so funktioniert, wie Storz sich das vorstellt? "Bei mir überwiegen die Visionen und nicht die Ängste."

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)