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Corona-Hilfen Steuerberater am Limit

Pandemie-Programme, Beratung, Jahresabschlüsse. Deutsche Steuerberater warnen vor Überlastung zum Jahresende. Auch Bremer Kanzleien und Verbände senden klare Forderungen an die Politik.
28.11.2021, 15:50 Uhr
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Steuerberater am Limit
Von Marc Hagedorn

Bremer Steuerberater schlagen Alarm. Die Kanzleien arbeiten an der Überlastungsgrenze. "Es gab bei uns den ein oder anderen verzweifelten Anruf ", erzählt Natalie Thomalla, Geschäftsführerin des Steuerberaterverbands Bremen. Momentan rolle eine Fristenflut auf die Berater zu, die kaum zu bewältigen sei.

Durch die Corona-Pandemie sind viele Unternehmen und Selbstständige in eine finanzielle Notlage geraten. Um ihnen zu helfen, hat die Regierung zahlreiche Programme auf den Weg gebracht. Dass im Zuge der vierten Welle die Nachfrage nach finanzieller Unterstützung wieder steigt, merken vor allem die Steuerberater. Sie sind für die Abwicklung der Programme zuständig und arbeiten zunehmend am Limit.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet, dass die Kanzleien aufgrund der Arbeitsbelastung nicht dazu in der Lage seien, entsprechende Anträge zu stellen. Thorsten Lüth, Präsident des Deutschen Steuerberaterverbands sagte: "Seit rund zwei Jahren arbeiten die kleinen und mittleren Kanzleien am Limit, um die pandemiebedingten Zusatzaufgaben zu bewältigen und die wirtschaftliche Existenz der Unternehmen zu gewährleisten."

Flut an Hilfsanträgen

Vor allem in den vergangenen Wochen, in denen die Inzidenzen wieder rasant steigen, verzeichnen die Kanzleien immer mehr Anträge auf Überbrückungshilfe. Die FAZ beruft sich dabei auf Angaben des Wirtschaftsministeriums: Auf Überbrückungshilfe III gingen mittlerweile 534.641 Anträge ein, etwa 14 000 mehr als noch Anfang November. Für die Überbrückungshilfe III plus zähle das Ministerium bisher 29 226 Anträge, 6500 mehr als noch vor zwei Wochen.

Das Problem: Die entsprechenden Jahresabschlüsse für 2020 müssen bis zum 31. Dezember beim elektronischen Bundesanzeiger zur Offenlegung eingegangen sein. Bei einem Verstoß beginnt ein Ordnungsgeldverfahren, bei dem mindestens 2 500 Euro fällig werden. Zusätzlich endet ebenfalls am Silvestertag die Frist für die Beantragung der Überbrückungshilfen. Zwar hat die Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag beschlossen, die Zuschussprogramme Überbrückungshilfe III Plus und die Neustarthilfe Plus bis März 2022 zu verlängern. Über die neuen Antragsfristen ist aber noch nichts bekannt.

Corona-Hilfen kollidieren mit Alltagsgeschäft

Der Druck auf die Steuerberater ist so oder so hoch. Laut Natalie Thomalla vom Steuerberaterverband Bremen gehe es mittlerweile um eine lange Liste verschiedenster Corona-Maßnahmen: Nicht nur die Überbrückungshilfen III Plus und Neustarthilfe Plus lägen auf den Schreibtischen. Es werde sich auch um die Schlussabrechnungen der Überbrückungshilfen I bis III, die November-, die Dezember- und die Neustarthilfe gekümmert. Hinzu käme das Alltagsgeschäft wie die Offenlegung der Jahresabschlüsse, Steuererklärungen für 2020, Beratung, Lohnbuchhaltung und die Feststellung der Grundsteuererklärung. Es sei "schwer, dass alles fristgerecht zu schaffen", so Thomalla.

Insbesondere die Corona-Hilfen können bis auf wenige Ausnahmen nur von sogenannten prüfenden Dritten beantragt werden. Unternehmen und Selbstständige müssen dementsprechend entweder einen Anwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder eben einen Steuerberater beauftragen. Auf diese Weise will die Regierung Falschanträgen und Missbrauch vorbeugen – und so das Verfahren beschleunigen. Was als Beschleunigung gedacht war, bringt die Steuerberater hingegen in Bedrängnis.

Längere Fristen nehmen Druck

Denn welche Hilfen eine Person in Anspruch nehmen kann, müsse von Fall zu Fall geprüft werden. "Das dauert oft mehrere Stunden", sagt Steuerberaterin und Partnerin Nina Schüler-Jordan von der Bremer Kanzlei Decker, Schröder, Gisch und Partner. Dabei sei es vor allem zeitaufwendig, die erfassten Daten in das digitalen Antragssystem einzutragen. "Allein das dauert Minimum eine volle Stunde", betont Schüler-Jordan. Trotz der zeitlichen Engpässe versuche die Kanzlei noch Neumandaten aufzunehmen. Allerdings stoßen die Mitarbeiter auch "da mittlerweile an ihre Grenzen".

Natalie Thomalla fordert deshalb, dass die Antragsfrist für die Corona-Hilfen für die Unternehmer und Selbstständigen ausgeweitet werden solle. Zudem müsse auf die Einleitung des Ordnungsgeldverfahrens für die Offenlegung der Jahresabschlüsse 2020 bis mindestens zum 31. Mai verzichtet werden. Sie wünsche sich eine "Anpassung an die momentane pandemische Situation. Wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, müssen sich auch die Fristen ändern", so Thomalla. Auch Schüler-Jordan befürwortet entsprechende Fristverlängerungen, denn sie würden "den Steuerberatern den Druck nehmen".

Zur Sache

Homeoffice-Pauschale verlängert


Wer im Homeoffice arbeitet, soll auch im kommenden Jahr noch eine besondere Pauschale bei der Steuererklärung geltend machen können. SPD, Grüne und FDP wollen die derzeit geltende Homeoffice-Pauschale für Arbeitnehmer bis Ende 2022 verlängern. Das geht aus dem am Mittwoch vorgelegten Koalitionsvertrag der drei Parteien hervor.
Derzeit kann man pro Tag im Homeoffice 5 Euro ansetzen, maximal aber 600 Euro im Jahr. Allerdings zählt die Summe zu den Werbungskosten, für die allen Steuerzahlern pauschal ohnehin 1000 Euro angerechnet werden. Nur wer mit seinen Ausgaben hier über 1000 Euro kommt, profitiert also von der Sonderregel. Bisher war sie auf die Jahre 2020 und 2021 befristet und mit der Corona-Pandemie begründet.

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