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100 Jahre Rohtabakhändler Bremer Tabakhändler aus Leidenschaft

Die Rohtabak-Firma Hellmering, Köhne & Co. konnte am 4. Januar ihr 100-jähriges Bestehen begehen. Das Unternehmen war Teil des glänzenden Aufstiegs der Bremer Tabak-Branche. Ein Blick zurück in die Historie.
06.01.2024, 05:00 Uhr
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Bremer Tabakhändler aus Leidenschaft
Von Sigrid Schuer

Es war 1972 mein Glück, auf den indonesischen Staatsplantagen eine neunmonatige Ausbildung zum Rohtabak-Kaufmann absolvieren zu können. Das war zur damaligen Zeit noch sensationell, ein richtiges Abenteuer. Es gab kein Telex und natürlich kein E-Mail. Ein Telefongespräch konnte nur mit sechsstündiger Voranmeldung geführt werden", erinnert sich Wolfgang G. Köhne, Geschäftsführer und Inhaber der Rohtabak-Firma Hellmering, Köhne & Co. Allein fünf Stopps habe er auf seinem Hinflug einlegen müssen, bis er in Indonesien angekommen sei, fügt er hinzu. "Ich habe mich damals Hals über Kopf in das Land, die Menschen und das Produkt Tabak verliebt", unterstreicht der Unternehmer. Bereits 1976 wurde er von seinem Vater Walter Köhne zum Partner in die Geschäftsführung der auf indonesischen Zigarrentabak spezialisierten Handelsfirma berufen, die am 4. Januar ihren 100. Gründungstag feierte.

Freundschaftliche Verbindungen

Bis heute ist Indonesien Köhnes zweite Heimat, Ende 2023 ist er für mehrere Wochen dort gewesen. In seinem Büro zeugen viele gerahmte Fotografien von persönlichen Freundschaften zu Indonesiern wie zur Familie des Chefs der damaligen Staatsplantage in Ost-Java, aber auch zu hochrangigen Ministern. Freundschaften, die er seit Jahrzehnten pflegt. Seit acht Jahren ist der Tabakhändler aus Passion auch Honorarkonsul der Republik Indonesien in Bremen.

Blick in die Geschichte des Tabakhandels

Mit dem Handel und Import von Genussmitteln wie Kaffee, Schokolade und Tee hat sich die Freie Hansestadt Bremen international einen Namen gemacht. Auch Tabak zählt zu diesen Genussgütern. Bremen ist seit Jahrhunderten ein traditioneller Rohtabak-Handelsplatz. 1852 waren 10.000 Bremer in der Zigarrenfabrikation tätig. Zu diesem Zeitpunkt war Bremen Haupteinfuhrplatz für Rohtabak in Nordeuropa. Bereits 1801 gab es in der Hansestadt 59 Tabakfirmen. Heute seien es gerade einmal zwei, erzählt Wolfgang G. Köhne. Neben der Rohtabak-Firma, die von Köhne und seinem Sohn Constantin bereits in dritter und vierter Generation geführt wird, existiert nur noch die 1806 gegründete Tabakhandelsfirma Gebrüder Kulenkampff.

Der Markt habe sich inzwischen konsolidiert, sagt Köhne. Seit den 1990er-Jahren werden in Indonesien, dem einst zweitgrößten Tabak-Produktionsland der Welt, vorzugsweise Ölpalmen angebaut. Dafür wird der Regenwald gerodet. Palmöl sei ein Naturprodukt, dessen Anbau mit weniger Aufwand und Risiko verbunden sei als bei der empfindlichen Tabakpflanze, erklärt Köhne.

Rohtabak-Händler und Produzent

"Der Tabakanbau ist sehr arbeitsintensiv. Das Produkt wird bis zur Fertigstellung bis zu 50 Mal in die Hand genommen. Dieser Vorgang lässt sich nicht mechanisieren. Der Tabak hat eine Wachstumszeit von 42 Tagen, gefolgt von im Schnitt 18 Tagen Trockenzeit und zweieinhalb Monaten Natur-Fermentation. Während dieser zehn Wochen wird er aufgestapelt und viermal umgestapelt. In diesem Gärungsprozess, bei dem sich der Rohstoff auf 50 Grad erhitzt, erfolgt eine chemische Umwandlung zur Reifung des Tabaks", berichtet Köhne und nimmt einen tiefen Zug von seiner Lieblings-Sumatra-Zigarren-Sorte. "Keine Tabakernte ist wie die andere. Die idealen Wetterbedingungen zu treffen, ist nahezu unmöglich. Nicht zuletzt die Anzahl der Sonnen- und Regentage entscheiden über die Qualität und Quantität der Ware. Das ist ganz ähnlich wie bei der Weinproduktion".

Schon seit vielen Jahren lässt Hellmering, Köhne & Co. vor diesem Hintergrund in Ost-Java nun selbst schwerpunktmäßig eine große Auswahl von Deckblättern unter Schattenzelten anbauen. Laut Köhne macht das Deckblatt 70 Prozent des Geschmacks aus: "Es ist das wichtigste Blatt einer guten Zigarre." "Heute sind wir nicht allein Rohtabak-Händler, sondern auch Produzenten. Das war eine gute Entscheidung. Wir glauben an die Zukunft", betont er. In Bremen hat das Unternehmen 14 Mitarbeiter, in Indonesien 65, dazu kommen in der Erntezeit noch einmal rund 2500 Saison-Kräfte.

Das bittere Jahr 1998

Das Geheimnis liegt in der Erde, dem Klima, dem Wachstums- und Alterungsprozess, dem Saatgut und einem bisschen Glück - "Dieses Credo eines indonesischen Tabakpflanzers enthält eigentlich alles", sagt Wolfgang G. Köhne und fügt hinzu: "Eine Zigarre wird nicht um des Rauchens, sondern um des Genusses willen geraucht. Das ist ganz ähnlich wie bei einem edlen Rotwein, der gewisse Illusionen und Phantasien auslöst."

Seit über 50 Jahren ist Köhne nun im Tabakgeschäft. Die einschneidenden, existenzbedrohenden Folgen einer Naturkatastrophe sind ihm besonders im Gedächtnis geblieben: 1998 kam es in Indonesien mitten in der Wachstumszeit des Tabaks zu einem verheerenden Vulkan-Ausbruch mit Asche-Regen, bei dem 60 Prozent der Ernte vernichtet wurden. "Da mussten wir ziemlich kämpfen. Das war wohl das bitterste Jahr in unserer Firmengeschichte", blickt er zurück.

Vater und Sohn

Die Geschichte der Rohtabak-Firma begann am 4. Januar 1924, als sich Wolfgang G. Köhnes Großvater Gustav, ein Tabakfachmann mit besten Verbindungen nach Indonesien, mit dem Finanzexperten Adolph Hellmering zusammentat. 1958 wurden in Indonesien alle Plantagen verstaatlicht. 1962 gehörte Walter Köhne, der das Unternehmen mittlerweile in zweiter Generation führte, zu den Mitbegründern der Bremer Tabakbörse sowie der Deutsch-Indonesischen Tabak-Handelsgesellschaft, einem Joint Venture, dem die staatlichen indonesischen Plantagenbetriebe als gleichberechtigte Partner angehörten. 1997 übernahm Wolfgang G. Köhne die Geschäftsführung der Tabak-Handelsgesellschaft, zu deren Gründungsmitgliedern neben Hellmering, Köhne & Co. auch die Firmen Gebrüder Kulenkampff GmbH und Frantz Kragh Gmbh gehörten. Die Bremer Landesbank agierte als Finanzierungsträger.

Noch bis ins hohe Alter sei sein Vater ein wertvoller Gesprächspartner für ihn gewesen, erzählt Köhne: "Wir haben uns wunderbar ergänzt, obwohl wir ganz unterschiedliche Charaktere hatten." Sein Vater habe ihn damals Stück für Stück an den Tabakhandel herangeführt, indem er ihn zu den Auktionen in die Tabakbörse mitnahm. Walter Köhne starb 2011 im Alter von 96 Jahren. Sein Sohn Wolfgang setzte zunehmend auf die Internationalisierung der Handelsbeziehungen.

Die letzte Tabak-Auktion

Köhne war auch Geschäftsführer der Bremer Tabakbörse. 2010, in dem Jahr, in dem auch die Deutsch-Indonesische Tabak-Handelsgesellschaft aufgelöst wurde, ging in dem großzügig dimensionierten Gebäude in der Überseestadt die letzte Auktion über die Bühne, bei der sich die Zigarren-Industrie aus Europa und der Welt in Bremen traf. Heute befindet sich in der Bremer Tabakbörse der Unternehmenssitz von Hellmering, Köhne & Co. Das Treppenhaus ist mit Kunstwerken verziert, die von der glanzvollen Geschichte des Tabakhandels erzählen.

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