Bremen. Was die Vereinbarkeit von Beruf und Familie angeht, ist Bremen Spitze, sagt Günter Warsewa, Direktor des Instituts für Arbeit und Wirtschaft (IAW) an der Uni Bremen. Kein anderes Bundesland habe sich dieser Frage so früh gewidmet.
In Bremen gebe es viele positive Beispiele, vor allem in großen Unternehmen. Kleine Betriebe hätten es deutlich schwerer, Mitarbeitern ein Angebot zu machen – ein Kollege in Elternzeit lasse sich kaum ersetzen.
Wenn Airbus-Mitarbeiter Kinder bekommen, brauchen sie sich kaum Sorgen um ihren Job zu machen. Der Flugzeugbauer bietet seinen Müttern und Vätern in Bremen so einiges: Sie können in Elternzeit gehen, flexible Arbeitszeiten oder individuelle Teilzeitmodelle aushandeln. Auch Telearbeit werde angeboten, sagt Airbus-Sprecher Heiko Stolzke, also die Möglichkeit, Arbeit am Computer daheim zu erledigen. Wer nicht zu Hause bleiben kann, für den bietet das BremerWerk eine hauseigene Kindergartengruppe.
Längst nicht jeder Arbeitgeber bietet seinem Personal so viel. Wo es keine Betriebskindergärten gibt, sind Eltern auf öffentliche Einrichtungen angewiesen. Ab 2013 sollen sie einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz haben. So will es die Bundesregierung. Um dieses Ziel zu erreichen, macht Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) jetzt Druck. Vergangene Woche stellte sie einen Zehn-Punkte-Plan zum Ausbau der Kitas vor.
Dabei sollen schon heute fast 70 Prozent aller Unternehmenkinderfreundlich eingestellt sein, fand das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag des „Stern“ heraus. Bei der tatsächlichen Vereinbarkeit von Familie und Beruf hake es aber immer wieder, weiß Günter Warsewa, Direktor des BremerInstituts für Arbeit und Wirtschaft. Dabei gehe die Hansestadt schon mit gutem Beispiel voran: „Ausnahmsweise gibt es da richtig gute Noten für Bremen.“ Das Bundesland habe sich dem Thema in den Jahren 2003, 2004 vergleichsweise früh gewidmet. Seitdem gibt es das Verbundprojekt Beruf und Familie und dessen Nachfolger, den Verein „Impulsgeber Zukunft“.
Die zum Teil ehrenamtlichen Mitarbeiter beraten Unternehmenaus Bremen, geben Tipps und organisieren Workshops rund um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. „Es ist sehr hilfreich, wenn da jemand ist, der die Aktivitäten vernetzt“, sagt Warsewa. Das Engagement Bremens habe sich bereits ausgezahlt: „Wir sind Vorreiter in Deutschland.“ So konnte das IAW im vergangenen Jahr 44 Unternehmen, die sich am Audit „Beruf und Familie“ beteiligten, ein Zertifikat ausstellen. Das habe Signalwirkung für die ganze Wirtschaft, meint Warsewa. „Bei den Vorbildern informieren sich dann auch andere Unternehmen.“
Eines dieser Vorbilder ist Airbus. Der BremerBetriebskindergarten werde laut Sprecher Heiko Stolzke so gut angenommen, dass er in diesem Sommer erweitert wird. In einem Neubau sollen elf zusätzliche Krippenplätze entstehen. Und damit Frauen bessere Chancen auf eine Karriere in Führungspositionen bekommen, hat Airbus ein Meisterinnen-Programm aufgelegt. Neben dem Beruf können es Flugzeug-Bauerinnen bis zum Meistertitel bringen.
Was ein Konzern wie Airbus auf die Beine stellen kann, sei für kleine Unternehmenschwierig bis unmöglich, meint IAW-Direktor Warsewa. Wo nur fünf Menschen tätig sind, könne sich ein Mitarbeiter meist nicht einfach für ein Jahr freistellen lassen. Auch eine Ferienbetreuung für Kinder sei für Mittelständler meist nur schwer zu organisieren. Doch auch da gebe es Möglichkeiten. „Es lassen sich Lösungen finden, bei denen sich mehrere Firmen zusammentun“, sagt er.
Solch ein Engagement lohne sich, meint Christian Damke, kürzlich Gastredner in der BremerHandelskammer. Der Wirtschaftspsychologe von der FOM Hochschule für Oekonomie und Management, spricht sich dafür aus, in der Arbeitswelt die familiären Belange zu berücksichtigen. „Die Mitarbeiter fühlen sich dadurch weniger belastet.“ Die Folge: Mitarbeiter würden seltener durch Krankheiten ausfallen und seien produktiver.
Schwieriger als in einer Großstadt wie Bremen sei die Vereinbarkeit von Beruf und Familie auf dem Land. „Das funktioniert in Flächenländern nicht so unkompliziert“, IAW-Direktor Warsewa. Er blickt nach Niedersachsen: Manche Regionen leiden schon heute unter Fachkräftemangel und der demografischen Entwicklung, anderswo spiele das keine Rolle. „Da gibt es regional ganz unterschiedliche Bedürfnisse.“ Eine Musterlösung gebe es nicht.
Gedanken um das Zusammenspiel von Beruf und Familie hat sich auch der Hafenbetreiber Eurogate gemacht. Und das, obwohl 90 Prozent der Mitarbeiter Männer seien. „Die Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie stellt sich da nicht so oft“, sagt Personalleiterin Birgit Holtmann. Wenn doch, lasse sich meistens eine Lösung finden. So gebe es inzwischen ein 75-köpfiges Team, das freiwillig nur in Nachtschicht arbeite. Die Nachfrage sei enorm: „Es gibt eine lange Liste von Mitarbeitern, die da rein wollen.“
Etlichen Familien sei damit geholfen. Nicht immer ist es so leicht, erklärt Holtmann. In der Schifffahrt gebe es viele Unwägbarkeiten. Üblich seien Verspätungen durch schlechte Wetterbedingungen. Das mache es schwer, exakte Schichtpläne aufzustellen. Mitarbeitern aus der Verwaltung will Eurogate flexible Arbeitszeitmodelle anbieten, die das Betreuen von Kindern erleichtern: „Dann prüfen wir: Was bedeutet das für das ganze Unternehmen?“
Wirtschaftspsychologe Damke ist der Meinung, es lasse sich immer eine Lösung finden. Am Fließband sei der Personalbedarf einfach zu ermitteln: Diese Maschine muss von zwei Personen bedient werden, eine anderen von drei Arbeitern. In der Pflege oder in kreativen Berufen sei die Ermittlung des tatsächlichen Personalbedarfs kompliziert. Aber, so Damke: „Wirklich unmöglich ist es selten.“