Aus der Küche raus, nächste Tür links – so sah für viele Bremer Büroangestellte während der Corona-Pandemie der Weg zur Arbeit aus: Kiefernholztisch neben dem Billy-Regal, Blick in den Garten statt Philodendron im Plastikkübel. Mittlerweile gehört das Homeoffice für viele zu den bleibenden Errungenschaften der Corona-Jahre. Manch ein Experte hatte auf dem Höhepunkt der Epidemie bereits das Ende der klassischen Büroarbeit prophezeit und leer stehende Etagen in viel zu großen Gewerbeimmobilien vorausgesehen. Doch die Realität im Jahr eins nach Corona sieht anders aus.
Denn in Bremen fehlen gerade Büroflächen. "Die Nachfrage – insbesondere nach hochwertigen Flächen in zentralen 1A-Lagen – ist ungebrochen hoch und kann nicht vollständig bedient werden", stellt das Bremer Immobilienunternehmen Robert C. Spies in seinem aktuellen Büromarktreport fest. Statt zu sinken, steigen die Mieten sogar – im vergangenen Jahr im Schnitt um 10,6 Prozent, in Spitzenlagen sogar um mehr als zwölf Prozent. Bis zu 17,40 Euro werden so für einen Quadratmeter Bürofläche in Bremen zurzeit fällig, in der City vereinzelt sogar noch mehr. "Keine Frage: Büros haben weiterhin einen außerordentlich hohen Stellenwert am Markt", stellt Siljan Tietjen fest, Bereichsleiter für Büroflächenvermietung bei Robert C. Spies.
So wurden im vergangenen Jahr 110.000 Quadratmeter Büroflächen in Bremen neu vermietet. Das ist zwar weniger als im Rekordjahr 2021, bewegt sich aber ansonsten im Schnitt der Vorjahre. Ein "solides Ergebnis", heißt es im Büromarktreport. Nur 3,7 Prozent der Büroflächen stehen aktuell leer.
Dabei gibt es durchaus Unternehmen, die die Arbeit im Homeoffice für eine Verkleinerung ihrer Büros nutzen wollen. Der Snackhersteller Mondelez (Milka, Oreo, Philadelphia) etwa verkleinert gerade seine Deutschland-Zentrale in der Überseestadt von fünf auf drei Etagen. Das börsennotierte US-Unternehmen will auf diese Weise Kosten sparen. In erster Linie seien es große Unternehmen und Konzerne, die eine mögliche Reduktion von Flächen prüfen, hat Marktexperte Tietjen beobachtet. Möglich machen das Homeoffice und Desk-Sharing: Im täglichen Wechsel arbeitet ein Teil der Belegschaft zu Hause, der andere im Büro, dort wo gerade ein Schreibtisch frei ist – so sieht das Konzept aus.
Auf kleine und mittlere Unternehmen oder Start-ups dagegen treffe das weniger zu, meint Tietjen. Aber auch dort ändern sich die Ansprüche: Mehr Konferenzräume, Sitzecken für den spontanen Austausch und Rückzugsorte verändern das Bürodesign. Der weit verbreitete Fachkräftemangel lässt die Firmenchefs verstärkt darüber nachdenken, was sie ihren Beschäftigten bieten können. „Der Druck, den Mitarbeitenden Anreize in Bezug auf moderne Arbeitsplätze zu geben, steigt in nahezu allen Branchen“, beobachtet Tietjen. Der typische Arbeitsplatz – Tisch, Drehstuhl und Sideboard – ist mittlerweile weniger gefragt.
Moderne Büroflächen werden also gesucht: So zieht das Bremer Büro der Hongkonger Reederei OOCL in moderne Büroräume im neuen Wallkontor, das an der Stelle des 2015 abgebrannten Textilkaufhauses Harms am Wall entstanden ist – mit 3400 Quadratmetern im vergangenen Jahr die größte Neuvermietung in der Innenstadt. Die Spedition Kühne+Nagel hat eine ähnlich große Fläche in der Überseestadt angemietet. Das ehemalige Hafenareal war mit einem Anteil von mehr als 28 Prozent an den neuen Mietverträgen im vergangenen Jahr wieder das begehrteste Büroquartier der Stadt, gefolgt vom Tabakquartier in Woltmershausen, einer ehemaligen Zigarettenfabrik. Dort trat vor allem der Finanzsenator als Großmieter in Erscheinung: 9000 Quadratmeter mietete die Behörde für ihre Digital- und IT-Abteilung und ein Aus- und Fortbildungszentrum an. Am vergangenen Freitag war Einweihung.
"Der ,typische Büroarbeitsplatz' hat sich seit Beginn der Corona-Pandemie verändert wie noch nie zuvor", resümiert Marktbeobachter Tietjen. "Büroflächen benötigen ganz klar sehr flexible Rahmenbedingungen, um auf die gewandelten Ansprüche an das Arbeiten reagieren zu können". Mit den klassischen Einzel- und Großraumbüros ist es nicht mehr getan. Aber: Das Homeoffice wird die gemeinsamen Arbeitsplätze in der Firma nicht verdrängen. "Das Büro schafft Identifikation, der direkte Austausch von Angesicht zu Angesicht bleibt auf Dauer unersetzlich", glaubt Tietjen. Deshalb rechnet er auch für das laufende Jahr mit stabilen Flächenumsätzen bei Büroimmobilien – Homeoffice hin oder her.