Die Tage, an denen Niels Stolberg seine Freiheit genießt, könnten gezählt sein. Seit dieser Woche ist in dem Verfahren gegen den Bremer Ex-Reeder mit dem Bundesgerichtshof (BGH) die letzte Instanz im Spiel. Das hat das Gericht auf Anfrage des WESER-KURIER mitgeteilt. Sollte der BGH das Urteil gegen Stolberg bestätigen, muss er ins Gefängnis. Der 58-Jährige war im März vergangenen Jahres vom Landgericht Bremen wegen Kreditbetrugs, Untreue in besonders schwerem Fall und der Fälschung von Geschäftsunterlagen zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Auf der Anklagebank saßen drei weitere Manager der ehemaligen Reederei Beluga, sie kamen mit Bewährungsstrafen davon. Stolberg hatte gegen die Entscheidung des Gerichts Revision eingelegt. Nur deshalb blieb er bislang von der Haft verschont.
Für seine Revision hat Stolberg einen der bekanntesten Rechtsanwälte in Deutschland engagiert. Gerhard Strate gilt als besonders ausgebufft und nimmt gerne schwierige Fälle an. Der Strafverteidiger aus Hamburg argumentiert in dem Beluga-Verfahren nicht mit Formfehlern, sondern mit Rechtsfragen. Vor allem geht es dabei um den vom Bremer Landgericht festgestellten Kreditbetrug zulasten des US-amerikanischen Hedge-Fonds Oaktree, der bei Beluga zunächst als Teilhaber eingestiegen war und die Reederei zuletzt komplett in der Hand hatte. Oaktree, so die Sichtweise von Strate, sei Investor gewesen und kein Kreditgeber. Der Vorwurf des Kreditbetrugs laufe deshalb ins Leere. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Kammer in diesem Punkt falsch entschieden hat“, sagte Strate dem WESER-KURIER.
Fehlerhaft ist die Bewertung des Landgerichts nach Auffassung des Rechtsanwalts auch in einem zweiten Punkt. Er betrifft den Vorwurf der Untreue im Falle eines Kommanditisten, der sich mit fünf Millionen Euro an einer der Schiffsgesellschaften von Beluga beteiligt hatte. Strate bezweifelt, ob dem Anleger durch das Geschäft ein Schaden entstanden ist. Der Mann hatte vor Gericht ausgesagt, dass er sich von Stolberg nicht betrogen gefühlt habe.
Revision eingelegt hatte auch die Bremer Staatsanwaltschaft und dies auf 30 Seiten begründet. „Dem Gericht sind aus unserer Sicht Fehler unterlaufen, die zu einer zu geringen Strafe geführt haben“, erklärte damals ein Sprecher der Behörde. Die Anklage hatte für Stolberg viereinhalb Jahre Haft gefordert. Mehr wird es für den Ex-Reeder jetzt aber auf keinen Fall geben. Die Bremer Generalstaatsanwaltschaft war zu dem Schluss gekommen, dass die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. Sie zog den Antrag zurück.
Richter setzen sich mit rein formalen Fragen auseinander
Die Akten des Verfahrens lagen einige Zeit bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe und sind jetzt mit einem entsprechenden Antrag an den BGH gegangen. Die Strafverfolgungsbehörde nimmt darin Stellung zu den Erfolgsaussichten der Revision. Ob sie zulässig ist oder verworfen wird, entscheidet der 5. Strafsenat des BGH mit Sitz in Leipzig. Die Richter setzen sich dabei mit rein formalen Fragen auseinander und steigen nicht in die Beweisaufnahme ein.
Sollte der Strafsenat der Revision stattgeben, was nur selten vorkommt, und das Verfahren zurück nach Bremen verweisen, müsste sich eine andere Kammer des Landgerichts mit dem Fall befassen. Theoretisch wäre dann alles möglich, bis zu dem Szenario, dass der gesamte Sachverhalt neu aufgerollt werden muss.
Im ersten Verfahren hatte sich das Gericht anderthalb Jahre vorbereitet und mehr als zwei Jahre verhandelt.