Alle sind zu Hause. Geschlossene Kultureinrichtungen und Gastronomie, Homeoffice und Kurzarbeit, Kontaktbeschränkungen und Quarantäne – die eigenen vier Wände rücken in den Mittelpunkt des Alltages. Im Frühjahr bildeten sich lange Schlangen vor den Baumärkten. Inzwischen profitieren besonders Küchenstudios und Einrichtungshäuser bundesweit von den coronabedingten Einschränkungen. In Bremen berichten Küchenstudios und Kaminbauer ebenfalls von guten Umsätzen.
„Die Küchenmöbelhersteller haben sich im bisherigen Jahresverlauf von allen Möbelsparten am besten entwickelt und die Einbußen durch den Lockdown im Frühjahr inzwischen schon wieder wettgemacht“, sagt Jan Kurth, Geschäftsführer des Verbands der Deutschen Möbelindustrie (VDM). Wohnen und einrichten sei den Menschen schon lange wichtig. „Die Auswirkungen der Corona-Krise haben diesen Trend zum Cocooning, dem Rückzug in das eigene Zuhause, aber noch verstärkt“, sagt er. Als hätten sie eine Wahl.
Der Umsatzrückgang wegen geschlossener Geschäfte und Möbelhäuser im April (minus 18,6 Prozent) und Mai (minus 17,9 Prozent) konnte die Küchenmöbelindustrie schnell wieder kompensieren. Nach der Wiedereröffnung der Läden spürte die Branche eine enorme Nachfrage: So lagen die Auftragseingänge laut den Erhebungen des VDM im Juni um 26 Prozent über dem Vorjahresmonat.
Im September betrug das Plus 34 Prozent. Insgesamt übertrifft der Auftragseingang in den ersten neun Monaten den Wert des Vorjahreszeitraums um rund neun Prozent. Mit einem Umsatz von 3,26 Milliarden Euro verdiente die Branche voraussichtlich mehr als im Jahr vor Corona.
Dreißig Prozent besser als sonst
Von vielen Aufträgen und verlängerten Lieferzeiten berichten die Bremer Küchenstudios. Dirk Meyer, Inhaber des Neustädter Geschäfts Meyer & Rojahn sagt: „Es läuft gleichbleibend gut, das ganze Jahr schon. Dreißig Prozent besser als sonst. Meine Vermutung ist, dass die Menschen nicht in den Urlaub fahren durften. Und durch Homeoffice sind viele zu Hause und haben festgestellt, dass sie was verändern wollen.“ Die Wartezeit für eine Küche bei ihm liege momentan bei drei bis vier Monaten. Wer sich jetzt eine Küche aussuche, müsse bis März oder April warten. Normalerweise sagt er, betrage die Wartezeit nur sechs bis acht Wochen.
Mehmet Gölge, Inhaber der Gröpelinger Küchengalerie, hat erst im vergangenen Jahr eröffnet. Er sagt über seine Situation: „Ich bin zufrieden. Es gibt einen Küchenkaufrausch. Ich höre von Herstellern, die von 30 bis 40 Prozent mehr Umsatz sprechen.“ Zwei Wochen mehr als normalerweise und damit acht Wochen dauere es momentan bei ihm, bis die neue Küche geliefert werde. Er glaubt, ausgefallene Urlaube, damit gespartes Geld und mehr Zeit, führten zu dem gesteigerten Interesse an Herd und Co. Ungebrochen optimistisch ist er aber nicht: „Das wird nicht ewig so weitergehen“, sagt er.
Von arbeitsintensiven Tagen berichtet auch Frank Depping aus seinem Studio in der Überseestadt: „Es läuft zu gut. Wir werden fast überrannt, es gibt so viele Anfragen. Das ist schon echt verrückt.“ Auf Elektrogeräte wie einen Geschirrspüler müssten Kunden momentan rund zehn Wochen warten. „Das hat die Branche nicht erwartet, die gehen restlos unter.“ Bis Ende Januar seien die Auftragsbücher voll.
Im Fachhandel geben die Menschen in Deutschland laut dem Marktforschungsunternehmen GfK inzwischen rund 9700 Euro für eine Küche inklusive Elektrogeräte, Lieferung und Montage aus. 2018 betrug die Summe 7125 Euro. Ob die Mehrwertsteuersenkung auch ein Grund ist? Bei 9700 Euro machen drei Prozent immerhin 291 Euro aus. Sie habe „sicherlich ebenfalls einen zusätzlichen positiven Effekt gehabt“, sagt Kai Bollmann, GfK-Experte im Bereich Marketing Insights.
Trend zu höherwertigen Küchen
„Obwohl wir das nicht direkt an den Durchschnittspreisen ablesen können.“ Die seien weiter gestiegen, was er mit dem anhaltenden Trend zu höherwertigen Küchen begründet. „Die Leute wollen etwas Gutes haben mit Werterhalt“, meint auch Küchenstudioinhaber Dirk Meyer aus der Neustadt. Höherwertige Küchen und die Farbe schwarz für Regale, Armaturen und Zubehör wünschten sich viele Kunden von Frank Depping, berichtet er.
Ebenfalls gut ist die Situation der Bremer Kaminbauer. „Wir können uns nicht beklagen – im Gegenteil: Es ist gut zu tun. Man merkt, dass die Leute nicht wegkönnen und sich mit umbauen und renovieren beschäftigen. Mit Sicherheit kommen wir gut aus der Krise raus, wenn es so weiter geht“, sagt Uwe Röge, Mitarbeiter bei Kamin&Ofen aus Bremen-Nord. Auch er spricht von Probleme bei den Lieferanten. Bernd Hüholt vom Kaminland aus Osterholz nimmt mehr Zurückhaltung bei seinen Kunden wahr, seit die Infektionszahlen wieder steigen. Er beobachte einen Trend zu hochwertigen Kaminen.