Drei Monate. Das ist viel Zeit. Zumindest für jemanden, der als Angestellter darauf wartet, Gewissheit über das Schicksal seiner Firma zu bekommen. Der erfahren will, ob die eigene Existenz auch noch in einem halben Jahr gesichert ist. Der darum bangt, den Unterhalt für sein Eigentum und das Auskommen für seine Familie weiter leisten zu können. Seit Montag besteht nun Gewissheit für diese Menschen. Beluga wird zum 1. Juni abgewickelt. 224 von ehemals 671 Mitarbeitern der Bremer Reederei verlieren endgültig ihre Jobs.
Drei Monate sind aber andererseits auch furchtbar wenig. Wenig im Vergleich zu 16 Jahren, in denen die Reederei zu einem der weltweiten Marktführer wurde. Einer Zeit, in der das Unternehmen beständig wuchs, indem es geschickt eine Nische der Schifffahrtsbranche besetzte und in der es Firmengründer Niels Stolberg verstand, seine Ideen in bare Münze zu verwandeln. Die Dramatik und Geschwindigkeit aber, mit der das Unternehmen mit der markanten Fluke im Logo in den Abgrund gerissen wurde, suchen bislang ihresgleichen.
Das endgültige Aus war freilich keine wirkliche Überraschung mehr. Viele Beluga-Mitarbeiter haben damit gerechnet, mehr als 200 von ihnen sind in den vergangenen Wochen schon freiwillig ausgeschieden. Jetzt drängen sich zwei Fragen auf:
1. War das Ende nötig? Die Antwort: Nein. Der US-Finanzinvestor Oaktree, der im Sommer 2010 als Kapitalinvestor bei Belugaeingestiegen war und im März 2011 die Kontrolle über das Unternehmen übernommen hatte, verstand einfach zu wenig vom Schifffahrtgeschäft. Unmittelbar nachdem Stolberg im März 2011 entmachtet worden war, brüskierten Oaktree-Manager die Emissionshäuser, in deren Besitz sich die meisten der Beluga-Schiffe befanden, mit unerfüllbaren Forderungen. Die Konsequenz: Die Häuser zogen ihre Schiffe einfach von Belugaab. In der Branche gilt es deshalb als ausgemacht, dass die Insolvenz unnötig war. Dieser Ansicht sind auch hochrangige Bankmanager.
Dazu kam offenbar die Unkenntnis über wesentliche Mechanismen der Branche. So wie sich die Auswirkungen der Wirtschaftskrise erst mit der Verzögerung von gut eineinhalb Jahren im Schwergutgeschäft bemerkbar machten, so sind auch die Effekte des Aufschwungs erst mit Verzögerung zu spüren. Mit anderen Worten: Oaktree hätte einfach bis Anfang 2012 warten müssen. Warten, bis sich der Sturm gelegt hat, um dann umso mehr vom Aufschwung zu profitieren.
Aber dazu war es längst zu spät. In der Branche hatte sich die rüde Cowboy-Art des Investors herumgesprochen. Deshalb hatte wohl auch die „Auffanggesellschaft für Beluga“, wie der vorläufige Insolvenzverwalter Edgar Grönda die Firma „Hansa Heavy Lift“ (HHL) nannte, ziemlich große Probleme. Die Gesellschaft hatte von Anfang an den Makel, ein Produkt der Geschäftswelt Oaktrees zu sein.
2. Wurde jede Chance ergriffen, um Belugazu retten? Diese Frage ist schwieriger zu beantworten. Aber Fakt ist: Es gab die Angebote von zwei Reedereien, Belugaaufzufangen und Geld in die Rettung des Unternehmens zu investieren. Die Angebote wurden nach Auskunft dieser Reedereien nie ernsthaft als Möglichkeit in Betracht gezogen. Warum? Konnte der vorläufige Insolvenzverwalter nicht so selbstständig agieren, wie er wollte? Wurde er von der Oaktree-Strategie in ein Korsett gesteckt, das ihn dazu zwang, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu suchen?
Wie dem auch sei. Ab 1. Juni wickelt ein Trupp von 65 Mitarbeitern Belugaab. Das Kerngeschäft der Firma, die Schwergutreederei, wird die HHL mit 16 verbliebenen Schiffen weiterführen. In dieser Gesellschaft werden dann 70 der ehemaligen Beluga-Mitarbeiter unterkommen. Als großen Erfolg kann man das freilich nicht verbuchen. Denn es hätten nach Lage der Dinge deutlich mehr sein können.