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Neue Regeln für das Wertpapiergeschäft „Das ist ein Riesenkraftakt“

Seit diesem Jahr müssen Banken strengere Richtlinien im Wertpapiergeschäft erfüllen. Gerade für kleinere Häuser ist das eine Herausforderung. Was Mifid II für Bremer Banken und die Kunden bedeutet.
21.02.2018, 19:39 Uhr
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„Das ist ein Riesenkraftakt“
Von Lisa Schröder

Ins Gespräch zwischen Berater und Kunden schaltet sich bei der Deutschen Bank neuerdings eine dritte Stimme ein. Denn seit Januar gilt die strengere Finanzmarktrichtlinie der EU mit der kryptischen Abkürzung Mifid II. Jedes Telefonat, in dem Kunden zu Wertpapieren beraten werden, muss seitdem aufgezeichnet werden. Die Berater drücken zuvor einen Knopf und eine automatisierte Ansage startet. „Unsere Kunden kennen das gar nicht“, sagt Tim Danne, Leiter des Private Bankings. Wegen der neuen Regelung gebe es noch Verunsicherung. „Einige glauben, wenn sie auflegen, ist dokumentiert, dass sie keine Aufnahme möchten und dann ist alles so wie früher“, sagt Sabine Niemeyer, Leiterin des Privatkundengeschäfts. Doch der Mitschnitt ist Pflicht, fünf Jahre muss er archiviert werden.

Der Vorgänger der Richtlinie, Mifid I, machte Beratungsprotokolle schon seit 2007 notwendig. Nun muss zu jedem Gespräch eine Geeignetheitserklärung aufgesetzt werden: Welches Risiko kann sich der Kunde leisten? Welches Produkt passt zu ihm? Um das einzuschätzen, setzt die Deutsche Bank auf einen Finanzcheck. Einnahmen, Ausgaben, Versicherungen, Altersvorsorge und sogar Hobbys des Kunden werden darin berücksichtigt. Wenngleich der Aufwand für den Kunden ebenfalls wachse, Mifid sei im Grunde ein „Kundenschutzprogramm“, sagt Niemeyer. Banken tragen mehr Verantwortung für die angebotenen Wertpapiere. „Das ist ein Vorteil für den Kunden.“

Schon seit drei Jahren bereitet sich die Deutsche Bank auf die Überarbeitung von Mifid I vor. Die Abkürzung steht für Markets in Financial Instruments Directive. Als stellvertretende Vorsitzende des Bankenverbands Bremen erfährt Niemeyer auch, welche Erfahrungen andere Institute dabei machen. „Das ist ein Riesenkraftakt“, sagt sie. Dokumentieren und erklären – der zusätzliche Aufwand soll mehr Transparenz bringen. Das ist nach Niemeyer gelungen und auch gerechtfertigt. Darum sagt sie: "Mifid hat Licht- und Schattenseiten.“ Die Geeignetheitserklärung bringe wertvolle Klarheit, ob Berater und Kunde sich verstanden haben. Auf der anderen Seite nimmt die Informationsflut für den Kunden zu: Dicke Umschläge mit Unterlagen und vierteljährlich eine Depotaufstellung findet er nun in der Post. „Wir staunen, was das für einen Papierberg bedeutet.“

Gerade für kleinere Institute ist der Aufwand dabei enorm. Die neuen Regularien verschärfen damit den Konsolidierungsprozess in der Bankenbranche weiter. Sebastian Ahlering, Bereichsleiter für Vertriebsmanagement der Bremischen Volksbank, bestätigt, dass Mifid kleinere Häuser überproportional treffe. „Wenn wir Mitarbeiter für das Projekt abstellen, tut das natürlich mehr weh.“ Die Bank begrüße die zunehmende Transparenz in der Beratung. Jedoch stelle sich die Frage, ob das Ausmaß der Regulatorik sinnvoll ist und der Kunde auch alles verstehe. Niemeyer erwartet schon jetzt weitere Auflagen: „Irgendwann werden wir über Mifid III sprechen.“ Darum sei der Zusammenschluss von Banken zunehmend erforderlich.

Die Sparkasse Bremen spricht wie Niemeyer von Mifid als der größten Änderung im Wertpapierrecht in den vergangenen zehn Jahren. „Die Kosten hierzu belaufen sich für unser Haus auf einen mittleren sechsstelligen Betrag.“ Schätzungen zufolge kostet es die deutschen Banken insgesamt bis zu einer Milliarde Euro, auf Mifid II umzustellen. Grundsätzlich stehe die Sparkasse, bis auf einige Punkte, die nachjustiert werden müssten, den Regelungen aber positiv gegenüber.

Mifid II erzeugt Tim Danne zufolge nicht nur einen Beratungsaufwand, der sich verdoppelt hat, sondern ändert auch an der Stimmung im Gespräch zwischen Kunde und Berater etwas. Denn nach Schulungen und Tests zur Vorbereitung fehle noch die Routine. „Da ist teils ein unwahrscheinliches Vertrauensverhältnis. Doch plötzlich wird der Berater, den ich seit vielen Jahren kenne, irgendwie ein bisschen hölzern.“ Von der genauen Dokumentation der Kosten, eine weitere Vorschrift, ist Danne überzeugt: „Ich bin begeistert, wie detailliert das ist und übersichtlich bleibt.“

In Nullzinszeiten versuchen die Banken, mehr Kunden von Wertpapieren zu überzeugen. Derzeit besitzen nach Angaben der Deutschen Bank nur 14 Prozent der Deutschen direkt oder indirekt Aktien. „Mit Mifid II wird das nicht leichter“, sagt Niemeyer. Doch letztlich helfe die zusätzliche Transparenz auch der Branche: „Wir hatten eine Vertrauenskrise nach der Finanzmarktkrise. Die Regulierung ist insofern hilfreich und gibt den Kunden Sicherheit.“

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