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Interview zum Freihandelsabkommen "Das kann Arbeitsplätze kosten"

Tim Goydke, Professor für Wirtschaftsjapanologie an der Hochschule Bremen, spricht im Interview über die Vielfalt die das Freihandelsabkommen Jefta mit sich bringt, aber auch über Punkte, die er kritisch sieht.
17.07.2018, 21:25 Uhr
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Von Lieselotte Scheewe

Herr Goydke, die EU und Japan haben das Freihandelsabkommen Jefta unterzeichnet. Ist der Vertrag aus Ihrer Sicht sinnvoll?

Tim Goydke: Auf jeden Fall, weil es die EU und Japan mehr zusammenbringt. Jetzt gibt es die Hoffnung, einen verbesserten Zugang zu den jeweiligen Märkten zu bekommen, was letztlich mehr Vielfalt für die Verbraucher und sinkende Preise bedeutet. Und das zieht auch Investitionen nach sich. Das sind alles Dinge, die man sich grundsätzlich von Freihandelsabkommen erhofft und die auch in der Regel so eintreffen.

Was wird sich konkret für beide Volkswirtschaften verbessern?

Sowohl die EU als auch Japan sind hoch industrialisierte Länder, und auf Industrieprodukte sind die Zölle ohnehin sehr niedrig. Die Einsparungs- oder die Gewinneffekte sind dort sicherlich nicht so übermäßig groß. In anderen Bereichen hingegen schon. Es gibt genug Studien, die gezeigt haben, dass die EU viel landwirtschaftliche Produkte oder Lebensmittel nach Japan exportiert und umgekehrt die Japaner daran interessiert sind, dass auch die verbliebenen Zölle gerade im Automobilbereich gesenkt werden.

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Inwiefern unterscheidet sich die Wirtschaft in der EU und in Japan?

Die EU ist ein Riesenfeld. Schon Deutschland und Frankreich unterscheiden sich sehr. Das muss man dabei immer berücksichtigen. Japan und Deutschland haben ein ganz ähnliches Portfolio, was Exporte und Importe angeht. Ich glaube, da wird sich gar nicht so viel tun. Vor allem im Maschinenbau, Anlagenbau, Automobilbau sind beide Länder stark. Jefta ist aber immer noch eine Verbesserung, weil etwa auch deutsche Automobilbauer Zulieferteile aus Japan brauchen und umgekehrt. Wenn in diesem Bereich die Zölle runtergehen, ist das für beide Seiten gut. Ein Land wie Frankreich wiederum, das stärker bei Nahrungsmitteln ist, erhofft sich noch mal einen anderen Zugang, den es bisher noch nicht so gab. Da muss man sehen, ob das so funktioniert, weil die Japaner ganz andere Essensgewohnheiten haben.

Wie sieht es mit Investitionen aus?

Das ist eine große Frage. Investitionen sind zwar nicht so explizit mit drin, wenn es um Freihandel geht. Es ist aber in dem Abkommen inkludiert, sie zu fördern. Da gilt Japan immer als ein schwer zugängliches Land. Nach meiner Einschätzung ist es nicht wirklich verschlossen, aber es hat doch viele Eigenheiten. Es hat hohe Qualitätsansprüche, ist teilweise sehr bürokratisch und viele Dinge laufen zum Teil ganz anders als bei uns. Wir sind in Europa schon viel mehr harmonisiert. Investitionen zwischen Deutschland und Frankreich sind etwa kein großes Problem mehr. Dass Investitionen von Europa nach Japan jetzt in dem Maße zunehmen, da bin ich eher etwas skeptisch. Gewisse Zuwächse wird es aber sicherlich geben.

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Gibt es auch Punkte, die Sie kritisch sehen?

Es wird darauf hingewiesen, dass der Verbraucherschutz auf der Strecke bleibt. Ich sehe das nicht ganz so. Japan ist ein Land, das hoch entwickelt ist, wo Verbraucherschutz – gerade was Sicherheitsstandards und Gesundheitsaspekte angeht – eine extrem große Rolle spielt. Natürlich aber bedeutet Freihandel mehr Wettbewerb, und da kann es für europäische Firmen schon schwieriger werden, wenn jetzt japanische Unternehmen eben ohne Zölle und damit günstiger auch in den europäischen Markt gehen können. Das kann Arbeitsplätze kosten. Studien zeigen aber auch, dass es unterm Strich eher positive Beschäftigungseffekte geben wird und nicht unbedingt negative. Es kann natürlich trotzdem sein, dass in gewissen Branchen Jobs verloren gehen und in anderen welche gewonnen werden. Das sind Umstrukturierungsprozesse, mit denen man rechnen muss.

Welche Branchen sehen Sie da gefährdet?

Im Hightech-Bereich sind japanische Firmen stark und wenn sie wegen der weggefallenen Zölle preiswerter sind, dann kann das zu mehr Wettbewerb führen, den europäische Firmen vielleicht nicht bestehen können. Ich sehe aber gerade für Deutschland keine klassische Branche. Denn die meisten Unternehmen sind nicht mehr in diesen arbeitsintensiven Industrien unterwegs. Ich glaube, dass wir eher Beschäftigungszuwächse haben werden. In anderen europäischen Ländern kann es jedoch sein, dass japanische Produkte inländische Anbieter verdrängen. Aber das wird dann eher Länder wie Spanien, Italien, vielleicht auch Frankreich, nicht unbedingt Deutschland ­betreffen.

Die Fragen stellte Lieselotte Scheewe.

Zur Person

Zur Person

Tim Goydke (46)

ist Professor für Wirtschaftsjapanologie und Studiengangsleiter des MBA European/Asian Management an der Hochschule Bremen. Davor war er an der Universität­Waseda in Tokyo tätig.

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