SWB-Chef Torsten Köhne spricht im Interview über den Abbau alter Anlagen, Kosten für Verbraucher und warum er mehr staatliche Eingriffe will.
Herr Köhne, rechnen Sie nach den jüngsten Energiebeschlüssen der Regierung mit neuem Ärger Ihrer Stromkunden?
Torsten Köhne: Nein, das tun wir nicht.
Fakt ist aber, dass auf die Verbraucher höhere Preise zukommen, weil sie die Kosten für die Abschaltung von Braunkohlekraftwerken tragen sollen.
Das stimmt, auf diese Weise werden die Stilllegungskosten sozialisiert. Im Prinzip finde ich das auch richtig. Man kann nicht die konventionellen Betreiber zwingen, ihre Anlagen außer Betrieb zu nehmen und sie dann mit den Lasten für den Personalabbau allein lassen. Da müssen wir schon bereit sein, die Folgen der Energiewende solidarisch mitzutragen.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte vor einem Jahr noch versichert, „Hartz IV für Kraftwerke, nicht arbeiten, aber Geld verdienen“, das werde es nicht geben. Geschieht jetzt nicht das Gegenteil?
Also ich fand die Aussage damals ehrlich gesagt reichlich extrem und auch ein bisschen an den Realitäten vorbeigehend. Tatsächlich ist es sinnvoll, wenn man die erklärten Umweltziele erreichen will, als erstes an die Braunkohlekraftwerke heranzugehen, weil das eben die umweltschädlichsten Anlagen sind. Bei der SWB haben wir das mal durchgerechnet: Die gesamten CO2-Emissionen Bremens entsprechen denen des fünftgrößten Braunkohlekraftwerks in Deutschland. Das größte emittiert sogar dreimal so viel CO2 wie ganz Bremen. Das heißt, wenn man Klimaschutz will, dann muss man eben auch einen Mechanismus finden, der genau da ansetzt.
Viele alte Kraftwerke wären ja in nächster Zeit ohnehin vom Netz gegangen. Wirft man den Unternehmen jetzt nicht unnötig Geld hinterher?
Es wäre bestimmt eine Reihe Kraftwerke vom Netz gegangen – aber mit Sicherheit keine Braunkohlekraftwerke. Anders als Steinkohlekraftwerke rechnen sich die Braunkohlekraftwerke wegen der geringeren Brennstoffkosten immer noch. Deswegen ist der Anteil der Braunkohle an der Stromerzeugung in den vergangenen Jahren auch stetig gewachsen mit entsprechenden Folgen für die CO2-Bilanz.
Bekommen künftig auch kleinere Versorger wie SWB Ausgleichszahlungen, wenn sie Kapazitäten stilllegen müssen?
Nein, die bekommen wir nicht, obwohl wir derzeit tatsächlich Schwierigkeiten mit unserer Erzeugung haben. Mit der Verstromung von Steinkohle und Gas ist inzwischen kein Geschäft mehr zu machen. Wir gehen jedoch davon aus, dass wir den nötigen Strukturwandel – zumindest in den kommenden Jahren – aus eigener Kraft stemmen können, ohne auf die Solidargemeinschaft zurückgreifen zu müssen.
Wird die SWB künftig überhaupt noch Kohlekraftwerke betreiben?
Das kann ich im Moment noch nicht sagen. Wir haben ja bereits drei Anlagen stillgelegt und betreiben aktuell noch zwei Kohlekraftwerke. Das eine produziert sehr viel Fernwärme und muss deshalb anders bewertet werden als unser großes Kraftwerk im Hafen. Das produziert bei geringerer Fernwärmeauskoppelung im wesentlichen für den Großhandel, wo wir kein Geld mehr verdienen können. Deswegen werden wir dieses Kraftwerk früher oder später auch noch stilllegen.
Wann?
Der Zeitpunkt steht noch nicht fest – nach aktueller Sicht spätestens in zehn Jahren. Wann genau hängt auch von den sozialen Folgekosten ab. Dabei spielt die demografische Entwicklung eine wesentliche Rolle. Viele unserer Mitarbeiter im Kraftwerk werden in den kommenden Jahren aus Altersgründen ausscheiden. Eine Stilllegung ist deshalb nach 2020 für uns vermutlich günstiger als noch in diesem Jahrzehnt.
Auch mit Strom aus Gas lässt sich angeblich kein Geld verdienen. Werden Sie Ihr gerade fertig gestelltes Gaskraftwerk trotzdem in Betrieb nehmen?
Doch ja, voraussichtlich diesen oder nächsten Monat. Für uns als SWB ist das Ganze kein Verlustgeschäft, weil wir die Deutsche Bahn als Großkunden mit im Boot haben. Müssten wir den Strom ausschließlich an der Börse verkaufen, würde sich die Anlage im Moment tatsächlich nicht rechnen. Das bedeutet, wir werden das Kraftwerk immer dann anfahren, wenn die Bahn Strom anfordert. Den Rest der Zeit steht die Anlage bei derzeitigen Bedingungen vermutlich still.
Dafür sollen Sie mit den anderen Gesellschaftern zusammen 450 Millionen Euro ausgegeben haben.
Ja, das ist ein Resultat der Energiepolitik in diesem Land. Ich finde, die Ausgleichszahlungen an die Betreiber der Braunkohle-Kraftwerke dürfen daher nur ein Schritt sein, dem jetzt weitere folgen müssen. Wenn man es wirklich ernst meint, mit dem Klimaschutz und der CO2-Reduzierung, dann müsste man das gesamte System noch stärker regulieren. Die umweltfreundlicheren Anlagen wie Gaskraftwerke sollten sich am Markt halten können und weniger emissionsoptimierte Anlagen nach und nach vom Netz gehen, bis die am Ende noch nötige Kapazität an konventioneller Energie erreicht ist.
Also noch mehr staatliche Eingriffe?
Wenn man die Energiewende bis zum Ende denkt, ja. Vielleicht erkennt ja auch der Gesetzgeber, dass das Gesamtsystem nur auf der Spur zu halten ist, wenn man es komplett durchreguliert. Ich finde es jedenfalls abwegig, dass man über Jahre immer mehr subventionierte, also von uns allen bezahlte, Stromerzeugung auslöst und dann meint, den verbleibenden konventionellen Teil werde der Markt schon sozialverträglich und im Sinne der CO2 Bilanz regeln.
Was heißt das für SWB? Wollen Sie denn überhaupt noch ein Stromerzeuger bleiben?
Ja. Wobei „bleiben“ in der Energiewirtschaft heute nicht mehr 30 Jahre bedeutet, sondern vielleicht eher 15. Für diese Zeit zumindest bin ich durchaus zuversichtlich, was allerdings an den Sonderbedingungen liegt, die wir als SWB in Bremen haben: Wir können unseren Strom aus Hüttengas gewinnbringend an die Stahlwerke verkaufen, wir haben beim neuen Gaskraftwerk ein langfristiges Partnermodell mit der Bahn, und wir produzieren im Hastedter Kraftwerk viel Fernwärme. Das ist eine Struktur, mit der wir uns die nächsten Jahre halten können.
Die Erneuerbaren Energien spielen dabei gar keine Rolle?
Doch. Wir haben da in der Vergangenheit bereits viel gemacht und merken jetzt auch schon einen nennenswerten Ergebnisbeitrag. Das wollen wir noch weiter ausbauen. Für die Bilanz ist das gut. Aber der Aufbau von Stellen ist weitaus geringer als bei der konventionellen Erzeugung. Wenn man einen Windpark einmal projektiert hat, macht der anschließend nicht mehr viel Arbeit. Bei einem großen Kraftwerk sind es gut und gern 120 Stellen. Bei unseren Erneuerbare-Energien-Anlagen – Wind, Sonne und Wasserkraft – sind es zusammen genommen gerade einmal 20.
Das heißt, der Personalabbau bei SWB wird trotz Ausbau weitergehen?
Wir waren früher ein Unternehmen mit 3500 bis 4000 Beschäftigten. Heute sind wir noch 2450. Und diese Zahl wird sich noch weiter verringern.
Sie haben ja schon angekündigt, bis 2017 etwa 150 Stellen einzusparen zu wollen. Wie viele davon werden auf die Erzeugung entfallen, in der jetzt noch 530 Menschen beschäftigt sind?
Das können wir jetzt noch nicht beziffern.
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SWB Bilanz-Pressekonferenz
Zur Person
Torsten Köhne ist Jahrgang 1964. Der gebürtige Bremerhavener studierte Jura in Osnabrück und kam 1997 zur SWB. Seit 2005 ist er dort im Vorstand und seit 2013 Vorstandsvorsitzender der SWB AG.