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1400 Mitarbeiter in Bremen und Niedersachsen verlieren ihren Job / Investoren bessern Angebot nicht nach Das Schlecker- Imperium wird zerschlagen

Die insolvente Drogeriekette Schlecker wird endgültig zerschlagen. Die Gläubiger haben ein letztes Übernahmeangebot als nicht akzeptabel zurückgewiesen. Die verbliebenen Filialen werden geschlossen, 13500 Mitarbeiter verlieren ihren job. Eine Zukunft gibt es nur für die Schleckertöchter IhrPlatz und Schlecker XL.
11.06.2012, 13:27 Uhr
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Von Krischan Förster

Die insolvente Drogeriekette Schlecker wird endgültig zerschlagen. Die Gläubiger haben ein letztes Übernahmeangebot als nicht akzeptabel zurückgewiesen. Die verbliebenen Filialen werden geschlossen, 13500 Mitarbeiter verlieren ihren job. Eine Zukunft gibt es nur für die Schleckertöchter IhrPlatz und Schlecker XL.

Berlin·Bremen. Den ganzen Vormittag bangte Antje Treptow, rechnete mit dem Schlimmsten und hegte doch noch einen letzten Funken Hoffnung. Die Schlecker-Betriebsrätin hatte aus privaten Gründen in Bremen bleiben müssen, während sich ihre Kollegen aus dem ganzen Bundesgebiet gestern in Berlin getroffen hatten, um auf das entscheidende Votum des Gläubigerausschusses zu warten. Drei Stunden tagte das Gremium an einem geheimen Ort, dann war klar: Es gibt für die insolvente Drogeriekette keine Zukunft mehr. Die in Berlin versammelten Betriebsräte erfuhren es als erste, nur kurze Zeit später wusste es auch Antje Treptow in Bremen. „Ein schlimmer Tag für uns alle“, sagte sie später.

Monatelang war darum gerungen worden, die Drogeriekette vor der Pleite zu retten. Die Gnadenfrist, die eingetlich Pfingsten ausgelaufen war, wurde vom Insolvenzverwalter noch einmal verlängert. Doch nach und nach sprangen alle potenziellen Investoren wieder ab, zuletzt auch die Holding von Nicolas Berggruen, der vor wenigen Monaten Karstadt übernommen hatte auf der zuletzt viele Hoffnungen ruhten. Übrig blieb nur der US-Finanzinvestor Cerberus und dessen Angebot bezeichnete Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz gestern als „nicht akzeptabel“.

Bereits im März hatte Geiwitz hunderte unrentable Filialen geschlossen und fast 11000 Mitarbeiter entlassen, um die Sanierungschancen für das 1975 von Anton Schlecker begründete Imperium zu steigern. Bis Ende Juni sollen die noch 13500 Schlecker-Mitarbeiter ihre Kündigung erhalten, darunter rund rund 1400 Beschäftigte in Bremen und Niedersachsen. In den verbliebenen 2800 von einst 5000 Märkten beginnt jetzt der Ausverkauf, auch in Bremen, wo nach der Schließungswelle im März noch 24 Filialen übrig geblieben sind. „Das müssen wir noch vernünftig abwickeln“, sagt Betriebsrätin Treptow.

Der Schlecker-Hauptgläubiger Euler Hermes bezeichnete die Entscheidung gestern als alternativlos. „Man kann nur retten, wenn auch ein Retter da ist“, sagte ein Sprecher des Kreditversicherers, der Forderungen in Höhe von rund 300 Millionen Euro geltend macht. 150 Millionen Euro sind es bei der Arbeitsagentur Ulm, eine ähnlich große Summe schuldet Schlecker der Lieferantengruppe Markant. Laut Geiwitz summieren sich die Forderungen aller Gläubiger auf bis zu eine Milliarde Euro. Am Ende hatte sich abgezeichnet, dass die Gläubiger bei einer Zerschlagung offenbar besser wegkommen als bei einem zu niedrigen Investorenangebot.

Ein Knackpunkt sei die Zahl der Kündigungsklagen gewesen, erklärte Geiwitz gestern. Fast 4500 ehemalige Mitarbeiter wehren sich juristisch gegen ihre Entlassung vom März. Deswegen hätten die beiden Investoren ihre Angebote reduziert, Cerberus habe nur noch Interesse an den Auslandsgesellschaften gezeigt. „Dass es keine Transfergesellschaft gab, wurde auch negativ gewertet.“

„Zu spät umgesteuert“

Der Handelsexperte Peter M. Rose von der Hochschule Bremen sieht die Gründe für den endgültigen Untergang von Schlecker allerdings in der Vergangenheit des Unternehmens. Firmengründer Anton Schlecker und auch dessen Nachfolger hätten sich zu lange mit dem Erreichten zufrieden gegeben. Bis vor zwei Jahren war das schwäbische Unternehmen unangefochtener Marktführer auf dem deutschen Drogeriemarkt mit einem Umsatz von mehr als 6,5 Milliarden Euro. Weit vor dm und Rossmann. Beide Konkurrenten hatten jedoch mit großen Filialen, einem größeren Warensortiment und günstigeren Preisen stark aufgeholt – Schlecker habe dagegen viel zu spät damit begonnen, seine Geschäfte zu modernisieren. Allein im vergangenen Jahr schrieb die Kettet 200 Millionen Euro Verlust. „Der Rückstand war nicht mehr aufzuholen“, sagt Rose.

Aus seiner Sicht wäre eine Rettung möglich gewesen, Schlecker habe allein wegen des bekannten Markennamens noch Substanz gehabt. „Dafür hätte aber viel schneller und konsequenter umgesteuert werden müssen“, sagt Rose. Vom alten Management sei aber kein Sanierungskonzept entwickelt worden, das auch potenzielle Investoren hätte überzeugen können. „Da wurden Chancen vertan“, sagt der Bremer Handelsexperte.

Noch protestieren die Schlecker-Mitarbeiter und die Gewerkschaft Verdi gegen das Aus. Gleich gestern bei einer großen Kundgebung in Berlin, am kommenden Mittwoch ist in Bremen eine Betriebsversammlung aller Schlecker-Mitarbeiter geplant. Am Donnerstag folgt in Hannover eine Kundgebung mit allen Betroffenen zwichen Cuxhanven und Lüneburg, womöglich auch ein Aufmarsch vor der niedersächsichen Staatskanzlei. „Wir werden nicht sang -und klaglos zur Tagesordnung übergehen“, sagte kündigt der Bremer Verdi-Vertreter Richard Schmidt an. An die Politik sollen Signale ausgesandt werden, mehr für die Schlecker-Beschäftigten zu tun als sie nur zu den Arbeitsagenturen zu schicken. Denn die Jobaussichten seien schlechter als immer behauptet werde, sagt Schmid. „Es gibt heute bereits 250000 Arbeitssuchende, aber nur 25000 Stellenangebote im Handel.“ Eine Perspektive gibt es derzeit nur für die knapp Mitarbeiter der Schleckertochter IhrPlatz und für bundesweit rund 1100 Beschäftigte von Schlecker XL, beide sollen noch verkauft werden, ebenso wie Immobilien, Logistiklager und verbliebene Auslandsgeschäfte.

Auch Antje Treptow, seit 17 Jahren bei Schlecker, muss sich neu orientieren. „Aber erst muss ich noch für meine Kollegen dasein“, sagt sie. Es gebe viel zu tun und zu besprechen. Die Betriebsrätin wird noch gebraucht, vielleicht mehr denn je.

www.weser-kurier.de/schlecker

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