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Bremer Experte Der gute Chef

Wie geht vorbildlicher Führungsstil? Der Bremer Experte und Uni-Dozent Michael Schottmayer erklärt, worauf es ankommt.
18.03.2019, 06:00 Uhr
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Von Nico Brunetti

Das Netz feiert „Shortadamlewis“. Der Projektmanager hat die Sympathien seinem Verhalten in einer äußerst schwierigen Situation zu verdanken. Denn „Shortadamlewis“ musste sein gesamtes Team innerhalb von acht Stunden entlassen, wie er auf der Internetseite Reddit.de berichtete. Kein angenehmer Moment. Doch er haderte nicht lange. Stattdessen beorderte er seine Mitarbeiter in einen Konferenzraum. Gemeinsam nutzte die Mannschaft den letzten Arbeitstag, um Lebensläufe und Empfehlungsschreiben zu optimieren. Bei der Internetgemeinde kam dieser konstruktive Umgang mit einer unerwarteten Krisensituation sehr gut an. „Zurecht„, meint Michael Schottmayer, Dozent an der Universität in Bremen. “Er hat seine Emotionen hinten angestellt. Fantastisch.“

Aus der Sicht des 65-Jährigen, der Wirtschafts- und Sozialpyschologie lehrt, zeigt das Beispiel von „Shortadamlewis“, wie Führungsqualitäten funktionieren können. Der Chef und der Mitarbeiter, so Schottmayer, sollten sich „praktisch auf gleicher Augenhöhe“ begegnen.“ Dem Vorgesetzten müsse es ein Anliegen sein, ein persönliches Verhältnis zu seinen Beschäftigten aufzubauen. „Es führt kein Weg daran vorbei, sich auf den Menschen einzulassen„, sagt der Experte. “Der Chef sollte schon mit den Mitarbeitern im Gespräch sein und sich für sie interessieren“. Eine Möglichkeit ist seiner Meinung nach, außerhalb der Arbeit gemeinsam mit den Kollegen private Unternehmungen zu starten. „Das ist sehr wichtig und sinnvoll, zusammen etwas in der Freizeit zu erleben“, ist Schottmayer überzeugt.

Individuelle Chancen zur Weiterentwicklung

Ebenso wichtig sei es, über hierarchische Grenzen hinweg das Arbeitsverhältnis als ein Geben und Nehmen zu betrachten. Das heißt: „Der Vorgesetzte zieht seinen Mitarbeiter zu Rate, wenn es etwas zu entscheiden gibt. Das letzte Wort besitzt dann der Chef. Er hat von der Sache her die Autorität und bietet dem Mitarbeiter so die Schutzfunktion“, sagt Schottmayer. In der Wissenschaft spricht man von einem „kooperativen Führungsstil“, den der Chef hierbei an den Tag legt. „Dieser Stil wird auch vielfach praktiziert“, berichtet der Dozent. Gerade die Einbeziehung in wichtigen Unternehmensfragen sei für den Beschäftigten dabei unabdingbar. „Manche Menschen empfinden es als Stress, wenn sie wenig Handlungs- und Entscheidungsspielräume haben und werden dadurch sogar krank.“

Aber nicht nur auf einen kooperativen Führungsstil kommt es an. Darüber hinaus müssen Chefs die Befähigung haben, den Entwicklungsstand eines Mitarbeiters realistisch einzuschätzen – und ihn dementsprechend einzusetzen. Dies wird als „reifegradorientiertes Führen“ bezeichnet. Die „transformationale Führung“ zielt darauf ab, bei der Aufgabenverteilung die individuellen Chancen zur Weiterentwicklung zu berücksichtigen.

Von Achtung und Vertrauen geprägter Umgang

Den Wohlfühlfaktor am Arbeitsplatz kann der Chef natürlich auch durch stimmige finanzielle Rahmenbedingungen erzeugen. Allerdings gehen Managementexperten davon aus, dass materielle Anreize wie Prämien oft nur kurzfristige Wirkung haben. Selbstverständlich sein sollte aus Sicht von Schottmayer, dass Überstunden bezahlt werden. „Ansonsten braucht man gar nicht über Führungsverhalten zu sprechen.“ Belohnungen und Bonuszahlungen könnten sicherlich die Zufriedenheit des Beschäftigten erhöhen. Allerdings sei hier Vorsicht geboten. „Sie müssen adäquat sein. Schenkt der Chef seinem Mitarbeiter zum Beispiel Karten für ein Fußballspiel und der mag kein Fußball, dann könnte beim Mitarbeiter das Gefühl entstehen, dass sich sein Chef nicht für ihn interessiert.“

Grundsätzlich, meint Schottmayer, hat das Finanzielle heute in der Arbeitswelt nicht mehr höchste Priorität. „Allgemein gibt es die Tendenz, dass für viele Menschen die Lebensqualität viel wichtiger als höheres Einkommen ist.“ Um beim Mitarbeiter die positive Bindung an seinen Arbeitgeber zu festigen, bietet es sich heutzutage nach seiner Einschätzung eher an, den Mitarbeiter für seine Leistung mit mehr Freizeit – beispielsweise durch freie Tage – zu belohnen.

Dies könne die persönliche Wertschätzung steigern, die ein Beschäftigter laut Schottmayer zwingend spüren sollte. Im „wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis“ müsse zudem ein Umgang herrschen, der von Achtung und Vertrauen geprägt sei. Des Weiteren sei es für das Betriebsklima wichtig, dass der Chef die Kompetenzen seiner Mitarbeiter anerkenne. Dies stärke beim Beschäftigten die Identifikation mit der eigenen Arbeit, erhöhe die Motivation und führe zu besseren Ergebnissen. Letztenendes sei es aber das Wichtigste, den Mitarbeiter als Menschen zu begreifen. So wie „shortadamlewis“.

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