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Milchkontor will näher an die Kunden Deutsches Milchkontor gesteht Fehler ein

Seit Oktober zahlt das Deutsche Milchkontor seinen Bauern 40 Cent pro Liter Milch. Wie das Unternehmen Vertrauen zurückgewinnen will, und dem Handel mit „Milram to go“ neue Kundenkonzepte bieten will.
07.10.2017, 09:00 Uhr
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Deutsches Milchkontor gesteht Fehler ein
Von Florian Schwiegershausen

Die vergangenen Monate sind nicht einfach gewesen für das Deutsche Milchkontor (DMK). Bis Juni hatten dem großen Molkereiunternehmen 1100 Bauern den Rücken gekehrt und die Verträge gekündigt. Zu groß war die Verärgerung über die niedrigen Milchpreise. Dies bedeutete für das Unternehmen einen Wegfall von mehr als 20 Prozent der 7,3 Milliarden Kilogramm verarbeiteten Milch pro Jahr. Bei der Präsentation der Jahresbilanz im Juni hieß es noch: „Die Bauern haben uns die Gelde Karte gezeigt.“

Seit Monaten höhere Preise für Molkereien

Ab diesem Sonnabend zeigt das DMK nun auf der Nahrungsmittelmesse Anuga in Köln, wie es sich für die Zukunft neu aufstellen will. Dabei geht es zum einen um das Verhältnis zu den Landwirten, zum anderen geht es darum, dass das Unternehmen näher an den Kunden will, um auf dessen Wünsche schneller reagieren zu können. Denn beides ist miteinander verwoben. Das Unternehmen gesteht sich selbst ein, dass die Sortimentsstrategie des DMK nicht immer optimal aufgestellt gewesen sei – also nicht nach dem, wonach den Verbrauchern heutzutage ist. Was den Ärger der Landwirte angeht, sagt der Vorstandsvorsitzende des DMK, Ingo Müller: „Die resultierende, teilweise schwache Auszahlungsleistung und signifikante Milchmengenkündigungen erfordern konsequentes Handeln.“

Alle Molkereien in Deutschland konnten gegenüber dem Handel in den vergangenen Monaten höhere Preise durchdrücken. Seit Oktober zahlt das Milchkontor seinen Landwirten 40 Cent pro Liter Milch. Für viele Landwirte gilt dieser Preis als magische Grenze, ab dem die Produktion auch profitabel werde. Müller ergänzt: „Wir liegen damit aktuell oberhalb des Durchschnitts von elf Vergleichsmolkereien und haben im offiziellen Vergleich der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung zum Wettbewerb aufgeholt.“ So komme das DMK Schritt für Schritt dem Ziel näher, ein wettbewerbsfähiges Milchgeld auszuzahlen. Das Milchgeld sei voll erwirtschaftet, bedeute aber auch, wie wichtig auf der Absatzmarktseite die neue Ausrichtung sei.

Butter so teuer wie lange nicht mehr

Der Verbraucher kann es an der Theke im Supermarkt angesichts der gestiegenen Preise sehen. Ein halbes Pfund Butter kostet dort gerade 1,99 Euro – so viel wie noch nie seit Einführung des Euro. Auch sind momentan die Zeiten vorbei, wo es eine Schale Frühlingsquark der DMK-Marke Milram im Sonderangebot für 49 Cent gab. Und hier setzt auch die neue Strategie ein. So will das DMK die erfolgreichen Marken des Unternehmens stärken. „Wir wollen unser Markengeschäft durch eine höhere Emotionalisierung viel gezielter nutzen“, sagt Müller. Die Marke Milram sei ein Rohdiamant und habe wesentlich mehr Potenzial als jetzt. Das ist aber nur ein Punkt, wie Müller erläutert: „Wir werden zukünftig dem Handel nicht nur ein Sortiment aus Marke und Handelsmarke anbieten, sondern beide Kategorien neu denken. Wertschöpfung ist dabei wesentlicher Dreh- und Angelpunkt.“

So wolle das DMK in Zukunft nicht zwingend über Menge kommen, sondern sich gezielt anschauen, was die Trends sind und was dem Konsumenten wichtiger werde. Als Beispiel gibt es ein neues To-Go-Konzept. So liefert das DMK unter der Marke Milram Joghurt im To-Go-Becher, und der Handelspartner ergänzt dies um frisches Obst. Der Verbraucher findet dies dann so im Frischetresen. „Hier erzielen wir mit unserem Rohstoff Milch natürlich bessere Preise, als mit reinen Standardprodukten und können dafür eine Marke wie Milram natürlich extrem glaubwürdig nutzen“, sagt Müller. Doch anderen schlafen nicht: Konkurrent Arla versucht durch neue Milchgetränke mit Kohlensäure, die junge Zielgruppe wieder verstärkt für Milch zu begeistern.

Das Milchkontor wiederum will gleichzeitig die Handelsmarken, also die Eigenmarken der Discounter und Supermarktketten, nicht vernachlässigen. Immerhin tragen sie etwa die Hälfte zum DMK-Umsatz bei. Hier will das Unternehmen auch stärker Services rund um die Handelsmarke anbieten. „Wir leiten aus Marktanalysen und Trendbewertungen für unsere Kunden Empfehlungen ab, die einen Mehrwert für den Konsumenten bedeuten“, sagt Müller. Nur billig gehe nicht mehr, da viele Ketten ihre Eigenmarken auch im Premiumsegment etablieren.

Drei Werke werden geschlossen

Um das alles anzugehen, muss sich das Unternehmen von innen erneuern. Dazu wurde Hilfe von außen geholt und eine Unternehmensberatung herangezogen. Dafür gibt es sechs neue Unternehmenseinheiten. In der neuen Struktur sollen Forschung und Entwicklung, die Produktion und ein spezialisierter Vertrieb der Produkte schneller auf den Markt reagieren können. Was die Produktion angeht, hatte das DMK bereits im Juni die Schließung von drei Werken außerhalb von Bremen und Niedersachsen angekündigt sowie das Ende der Konfektionierung in Nordhackstedt in Schleswig-Holstein (wir berichteten). Davon sind 270 Arbeitsplätze betroffen. Für die Mitarbeiter soll es Sozialpläne geben.

Ob das DMK mit seinem neuen Weg Vertrauen zurückgewinnt, wird sich zeigen. Zumindest haben nach Angaben eines Unternehmenssprechers 70 Milchbetriebe ihre Kündigung zurückgenommen. Das entspricht einer Menge von 80 Millionen Kilogramm Milch. DMK-Vorstandsvorsitzender Müller sagt dazu: „Wir wollen diese Ansprache intensivieren und auch für die Landwirte, die mit Wirkung Ende 2018 gekündigt haben, fortsetzen. Die Milch der Mitglieder ist und bleibt die wichtigste Säule der Milchversorgung unserer Werke.“ Außerdem sind seit diesem Jahr kürzere Verträge für die Landwirte mit der Molkerei-Genossenschaft möglich. Sie müssen sich nicht mehr auf zwei Jahre binden, sondern können dies auf ein Jahr reduzieren.

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