Herr Lohse, Schwerlast-Transporteure müssen bis zu sieben Wochen auf ihr Genehmigungen warten. Das kostet die richtig viel Geld. Wie kommen so lange Bearbeitungszeiten zustande?
Joachim Lohse : Das ist auch für uns ein sehr unbefriedigender Zustand. Seit Mai ist das Antragsvolumen in kürzester Zeit explodiert. Bis dahin galt das 14-Tage-Versprechen, wo wir auch wieder hinwollen. Dass sich angesichts dessen Unternehmen beschweren, ist verständlich. Die Zahl der Anträge ist jedoch derart sprunghaft angestiegen, teilweise um bis zu 50 Prozent, dass man so schnell kaum mit Personal nachsteuern kann. Dann kam dazu, dass das ausgerechnet im Mai war, also dem Monat mit den meisten Feiertagen – und entsprechenden Urlaubszeiten. Dort ist es uns sozusagen entglitten und hat dann infolge zu einer solchen Arbeitsverdichtung geführt, dass es dann auch noch zu einzelnen Krankmeldungen kam. Das war dann zu Beginn der Sommerferien, wo die Leute ohnehin schon an ihren Belastungsgrenzen arbeiten, das heißt, wir können ihnen nicht den Urlaub streichen. Aber wir werden diesen Antragsberg abbauen.
Wie soll das erfolgen?
Wir haben die Mitarbeiterzahl dort jetzt auf zehn gesteigert, eine elfte Stelle ist ausgeschrieben, und wir wollen es auf zwölf Mitarbeiter in der Spitze schaffen, um so den Berg an Anträgen abzuarbeiten. Das bedeutet aber auch, dass das geschulte eingearbeitete Personal gleichzeitig neue Mitarbeiter einarbeiten muss. Die Wirkung wird also erst in einigen Wochen voll spürbar sein.
Eine Situation wie jetzt haben wir in Bremen aber nicht zum ersten Mal.
Wir hatten einen solchen Zustand schon mal vor fünf Jahren. Danach haben wir einen umfangreichen Maßnahmenkatalog umgesetzt. So haben wir damals die nächtlichen Zeitfenster um eine Stunde nach hinten ausgeweitet, danach also von 22 Uhr bis 6 Uhr. Statt der alten Regelung, dass nur an vier Nächten unter der Woche gefahren werden darf, haben wir eine fünfte und eine sechste Transportnacht ermöglicht, um so diese Verkehre zu verteilen. Die Belastung für die Bevölkerung ist dadurch allerdings auch an den Wochenenden. Wir haben damals das Personal aufgestockt von drei auf sieben Mitarbeiter. Zusätzlich haben wir Springer-Personal aus anderen Referaten ausgebildet, die notfalls hinzugezogen werden können. Und wir haben eine Reihe von Verfahrensvereinfachungen gemacht, dort, wo es möglich ist, um auf bekannten Strecken auch Dauergenehmigungen zu ermöglichen. Damit sind wir vier Jahre lang gut über die Runden gekommen und haben auch zahlreiche Dankesschreiben aus der Logistik bekommen.
Ich habe gehört, dass es da auch zu Mehrfachanträgen kommt. Wie sieht das aus?
Ja, in Einzelfällen stellen die Spediteure bis zu zehn Anträge für einen Transport. In einem Fall hat ein Spediteur 711 Anträge auf Transportgenehmigung gestellt, von denen er dann 602 Transporte gar nicht abgerufen hat. Die haben also gar nicht stattgefunden. Das ist dem geschuldet, dass die Spediteure noch nicht genau wissen, welche Zugmaschine und welchen Hänger sie für den beantragten Transport verwenden wollen. Dadurch wird eine unglaubliche Blindleistung der Verwaltung ausgelöst. Bei jedem dieser Anträge wird Druck gemacht, dass das schnell klappen soll mit der Genehmigung. Wir bearbeiten also 600 nutzlose Vorgänge, um am Ende 100 notwendige Vorgänge abwickeln zu können. Wir sind mit den Spediteuren im Gespräch, wie das reduziert werden kann. Mit einzelnen klappt es, mit anderen wird es besser.
Insgesamt wird doch momentan aber auch mehr transportiert, geschuldet der guten Konjunktur, oder?
In der Breite wird ja in allen Bundesländern überall mehr hin- und hergefahren als jemals zuvor. Und deshalb suchen sich einige Unternehmen einen zweiten oder dritten Fuhrunternehmer. Und der hat nicht die Erfahrung und macht dann teilweise Fehler beim Antragsverfahren. Beispiel: Ein Spediteur merkt, dass sein Schiff erst Tage später abfährt. Daraufhin zieht er seinen Antrag zurück und stellt einen neuen. Damit stellt er sich wieder ganz hinten an. Schneller wäre es für ihn, wenn er seinen Antrag einfach verlängert. Dann hätte er die Genehmigung schneller. Durch solche Missverständnisse ist die Logistikwirtschaft maßgeblich an der Situation beteiligt. Und deshalb haben wir zum Gespräch eingeladen.
Die Spediteure wünschen sich bei den Anträgen ein stärkeres Vorgehen nach Dringlichkeit. Wie sehen Sie das?
Wir haben zwei Dringlichkeitsklassen gebildet: zum einen Schiffstransporte. Die Klasse wird bevorzugt bearbeitet. Das andere sind die übrigen Anträge. Bei allem, was darüber hinausgeht, müssen wir sehr vorsichtig sein, damit man uns dort keine Wettbewerbsverzerrung vorwerfen kann. Da heißt es ansonsten: „Warum genehmigt Ihr den Antrag vom anderen schneller?“
Die 23 Wirtschaftsverbände, die ihre Mischung aus Appell und Hilferuf auch an Sie gerichtet haben, fordern eine Bearbeitungszeit von fünf Werktagen. Inwiefern halten Sie das für realistisch?
Unser Ziel ist, so schnell wie möglich zu den 14 Tagen zurückzukehren. Ich habe volles Verständnis, dass sich die Unternehmen eine zügige Bearbeitung wünschen, ich finde es auch völlig richtig, dass wir zu einer Verlässlichkeit und Planbarkeit zurückkehren. Fünf Tage halte ich dabei für unrealistisch. Man kann sich ansonsten auch Gedanken darüber machen, ob Produktionsstandorte richtig gelegen sind, wenn die 800 Kilometer im Hinterland sind und über die Kaikante verschifft werden, wo freie Industrie- und Gewerbeflächen liegen.

Ein Lkw von W & F Franke
In Baden-Württemberg beispielsweise sitzen nun mal viele „Hidden Champions“ – Unternehmen, die Weltmarkführer in ihrem Bereich sind. Und die sind da traditionell verwurzelt, viele davon kleine und mittelständische Familienunternehmen.
Das mag so sein. Es gibt aber auch Standorte, die aufgrund ihrer Standortbedingungen an Grenzen stoßen, und dann muss man über Tochterstandorte nachdenken. Das wäre der logische Weg. Wir haben den Länderföderalismus, und wenn ich durch sechs oder sieben Bundesländer durch muss, ist jedes Land für seine Straßen und Brücken verantwortlich. Wir müssen darauf achten, dass wir die Brücken langfristig nicht auf Verschleiß fahren, sonst würde meine Nachfolgerin oder mein Nachfolger im Amt eine völlig kaputte Brückeninfrastruktur vorfinden. Das wäre unverantwortlich.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit den niedersächsischen Umlandgemeinden, die dort für die Genehmigungen zuständig sind? Was lässt sich da durch eine bessere Zusammenarbeit an Wartezeit einsparen?
Wir sind im engen Dialog vor allem mit Niedersachsen und dort im zuständigen Ministerium mit meinem Kollegen Olaf Lies. Mit dem habe ich auch telefoniert über dieses Thema. Die haben eine ähnlich gelagerte Situation. Es gibt Bund-Länder-Arbeitskreise, da gibt es Fachgespräche, wo man guckt, welche Verfahrensvereinbarungen möglich sind. Es hat vor kurzem eine Richtlininenänderung des Bundes gegeben, die sich aber leider als nicht zielführend erwiesen hat. Dadurch nahmen die Anträge nochmals zu.
Und warum?
Der Bund hat das Antragswesen dahingehend geändert, dass man auf Sammelformularen, wo man bisher zehn Fahrzeugkombinationen anmelden konnte, nur noch fünf anmelden kann. Zudem stellen Unternehmen Anträge für mehrere Strecken, weil sie die Erfahrung machen, dass ein Bundesland ganz plötzlich die Fahrt über eine bestimmte Brücke verbietet. Da kann ein Transport statt durch Hessen dann über Thüringen und Sachsen-Anhalt gehen. Dann kommen hier auch wieder zwei Anträge auf den Tisch, obwohl man in Bremen über denselben Abschnitt fahren will. Wegen des Zustands der Brücken haben wir außerdem eine allgemeine Freigabe für Transporte mit mehr als 40 bis zu 60 Tonnen zurücknehmen müssen. Das alles beschert uns zusätzliche Anträge.
Für diesen Montag haben Sie ja zum Treffen geladen. Inwiefern möchten Sie da mit einer konkreten Lösung rausgehen?
Ich bin zuversichtlich und finde es auch gut, dass wir hier im Dialog sind. Es ist ein Problem, was eine Seite nicht allein lösen kann. Aber viele Zuschriften, die ich aus der Logistik in den vergangenen Wochen erhalten habe, waren ja sehr konstruktiv – also nicht nur Beschwerden, sondern auch Vorschläge zur Lösung. Die habe ich an unsere Verwaltung weitergegeben. Vielleicht gibt es da ja die eine oder andere Lösung, die wir uns vorher nicht vorstellen konnten. Bremen als Hafen- und Logistikstandort lebt von der Fracht, die hier durchgeht, und das wollen wir weiter ermöglichen.
Inwiefern ist zwischen guter und schlechter Schwerlast zu unterscheiden?
Das wird alles vollkommen diskriminierungsfrei behandelt. Transporte, die nicht gerade gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz oder andere Gesetze verstoßen, werden ganz normal abgewickelt.
Nörgler gibt es immer: Was sagen Sie denjenigen in Ihrer Partei, die womöglich kritisieren „Jetzt will der Verkehrssenator auch noch dazu beitragen, dass diese dreckigen Diesel-Lkw schnell auf die Straße kommen“?
Die Abgasnormen und -kontrollen der Diesel-Lkw sind seit vielen Jahren verschärft worden, und die Fahrzeuge sind wesentlich sauberer als viele Pkw, wie wir zu unserem großen Entsetzen feststellen mussten. Egal wie wir über die eine oder andere Energieerzeugungsform nachdenken, werden wir die Erdölpipeline für Alaska genauso transportieren lassen wie die Windkraftanlage.
Aber je direkter die Wege eines Schwerlast-Lkw sind, desto besser.
Das ist eine Situation, die sich in den nächsten Jahren verschärfen wird, weil im gesamten Bundesgebiet, insbesondere in den westlichen Bundesländern die Brücken saniert werden müssen. Denn die in den 60er- und 70er-Jahren gebauten Brücken sind ja niemals für die Verkehrsmengen und Fahrzeuggewichte ausgelegt gewesen, die heute tagtäglich darüber rollen. Allerdings ist es uns in den Haushaltsverhandlungen gelungen, gerade für den Erhalt von Brücken mehr Geld als bisher einzuwerben, sodass wir das verstärkt angehen können. Da wird man aber die Anstrengungen in Zukunft deutlich steigern müssen. Bereits im Frühjahr haben wir darauf hingewiesen, dass wir auf die Brücken verstärkt aufpassen müssen.
Wenn es um Schwerlasttransporte geht, dann betrifft das in Bremen oft den Neustädter Hafen. Was gibt es dort vielleicht zu verbessern?
Das große Thema ist hier der Ringschluss der Autobahn A281. Da werden wir im kommenden Jahr den Baubeginn sehen. Wir haben jetzt alle gesetzlichen Hürden in einem langen und mühsamen Weg ausgeräumt und die Planungen so überarbeitet, dass sie auch Akzeptanz in der Gesellschaft der Stadt finden und den Anwohnern zumutbar sind. Ich bin mir sicher, dass das in Bezug auf den Neustädter Hafen Erleichterung bringt.
Womit rechnen Sie: Inwiefern wird die Zahl der Anträge für Schwertransporte in den kommenden Monaten womöglich nochmals zunehmen?
Die Güterverkehrsprognosen sagen eine Zunahme von mindestens 30 Prozent voraus, entsprechend steigt auch die Zahl der Anträge. Da kommen wir dann aber auch an absolute Systemgrenzen unserer technischen Infrastruktur in der Bundesrepublik. Wir können unsere momentanen Transportstrukturen nicht eins zu eins so fortschreiben wie bisher. Da wird es also andere Strukturen der Produktionsstandorte geben oder eben auch Anpassung der Transportgüter an die Dimensionen der Transportwege – vielleicht auch mehr Schwerlastgüter auf Wasserstraßen. Die Unternehmen sollten also perspektivisch sehen, wo die richtigen Standorte sind.
Sollte da das Bundesverkehrsministerium zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen, um das bewältigen zu können?
Das Bundesverkehrsministerium hat den Etat aufgestockt für den Straßenbau. Es gibt da aber eine Lücke. Und zwar müssen die Länder die Planungskosten tragen für die planungsreifen Projekte, um die Mittel des Bundes ziehen zu können. Die Länder müssen mit 15 bis 18 Prozent der Investitionssumme in Vorfinanzierung gehen, bekommen aber nur drei Prozent zurückerstattet. Überlegen Sie sich, was das für ein Land wie Bremen bei der Haushaltsnotlage bedeutet. Bei einem 100-Millionen-Euro-Projekt müssen wir bis zu 18 Millionen Euro vorfinanzieren und erhalten dann vielleicht sieben Jahre später nur drei Millionen Euro zurück. Auf dieses Problem haben die Länder den Bundesverkehrsminister immer wieder hingewiesen. Statt sich zu beklagen, dass von Mitteln in Höhe von sieben Milliarden Euro nichts abgerufen wird, sollte er lieber eine halbe Milliarde Euro zur Verfügung stellen, damit die Länder die Planungskosten finanzieren können.
Und in Form von Personalmitteln?
Im Moment liegt die Planungshoheit für die Fernstraßen bei den Ländern. Und in der Annahme, die Länder könnten das nicht effizient machen, wurde jetzt gegen den Willen der Länder eine Zentralisierung durchgesetzt. Das haben diese aber bei der Einigung über den Länder-Finanzausgleich im Paket geschluckt. Es fehlt den Ländern jedoch nicht am Willen, sondern an den Planungsmitteln und auch am Personal. Seit den siebziger Jahren wurde ja auch weniger geplant für die Infrastruktur und entsprechend wurde Personal abgebaut. Das reicht auch für das heutige Transportwesen nicht mehr aus. Und jetzt suchen alle gleichzeitig Personal und konkurrieren um dieselben wenigen Ingenieure. Da müssen wieder mehr Geld und mehr Planstellen ins System. Dafür brauchen Sie den entsprechenden politischen Willen und die zugehörigen Beschlüsse.