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Digitalisierung Immer mehr Tätigkeiten können automatisiert werden

Bei jedem dritten Arbeitsplatz in Niedersachsen und Bremen könnte der Computer mehr als 70 Prozent der Tätigkeiten übernehmen. Das hat eine Studie vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ergeben.
30.08.2021, 19:01 Uhr
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Immer mehr Tätigkeiten können automatisiert werden
Von Peter Hanuschke

Ein autonom fahrender Carrier nimmt selbstständig Teile aus dem Hochregallager auf und liefert sie ans Produktionsband – eine Tätigkeit, die früher der Lagerist ausgeführt hatte. Die Digitalisierung und Robotik hat längst die Arbeitswelt erreicht und wird sie weiter verändern. In welchen Berufsfeldern welche beruflichen Tätigkeiten heute schon von computergesteuerten
Maschinen erledigt werden könnten, das hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit an diesem Montag in einer Studie vorgestellt, die auch auf regionale Unterschiede eingeht. Demnach könnte in Niedersachsen (35,4 Prozent) und Bremen (34,7 Prozent) bei jedem dritten sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz der Computer mehr als 70 Prozent der Tätigkeiten übernehmen. Der Bundesdurchschnitt des sogenannten Substituierbarkeitspotenzials liegt laut Studie bei 33,9 Prozent.

Diese Prozentangaben seien aber nicht mit einem Arbeitsplatzabbau in dieser Höhe  gleichzusetzen, der unmittelbar bevorstehe, betonte IAB-Studien-Autor Martin Wrobel. Es gehe darum, aufzuzeigen, was heute schon technisch möglich sei und kommen könnte und wie sich das Substituierbarkeitspotenzial in einem Zeitraum von 2013 bis 2019 durch technologische Fortschritte verändert habe.

Eine der Kernaussagen der Studie: Auch komplexere Tätigkeiten lassen sich inzwischen automatisieren. So zeigt ein Blick auf das Qualifikationsniveau, dass nicht mehr wie noch 2016 vor allem die Helferberufe ohne Bildungsabschluss laut Studie davon betroffen sind. Es könnten inzwischen auch immer mehr komplexere Tätigkeiten automatisiert werden: In Niedersachsen und
Bremen sind demnach 2019 rund 59 Prozent der Tätigkeiten in Helferberufen potenziell substituierbar, die Fachkraftberufe mit Ausbildung liegen mit rund 58 Prozent inzwischen fast gleichauf. In den Spezialistenberufen könnte der Computer rund 45 Prozent der Tätigkeiten übernehmen, in den Expertenberufen rund 26 Prozent.

"Wir wollen durch das hohe Substituierbarkeitspotenzial in Bremen und Niedersachsen auch keine Angst verbreiten", sagte Johannes Pfeiffer, Chef der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen der Bundesagentur für Arbeit. Man wolle vielmehr deutlich machen, dass beide Länder von der Wirtschaftsstruktur her einen hohen Anteil an produzierendem Gewerbe etwa durch die Auto-, Luftfahrt- und Zuliefererindustrie sowie viele Logistikbetriebe hätten. Und diese Bereiche seien besonders prädestiniert für die Substituierbarkeit. "Tätigkeiten fallen weg, neue Tätigkeiten kommen hinzu. Und darauf müssen sich die Beschäftigten und die Betriebe einstellen."

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Dass viele Tätigkeiten theoretisch ersetzbar wären, bedeute jedoch nicht, dass Arbeitgeber sie in jedem Fall und in vollem Umfang ersetzten, so Pfeiffer. Kosten, ethische, rechtliche oder organisatorische Gründe könnten dagegen sprechen. „Angesichts der Marktreife immer fortgeschrittener Technologien müssen sich Betriebe aber noch mehr als bisher damit beschäftigen, welche Qualifizierungen ihre Beschäftigten benötigen, um neue Technologien anwenden zu können." Qualifizierung sei die einzige richtige Antwort auf den technischen Wandel. "Wir als Agentur wollen diesen Transformationsprozess als Partner der Beschäftigten und Betriebe begleiten und dabei unterstützen, das passende Qualifizierungsangebot zu finden." Das seien für beide Seiten große Herausforderungen, so Pfeiffer. "Wer den technischen Wandel für sich nutzen will, der benötigt eine gute Strategie und muss dabei die passgenaue Qualifizierung in den Mittelpunkt stellen."

Die Landkreise und kreisfreien Städte seien in Niedersachsen und Bremen hinsichtlich der Substituierbarkeitspotenziale ihrer Arbeitsplätze auch unterschiedlich stark betroffen, so Wrobel. Das hänge einfach von den unterschiedlichen Wirtschaftsstrukturen ab. So könnten beispielsweise in der Wesermarsch computergesteuerte Maschinen fast jeden zweiten Arbeitsplatz zu mehr als 70 Prozent übernehmen, weil es dort viel produzierendes Gewerbe gebe, während das im Landkreis Goslar nur bei etwa jedem vierten Arbeitsplatz (27,2%) der Fall wäre. 
 
„Die Digitalisierung stellt etablierte Geschäftsmodelle und Abläufe infrage", sagte Annette Düring, Vorsitzende des DGB Bremen, dem WESER-KURIER. So ein Wandel könne nur mit einem Mitspracherecht und passgenauer Weiterbildung der Beschäftigten gelingen, so die Gewerkschaftsvertreterin. Sie seien die Experten für die Arbeitsprozesse im Betrieb. "Gemeinsam können passgenaue Lösungen entwickelt werden." Damit werde bestehenden Ängsten vor Jobverlust und sozialem Abstieg entgegengewirkt. "Wir benötigen Förderprogramme, die sich sowohl an Beschäftigte und an Betriebsräte direkt richten." Der DGB fordert deshalb eine bundesweite Weiterbildungsstrategie. Das Land Bremen gehe mit der Einrichtung einer Landesagentur für berufliche Weiterbildung schon erste wichtige Schritte.

Qualifizierung sei auf jeden Fall ein wichtiges Instrument, so Cornelius Neumann-Redlin, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände im Lande Bremen. „Doch die Auswirkungen des digitalen Wandels auf die Entwicklung der Beschäftigung bleiben weiterhin diffus. Nach unserer Einschätzung sind auf Unternehmensebene in Bremen und Bremerhaven zumindest derzeit noch keine Befunde zu beobachten, aus denen sich ein systematisch negativer Beschäftigungstrend ableiten ließe." Vor allem aber sei derzeit noch nicht absehbar, wie sich die Corona-Pandemie auf den Transformationsprozess in der Wirtschaft auswirken werde. Der Untersuchungszeitraum von verfügbaren Studien ende jeweils vor dem Auftreten der Pandemie.

Zur Sache

Die Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen der Bundesagentur für Arbeit veranstaltet erstmals Thementage „Qualifizierung in der Transformation- so gelingt der technologische Wandel“. Die Informations- und Austauschreihe für Arbeitgeber und Beschäftigte findet vom 6. bis 30. September online statt.

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