Rauch steigt aus den Schornsteinen der Fabriken auf, der Wind trägt ihn fort. In den Fenstern der Hallen brennen noch Lichter, sie spiegeln sich in der Weser. Bremen ist eine Hansestadt und in erster Linie nicht für Industrieromantik bekannt. Doch auch im Norden hat die industrielle Revolution den Arbeitsalltag der Menschen grundlegend verändert. Die Szene ist auf einem historischen Foto zu sehen, das die Bremer Wollkämmerei zeigt. Hier wurde maschinell Rohwolle verarbeitet, möglich gemacht haben das technologische Errungenschaften wie die Dampfmaschine. Das Unternehmen wurde 1883 als Aktiengesellschaft gegründet und war lange Zeit Arbeitsplatz für mehrere tausend Menschen. Im Jahr 2009 wurde die Produktion eingestellt.
Seit der Industrialisierung hat sich der Arbeitsmarkt mehrere Male stark verändert, der nächste große Wandel steht laut Prognosen in den nächsten Jahrzehnten bevor. Ihn beeinflussen vor allem drei Phänomene: die Globalisierung, der demografische Wandel und der technologische Fortschritt. Wie das genau passiert, ist Thema dieser Serie.

Ein historisches Foto von der Bremer Wollkämmerei.
Unternehmen lagerten ihre Produktion in den vergangenen Jahrzehnten in Niedriglohnländer aus, etwa in der Textilbranche. Der Trend der Globalisierung besteht noch immer, schwächt sich seit einigen Jahren aber ab. Der demografische Wandel hingegen nimmt gerade erst Fahrt auf: Wenn die Babyboomer-Generation in Ruhestand geht, kann das weitreichende Folgen für den Arbeitsmarkt und die deutschen Sozialsysteme haben.
Auch der technologische Fortschritt wird in den nächsten Jahrzehnten einen großen Sprung machen. Im 18. Jahrhundert waren es der Webstuhl und die Dampfmaschine, die ein neues Zeitalter einläuteten – heute heißen die Treiber des Wandels Digitalisierung, Roboter und Künstliche Intelligenz (KI). Von der vierten industriellen Revolution ist die Rede. Sie soll Fabriken immer stärker automatisieren und dafür sorgen, dass sie weitestgehend ohne Menschen betrieben werden können.
Wie stark sich die Arbeitswelt verändern wird, dazu gibt es jedoch unterschiedliche Ansichten. Die Wissenschaftler Michael A. Osborne und Carl Benedict Frey der Universität Oxford haben 2017 mit einer Studie Aufsehen erregt. Jeder zweite Arbeitsplatz in den USA sei durch die Digitalisierung in Gefahr, schrieben sie. Andere Wissenschaftler sehen das nicht so dramatisch und auch die Deutschen betrachten laut einer repräsentativen Umfrage des Branchenverbandes Bitkom die KI mehrheitlich (62 Prozent) als Chance denn als Bedrohung.
Die Angst vor einer Massenarbeitslosigkeit durch die neue Technologie ist laut Enzo Weber nicht rational. Weber ist Professor für Empirische Wirtschaftsforschung an der Universität Regensburg und leitet beim Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung den Forschungsbereich Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen. “Viele Tätigkeiten, die Menschen vor 100 Jahren gemacht haben, werden heute von Maschinen übernommen – nach dieser Logik müssten wir längst alle arbeitslos sein”, sagt er. Es sei üblich, dass Arbeitsplätze verschwinden und dafür neue entstünden. Dies sei aber mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Schließlich müssen Arbeitnehmer auf neuen Anforderungen des Arbeitsmarkts vorbereitet werden.
Als Beispiel für so eine Anpassungsleistung nennt Weber die Jahre des Wirtschaftswunders der 70er-Jahre. Damals sei die größte Gruppe im deutschen Arbeitsmarkt die der Hilfsarbeiter gewesen, die meist keine Berufsausbildung hatten. “Diese Jobs sind millionenfach über die Zeit verschwunden, dafür sind höher qualifizierte entstanden”, sagt er. “Trotzdem ist die Arbeitslosigkeit bei den Geringqualifizierten damals enorm gestiegen, bis auf über 25 Prozent.” Das sei ein Problem der mangelnden Anpassung, aber nicht der Zahl der Arbeitsplätze gewesen. Um den nun bevorstehenden Wandel zu meistern, braucht es Weber zufolge eine kontinuierliche Unterstützung bei der Qualifizierung.
Bildung als Schlüssel für einen erfolgreichen Wandel
Das könne ganz unterschiedlich aussehen. Manche Arbeitnehmer könnten innerhalb ihrer Branche wechseln, dann brauche es keine neue Berufsausbildung. Wer dennoch eine neue Ausbildung macht, dem können Qualifikation aus dem vorherigen Berufsleben anerkannt werden. Aber auch größere Brüche wie etwa eine Umschulung zur Pflegekraft seien denkbar, sagt Weber. Die Bundesagentur für Arbeit fördere dies mit Programmen. Das sei auch schon in relevanter Größenordnung passiert, sagt Weber, sodass sich positive Effekte auf den Arbeitsmarkt nachweisen ließen. Eine allgemeine Empfehlung kann es laut Weber nicht geben. “Das ist eine Frage der individuellen Berufsberatung, man muss sich den Einzelfall anschauen.” Neben den Um- und Weiterbildungsangeboten seien die Beratung und die finanzielle Förderung wichtig, um den Wandel erfolgreich zu schaffen.
Betroffen sind laut Weber vor allem Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe wie etwa die Materialbearbeitung oder die Bedienung von Maschinen. “Aber auch Büro- und kaufmännische Dienstleistungsberufe wie im Finanz- oder Rechnungswesen sind betroffen, verbunden mit einem hohen Anteil an Routineaufgaben, die vergleichsweise leicht programmierbar sind.” Stellen in der IT, in der Wissenschaft und in der Lehre würden hingegen zunehmen, ebenso schwer automatisierbare Arbeitsplätze wie etwa im sozialen Bereich.
Manche Branchen verändern sich durch neue Technologien stärker als andere. In einer Fotostrecke zeigen wir, wo zukunftsträchtige Erfindungen heute schon eingesetzt werden und welchen Teil Bremen bei ihrer Erforschung beiträgt: