Der Mittelständler, der spezialisiert ist auf die Fertigung von Auspuffen. Oder der große Zulieferer, der Einspritzanlagen für Dieselmotoren baut: Was wird aus ihnen, wenn die Elektromobilität sich durchsetzt? Unter Betriebsräten und Gewerkschaftern geht die Angst vor einem massiven Jobabbau um. Experten des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) haben es hochgerechnet und kommen zu dem Ergebnis, dass bis 2030 hierzulande rund 100.000 Arbeitsplätze wegfallen könnten. Jörg Hofmann, IG-Metall-Vorsitzender, fordert von der Politik eine „zielgerichtete Industrie- und Beschäftigungspolitik.“
Der von der Gewerkschaft vorgestellte Vorabbericht hat Gewicht. Denn die Studie wurde nicht nur von der IG Metall, sondern auch von den drei deutschen Autobauern (VW, Daimler, BMW), von wichtigen Zulieferern (Bosch, Schaeffler, ZF, Mahle) und von der Autolobby VDA getragen. Sie kommt zu einem Zeitpunkt, da in der EU über die Verschärfung der Vorgaben für den CO2-Ausstoß von Autos bis 2030 diskutiert wird.
VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh betonte, für die Fertigung eines Golf würden heute etwa 20 Arbeitsstunden benötigt. Für ein entsprechendes Elektromobil dürfte ein Drittel weniger Aufwand anfallen. Denn die Technik eines Stromers ist erheblich simpler als bei einem Verbrenner. Eine Auspuffanlage braucht es nicht mehr.
Auch keine Einspritzanlage – dabei handelt es sich um eine hochkomplexe Apparatur, die aus rund 100 Hightech-Einzelteilen besteht. Über den Daumen besteht der Antriebsstrang eines Benziners oder Diesels aus 1200 Komponenten, der eines E-Autos aus 200. Viele kommen von Bosch. Hartwig Geisel, Betriebsratschef des Stuttgarter Zulieferers, blickt nicht gerade optimistisch in die Zukunft.
„Bei uns wird mit einem Verhältnis von zehn zu eins gerechnet.“ Soll heißen: Wo heute hundert Frauen und Männer Bauteile für ein Diesel-Auto bauen, werden eines Tages nur noch zehn Beschäftigte Komponenten für E-Aggregate fertigen. An Standorten, die auf Verbrennertechnik spezialisiert seien, könne es sehr eng werden. Und diese würden dann zum Teil auch noch in strukturschwachen Gebieten liegen.
Alternative Antriebe werden mehr
Das wird laut IAO-Studie nicht nur ein Problem von Bosch werden. Der Strukturwandel schlage bei „spezialisierten Tätigkeiten“ besonders stark durch: Der Rückgang von Stückzahlen und Umsatz könne „zur Schließung von dedizierten Betriebsteilen, Standorten oder ganzen Betrieben“ führen oder einen „Technologiebruch in monostrukturellen Industrieregionen“ nach sich ziehen.
Die Fraunhofer-Wissenschaftler und IG-Metall-Chef Hofmann sehen vor allem Beschäftigte von kleinen und mittelgroßen Zulieferern in Gefahr. Denen werde es an Geld und Know-how fehlen, um die Produktion auf E-Auto-Teilen umzustellen. Die IAO-Forscher gehen davon aus, dass die alternativen Antriebe kontinuierlich mehr werden: Im Mai wurden 2310 reinrassige E-Autos und 2465 Plug-in-Hybride (Marktanteil je 0,8 Prozent) neu zugelassen.
Bis zum Jahr 2030 sollen es 25 und 15 Prozent werden. Die Wissenschaftler haben auf betrieblicher Ebene durchgespielt, wie dies konkret die Fertigung der Komponenten des Antriebsstrangs verändert. Das Gesamtergebnis: Etwa 100.000 von insgesamt 200.000 Jobs in der Produktion von Motoren und Getrieben könnten bis 2030 wegfallen. Im Gegenzug könnten 25.000 neue Arbeitsplätze in der Fertigung von E-Antrieben neu entstehen.